Auf einen Blick
- Mehr als 75 Jahre nach seiner Gründung steht das multilaterale System der Vereinten Nationen vor den größten Herausforderungen seiner Geschichte.
- Kritisch ist vor allem der Legitimitätsverlust der Vereinten Nationen infolge zahlreicher Krisen. Die Organisation hat Schwierigkeiten, ihrem Mandat gerecht zu werden und regelbasierte Lösungen für globale Probleme zu finden und umzusetzen.
- Der Reformbedarf des Multilateralismus ist offensichtlich. Häufige Blockaden im Sicherheitsrat schränken die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen stark ein.
- Als Konrad-Adenauer-Stiftung halten wir den regelbasierten Multilateralismus für unverzichtbar und setzen uns für eine Weiterentwicklung des multilateralen Systems ein. An mehreren Standorten beschäftigen wir uns daher intensiv mit den Diskussionen und der Arbeit multilateraler Institutionen.
Inhalt
1. Multilateralismus unter Druck
2. Das System der Vereinten Nationen
4. Stärkung der regelbasierten multilateralen Ordnung
5. Unsere Angebote und Projekte zum Thema
6. Publikationen, Veranstaltungen und Medienbeiträge zum Thema
Die meisten Herausforderungen, mit denen sich ein Staat konfrontiert sieht, können nicht im Alleingang gelöst werden – egal, wie groß oder klein er ist. Im Laufe der Zeit haben sich viele multilaterale Organisationen zur Kooperation in unterschiedlichsten Themenfeldern gegründet. Das Herzstück internationaler Zusammenarbeit, in dem mit 193 Mitgliedsstaaten fast alle Länder der Welt vertreten sind, ist das System der Vereinten Nationen.
Multilateralismus unter Druck: Die Vereinten Nationen befinden sich in der Legitimationskrise
75 Jahre nach ihrer Gründung am 24. Oktober 1945 steht das multilaterale System der Vereinten Nationen vor den größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ziele laut der Charta der Vereinten Nationen sind die Sicherung des globalen Friedens, die Wahrung der Menschenrechte und die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts aller Völker. Doch die Organisationen haben zunehmend Probleme, ihrem Auftrag gerecht zu werden. Die COVID-19-Pandemie, der Klimawandel, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie andere und neue Formen weltweiter Konflikte sind reelle Gefahren für das System der internationalen Staatenkooperation. Die Legitimation des Systems beruht darauf, regelbasierte Lösungen für globale Probleme zu finden, die Staaten allein nicht erreichen können. Bleiben jedoch Unrecht ungesühnt oder humanitäre Unterstützung und Nothilfe aus, droht der Relevanzverlust.
Das System der Vereinten Nationen: Sechs Hauptorgane bilden die zentralen Pfeiler der globalen Staatenkooperation
Die Organe der Vereinten Nationen und ihre Unterorganisationen bilden das Fundament der globalen regelbasierten Ordnung. New York ist der Hauptstandort der Vereinten Nationen. Hier befindet sich mit der Generalversammlung das wichtigste beratende, politische und repräsentative Organ der Vereinten Nationen. Vier der sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen laut VN-Charta haben ihren Sitz in New York. Neben der Generalversammlung sind dies der VN-Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat sowie das VN-Sekretariat mit dem Generalsekretär. Der Internationale Strafgerichtshof der Vereinten Nationen ist im niederländischen Den Haag. Das sechste Organ laut VN-Charta, der Treuhandrat, hat mit Beendigung seiner Aufgabe – die dem Internationalen Treuhandsystem unterstellten (Kolonial-) Gebiete zu überwachen und zu unterstützen – die Arbeit mittlerweile eingestellt.
Neben den Hauptorganen gibt es zahlreiche Nebenorgane, verwandte und Sonderorganisationen sowie Hauptabteilungen und Büros. Einige davon befinden sich an den weiteren drei der insgesamt vier Hauptstandorte der Vereinten Nationen in Genf, Wien und Nairobi. Hierzu gehören beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation und die Welthandelsorganisation in Genf, die Internationale Atomenergie-Organisation oder das Umweltprogramm der Vereinten Nationen.
Der Reformbedarf ist hoch: Blockaden in zentralen Gremien berauben die Vereinten Nationen ihrer Handlungsfähigkeit
Die häufigen Blockaden im Sicherheitsrat führen den Reformbedarf wichtiger Organe im VN-System exemplarisch vor Augen. Von den 15 Sitzen im Sicherheitsrat werden zehn nach einem Rotationsprinzip für jeweils zwei Jahre gewählt; fünf Sitze wurden nach dem Zweiten Weltkrieg als ständige Sitze für die Siegermächte (Frankreich, Großbritannien, Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion, die USA sowie China) festgelegt. Sobald einer der fünf Staaten mit ständigem Sitz beispielsweise aufgrund eigener Beteiligung an einem internationalen Konflikt von seinem erweiterten Vetorecht Gebrauch macht, muss eine Streitfrage an andere VN-Gremien überwiesen werden. Resolutionen des VN-Sicherheitsrates sind völkerrechtlich bindend, während Resolutionen der Generalversammlung oder anderer Organe lediglich den Charakter politischer Empfehlungen haben. Die Blockadehaltung ständiger Sicherheitsratsmitglieder führt also somit dazu, dass das schärfste Schwert des VN-Multilateralismus nicht eingesetzt werden kann.
Ein weiterer großer Kritikpunkt besteht darin, dass sich viele Staaten des Globalen Südens im aktuellen System unzureichend repräsentiert fühlen. Der Reformbedarf für die Herstellung eines an die veränderten Realitäten des 21. Jahrhunderts angepassten multilateralen Systems, in dem sich die Mitgliedsstaaten adäquat vertreten fühlen, ist hoch.
Stärkung der regelbasierten multilateralen Ordnung: Die Konrad-Adenauer-Stiftung setzt sich für dieses Ziel ein
Die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschaffene multilaterale Ordnung hat trotz aller Schwächen zu langen Zeiten des Friedens, zur Schlichtung von Konflikten, zu Wohlstandsvergrößerungen und zum Schutz der Menschenrechte beigetragen. Gleichzeitig hat das System der Vereinten Nationen es nicht geschafft, Krieg und Hunger weltweit zu verhindern, Umweltzerstörung und Klimawandel zu vermeiden oder Menschenrechtsverletzungen zu verhüten. Herausforderungen haben sich in den letzten Jahren schneller gewandelt und durch globale Vernetzung potenziert, als das System sich daran anpassen konnte. Das nicht mehr zeitgemäße System mit seinen teilweise ineffizienten und ineffektiven Entscheidungsmechanismen muss angesichts bestehender Blockaden dringend reformiert werden.
Gleichzeitig gilt: Wenn es die Vereinten Nationen als Plattform für 193 Staaten nicht gäbe, müsste sie angesichts der globalen Herausforderungen erfunden werden. Angesichts der zahlreichen Problemlagen unserer Zeit bleiben der multilaterale Austausch und die gemeinsamen Anstrengungen und Entscheidungen auf Grundlage einer regelbasierten globalen Ordnung nicht nur wichtig, sondern sind relevanter und notwendiger denn je, um komplexe Problemlagen erfolgreich bearbeiten und lösen zu können.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung beschäftigt sich aus diesem Grund an mehreren Standorten mit der Arbeit und den Diskussionen multilateraler Institutionen. Es gilt, die gut funktionierenden Mechanismen zu bewahren und andere im Einklang mit der Staatengemeinschaft weiterzuentwickeln und zu reformieren, um auch im 21. Jahrhundert durch internationale Zusammenarbeit und Kooperation nach der Erfüllung der Ziele der Charta der Vereinten Nationen zu streben.
Unsere Angebote und Projekte zum Thema
Kleiner Atlas des Multilateralen Genf
In der öffentlichen Aufmerksamkeit fällt Genf – obschon zweiter Hauptsitz der Vereinten Nationen – oft zurück. Zu Unrecht, argumentiert der „Kleine Atlas des internationalen Genf 2021/2022“, denn in der Arbeit der über 45 hier ansässigen internationalen Organisationen und über 750 Nichtregierungsorganisationen konkretisiert sich multilaterale Diplomatie wie an kaum einem anderen Ort dieser Welt. Anhand zentraler Genfer Politikfelder, wie Globaler Gesundheit, Humanitärer Hilfe, Welthandel, Digitalisierung, Menschenrechten oder Flucht und Migration zeigt der Atlas schlaglichtartig die zentrale Bedeutung des internationalen Genf für globale Entwicklungen und den Multilateralismus auf.
Kleiner Atlas des internationalen Genf 2021/2022
Entwicklungen des internationalen Genf in Karten
Flippingbook
Internationale Büros und Programme
Mehrere Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung arbeiten an verschiedenen Standorten in Nordamerika und Europa mit multilateralen Organisationen zusammen. Vor allem beobachten und begleiten sie aktuelle Entwicklungen und Diskussionen u. a. in und zu den Vereinten Nationen.
Multilateraler Dialog / Multinationaler Entwicklungsdialog
An den VN-Standorten New York, Genf und Wien beschäftigen sich unsere Auslandsbüros mit aktuellen Debatten und Diskussionen in den Vereinten Nationen sowie deren Unterorganisationen. In Washington arbeitet die Stiftung unter anderem zu den Bretton Woods-Institutionen wie Weltbank und Internationalem Währungsfonds. In Brüssel fördert die Stiftung den Dialog mit dem Globalen Süden. Dabei orientiert sich die Arbeit der Büros an den übergeordneten Schwerpunktthemen der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Sicherheit braucht Freiheit“; „Demokratie braucht Mitwirkung“ und „Nachhaltigkeit braucht Innovation“.
Mehr erfahren über den Multilateralen Dialog / Multinationalen Entwicklungsdialog
Podcasts, Publikationsreihen und Publikationsprojekte
Im Rahmen von Publikationsreihen und -projekten informieren unsere Auslandsbüros in unregelmäßigen Abständen über verschiedene Aspekte und Ereignisse multilateraler Zusammenarbeit. Zusätzlich geben wir mit dem MultiPod eine Podcast-Reihe heraus sprechen Vertreterinnen und Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) auf der ganzen Welt einmal im Monat über aktuelle, internationale und multilaterale Themen
MultiPod
Mit dem MultiPod gibt die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Podcast-Reihe heraus, in der wir auf der ganzen Welt einmal im Monat über aktuelle, internationale und multilaterale Themen. Neben Fachleuten internationaler Organisationen sprechen wir auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen des weltweiten Auslandsbüro-Netzwerkes der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie ordnen Vorgänge ein, erklären Zusammenhänge und liefern Hintergrundinformationen.
Genfer Großwetterlage
Mit der „Genfer Großwetterlage“, die Teil der Länderberichte der Konrad-Adenauer-Stiftung in Genf ist, wirft unser Büro in unregelmäßigen Abständen einen Blick auf die Entwicklungen in den Genfer Internationalen Organisationen – darunter die Vereinten Nationen (VN), die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – und analysiert diese.
Map of the Month
Mit der „Map of the Month“ illustriert unser Büro in Genf im monatlichen Turnus anhand von Karten globale Trends und die Rolle Deutschlands und Europas in der Welt. Dargestellt werden u. a. das Abstimmungsverhalten in bestimmten VN-Organisationen, die Geberländer und Finanzbeiträge für Humanitäre Hilfe, Initiatoren von Resolutionen, gemeinsame Stellungnahmen verschiedener Staaten und vieles mehr.
UN Agora Blog
Unser Büro in New York widmet sich mit ihrem UN Agora Blog den Welttagen der Vereinten Nationen. Hierzu lädt sie regelmäßig Expertinnen und Experten ein, um über die Themen bzw. Anlässe der Welttage zu schreiben und über diese zu reflektieren. Vor allem die internationalen Gerechtigkeitstage stehen im Fokus. Ziel ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, welch wichtigen Beitrag die Vereinten Nationen bei der Verwirklichung von Frieden und Gerechtigkeit auf der ganzen Welt geleistet haben. Zudem sollen die Veröffentlichungen einen Anstoß dazu geben, die Diskussion zur globalen Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz und die Rolle der Vereinten Nationen dabei zu intensivieren.
Historische Entwicklung im Überblick
Die zügige Konstituierung und Gründung der Vereinten Nationen noch während des Zweiten Weltkriegs war kein Zufall. Entwicklungen und Bestrebungen zur Etablierung einer internationalen Friedensorganisation gab es schon seit 1899.
Zur Geschichte der Vereinten Nationen
Die Idee, eine globale Friedensorganisation zu gründen, die in der Lage sein würde, internationale Konflikte durch die Aufstellung von Schiedsgerichten am Verhandlungstisch zu lösen, stammt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und wurde durch eben diesen zunichte gemacht. Auch der 1920 gegründete Völkerbund hatte, da mit den USA einer der wichtigsten Staaten der Welt nicht beigetreten ist, von vornherein einen schweren Stand. Erst 1945 wurde mit den Vereinten Nationen eine Organisation gegründet, die unter dem Eindruck der Grauen des Zweiten Weltkriegs mit einem ernsthaften Auftrag zur Bewahrung des Weltfriedens ausgestattet werden konnte. Wie genau der Weg dahin, angefangen mit den Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907, verlief, erklären wir Ihnen auf nachfolgender Übersichtsseite.