„Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass nicht wenige in der CDU ein ambivalentes Verhältnis, mindestens zu Grundsatzprogrammen haben“ erklärte Borchard eingangs. Dafür, dass die CDU erst drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung ein erstes Grundsatzprogramm verabschiedet hat, gebe es jedoch triftige Gründe: So habe zum einen in der Gründungsphase der Partei das christliche Menschenbild als „Fixstern“ gedient, an dem sich das gesamte politische Konzept der CDU bis heute ausrichte. „Die CDU war Programm, ehe sie sich ein Programm gab“, zitierte Borchard dazu den ersten Generalsekretär der CDU, Bruno Heck. Zum anderen habe die CDU durch ihren politischen Erfolg und ihre Gestaltungskraft, durch die faktische Kraft, beispielsweise der Westbindung und der Sozialen Marktwirtschaft, auch jenseits programmatischer Festlegungen Bindungskraft entfalten können. Gleichwohl habe es mit dem Ahlener Programm 1947 oder den Düsseldorfer Leitsätzen 1949 durchaus Programme mit Wirkkraft gegeben, diese seien jedoch in erster Linie „Ressortprogramme“ gewesen.
Erst eine Änderung des Parteiengesetzes, vor allem aber die gesellschaftlichen Veränderungen haben in den 1960er Jahren dazu geführt, dass sich die CDU verstärkt mit programmatischen Fragen auseinandergesetzt habe. Dabei stellte Borchard die zentrale Rolle Helmut Kohls heraus, der als Reformer nicht nur die programmatische Entwicklung der Partei, sondern auch ihren Wandel von der Honoratioren- zur modernen Mitgliederpartei vorangetrieben habe. „1978 wurde schließlich in Kohls Heimatstadt Ludwigshafen das erste Grundsatzprogramm der Parteigeschichte verabschiedet, mit dem die programmatischen Wurzeln der CDU zu einem schlüssigen Konzept zusammengefasst und an die neuen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen angepasst wurden“, erklärte Borchard. Insbesondere der Grundwerteteil sei zum Leitstern für die nachfolgenden Programme 1994 und 2007 und auch den Entwurf von 2024 geworden.
Auch wenn die folgenden Grundsatzprogramme wichtige Akzente setzen konnten, wie 1994 die Öffnung gegenüber „Nichtchristen“ oder 2007 die Idee der „Leitkultur“, hätten sie keine so nachhaltig prägende Wirkung gehabt wie das Programm von 1978. Dabei sei freilich nicht zu verschweigen, dass kraftvolle Positionierungen in Zeiten der Opposition leichter seien als in Zeiten, in denen die CDU in Regierungsverantwortung stehe.
Abschließend stelle Borchard fest: „Die CDU wird als letzte Volkspartei nur dann auch in Zukunft ihre integrierende Wirkung entfalten und zur Stabilität unseres Landes beitragen können, wenn sie beide Stränge – ihren pragmatischen Politikstil und ihre programmatische Kraft – in den Händen behält und immer wieder zu einem kraftvollen Zugseil verknüpft.“
Bei der anschließenden Diskussion wurden – auch mit Blick auf den gegenwärtigen Programmprozess – insbesondere Fragen der programmatischen Kontinuität sowie die Bedeutung der ideengeschichtlichen Wurzeln für die Programmatik thematisiert. Darüber hinaus wurde über die Besetzung von Begriffen und über die Frage diskutiert, wieviel „Wahlprogramm“ in einem Grundsatzprogramm stecken dürfe.
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