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Alexander Throm, Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung

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In Deutschland fehlen aufgrund des demografischen Wandels bis 2035 voraussichtlich sieben Millionen Arbeitskräfte. Wie soll dem begegnet werden?

Alexander Throm: Der Personalmangel wird zur großen Wachstumsbremse in Europa. Wir müssen deshalb schauen, dass wir Arbeitskräfte mobilisieren, zunächst einmal inländische Arbeitskräfte, indem wir Menschen motivieren, länger zu arbeiten, indem wir Frauen nach der Familienphase schneller wieder die Möglichkeit geben, in das Berufsleben zurückzukehren, oder auch Personen, die arbeitslos sind, in den Arbeitsmarkt integrieren. Und ja, wir brauchen auch eine qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland.

 

Die Ampelkoalition hat drei Zuwanderungswege für Arbeitskräfte nach Deutschland vorgesehen: für Fachkräfte mit anerkanntem Abschluss, für Personen, die keinen Abschluss nach deutschen Standards haben, und für jene, die keinen Job haben und sich mit einer „Chancenkarte“ in Deutschland eine Arbeitsstelle suchen können. Ist das der richtige Weg?

Alexander Throm: Nein, der Weg der Ampel heißt Masse statt Klasse. Das ist nicht der richtige Weg! Entscheidend für die Frage, wie Fachkräfte aus Drittländern nach Deutschland angeworben werden sollen, ist die vorhandene oder erreichbare Qualifikation. Denn nur diese Qualifikation sichert langfristig das Beschäftigungsverhältnis und vermeidet eine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Der Weg der Ampel ist in allen Bereichen der, dass die Anforderungen an die Qualifikation derer, die wir aus Drittstaaten nach Deutschland holen wollen, deutlich gesenkt werden. Dies ist langfristig nicht zum Nutzen unserer Volkswirtschaft.

Alexander Throm, Fotograf: Tobias Koch

Das Stichwort „Punktesystem“ suggeriert, dass man dem kanadischen Weg folgt. Ist das kanadische Modell mit dem deutschen vergleichbar?

Alexander Throm: Kanada ist mit Deutschland nicht zu vergleichen. Kanada hat ein Überangebot an Menschen, die dort arbeiten wollen. Mit dem Punktesystem nimmt Kanada eine Bestenauslese vor. Die Ampel macht genau das Gegenteil davon. Wir haben zu wenig Bewerber mit guter Qualifikation, die in Deutschland arbeiten wollen. Die Ampelkoalition senkt die Anforderungen deutlich ab und macht ein Downgrading. Es ist deswegen irreführend, wenn die Ampel ihr Punktesystem mit dem von Kanada vergleichen will.

 

Bei Personen, die keinen Abschluss nach deutschen Standards haben, wird die Gleichwertigkeitsprüfung aufgegeben. Ist das aus Sicht deutscher Ausbildungs- und Qualitätsstandards vertretbar?

Alexander Throm: Wir haben im Jahr 2019 als unionsgeführte Bundesregierung mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Zuwanderung erleichtert und damit auch die Vergleichbarkeitsprüfung unterhalb der Hochqualifizierten-Grenze eingeführt. Wenn jetzt unterschiedliche Standards durch den Gesetzentwurf der Ampel geschaffen werden, dann werden wir künftig die Fachkräfte in Deutschland mit zweierlei Maß messen. Es muss aber darum gehen, dass wir unsere Standards aufrechterhalten und sie nicht an die niedrigen Standards des Auslands anpassen.

 

Können die unterschiedlichen Qualifikationsniveaus, die Zuwanderer mitbringen, durch betriebliche Weiterbildung ausgeglichen werden?

Alexander Throm: Es gibt diesen Ansatzpunkt bereits in dem von uns 2019 beschlossenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, allerdings gekoppelt mit der Verpflichtung, nach Einreise mittels einer Nachqualifizierung unser Niveau zu erreichen. Der Unterschied zu den Regelungen der Ampelkoalition ist, dass man jetzt auch hierbleiben darf, wenn man auf dem niedrigen Niveau bleibt und sich nicht nachqualifiziert. Selbstverständlich sind durch betriebliche Weiterbildungen Nachqualifizierungen erreichbar. Nur wird die Forderung, dass diese auch erfolgen müssen, von der Ampel aufgehoben.

 

Auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2019 hat die Hürden für die Arbeitsmigration gesenkt. Hat das Gesetz gewirkt?

Alexander Throm: Es kamen mehr Fachkräfte nach Deutschland, weil erstmals die Möglichkeit bestand, unterhalb des Bereichs der sogenannten Hochqualifizierten als Fachkraft mit einem vergleichbaren Berufsabschluss, etwa mit einem Handwerksberuf, nach Deutschland zu kommen. Das war eine deutliche Verbesserung. Allerdings fielen die neuen Regelungen, die am 1. März 2020 in Kraft traten, in die Corona-Jahre mit den entsprechenden Reisebeschränkungen hinein.

Es ist aber deutlich geworden, dass die Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit des Berufsabschlusses zu kompliziert sind, zu lange dauern und zu viele verschiedene Stellen darüber entscheiden. Deswegen fordern wir, dass diese Verfahren beschleunigt werden. Zudem sind die Visavergaben des Auswärtigen Amtes seit Jahren ein großes Hemmnis. Dieses Problem müsste die Ampelkoalition, insbesondere die grüne Außenministerin, angehen. Wir könnten durch beschleunigte Visaverfahren sehr schnell deutliche Effekte erzielen.

 

Im Durchschnitt kommen zurzeit mehr als 25.000 Asylbewerber pro Monat nach Deutschland. Lässt sich dadurch der Personalmangel lösen?

Alexander Throm: Die ungesteuerte Asylmigration ist keine Lösung des Fachkräftemangels, weil dadurch nicht die Menschen mit einer entsprechenden Ausbildung und Qualifikation kommen; das müssen wir leider feststellen. Wir müssen deswegen unterscheiden: Bei Asyl und Flucht kommen Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Bei der gesteuerten, zielgerichteten Fachkräfteeinwanderung müssen wir bei denjenigen Menschen für uns werben, die wir als Gesellschaft und Volkswirtschaft benötigen.

 

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung meldet rund 1,9 Millionen offene Stellen. Die Zahl der Arbeitslosen lag im März bei 2,6 Millionen. Könnte der Bedarf an ungelernten Arbeitskräften nicht aus diesem Potenzial sowie aus der Fluchtzuwanderung gedeckt werden?

Alexander Throm: Wir müssen insbesondere anerkannte Asylbewerber in das Arbeitsleben integrieren. Fakt ist allerdings, dass eine hohe Anzahl gerade von anerkannten Asylbewerbern nach wie vor vom SGB II – jetzt Bürgergeld – lebt. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir Mobilisierungs- und Motivationseffekte generieren. Man kann auch sagen: Sanktionen, wenn jemand nicht arbeiten will. Und umgekehrt werbe ich schon seit Jahren dafür, dass wir Menschen, die anerkannt sind, in sogenannte verpflichtende gemeinnützige Integrationsdienste bringen, mit denen sie an ein geregeltes Arbeitsleben bei uns herangeführt werden.

 

… auch ein Schritt, um die Integration zu befördern?

Alexander Throm: Auf jeden Fall, denn ein geregeltes Arbeitsleben ist meistens der beste und schnellste Weg zur Integration; deswegen sollte man beides miteinander verbinden. Das ist im Übrigen ein Vorschlag, der seit Anfang dieses Jahres auch von den drei kommunalen Spitzenverbänden in Baden-Württemberg unterstützt wird.

 

Die Ampelkoalition hat mit dem sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht einer größeren Gruppe geduldeter Flüchtlinge eine langfristige Bleibeperspektive geboten. Ist das der richtige Weg zu mehr Arbeitskräften?

Alexander Throm: Nein, das Chancen-Aufenthaltsrecht ist ein Irrweg, denn alle Geduldeten – um die geht es im Chancen-Aufenthaltsrecht – können heute schon arbeiten, wenn sie wollen. Es gibt kein Arbeitsverbot, mit Ausnahme einer Gruppe, und zwar für Personen mit schuldhaft ungeklärter Identität. Es handelt sich hierbei um ausreisepflichtige Identitätstäuscher und -verweigerer, die uns zur Verhinderung ihrer Abschiebung (denn Geduldete sind prinzipiell ausreisepflichtig) über ihre Identität getäuscht haben. Und nur diese Personengruppe braucht das Chancen-Aufenthaltsrecht, weil nur sie sich bisher kein Bleiberecht erarbeiten konnte. Deswegen ist es schlicht ein Irrweg, dass wir künftig Identitätstäuschern in Deutschland ein Daueraufenthaltsrecht gewähren. Das ist eine Einladung, uns auch künftig zu belügen.

 

Die Pläne der Ampelkoalition sehen die Verkürzung der Fristen für eine Einbürgerung und für mehrfache Staatsangehörigkeiten vor. Es wird behauptet, eine schnellere Einbürgerung führe zu schnellerer Integration.

Alexander Throm: Nein, der richtige Weg ist umgekehrt. Die Einbürgerung muss am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses stehen. Das wünschen wir uns auch bei den zugewanderten Menschen. Aber es gilt auch der Satz: Drum prüfe, wer sich ewig bindet! Die deutsche Staatsbürgerschaft kann nach Erteilung nicht mehr entzogen werden. Insofern ist es angemessen, eine gewisse Prüffrist von momentan acht beziehungsweise sechs Jahren zu haben und zu klären, ob dieser Mensch sich tatsächlich bei uns integriert hat, seinen Lebensunterhalt sichern kann, nicht straffällig wird und auch zu unserem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen steht.

Mehrfachstaatsangehörigkeiten gibt es schon heute in vielen Fällen. Es ist mit Sicherheit nicht zielführend, sie generell zuzulassen, weil es ein gewisses Konfliktpotenzial für die betroffenen Personen und auch innerhalb der Staatengemeinschaft birgt. Deswegen sollten wir grundsätzlich an dem Ziel der alleinigen deutschen Staatsbürgerschaft festhalten, mit Ausnahmen eben auch für die Vielzahl von Lebensentwürfen, die es gibt.

 

Ist das Bürgergeld ein Hemmschuh für die Integration ungelernter Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt?

Alexander Throm: Die Union hat im Bundesrat verhindert, dass das Bürgergeld zu einem bedingungslosen Grundeinkommen wird. Ich würde mir beim Bürgergeld aber durchaus mehr Sanktionsmöglichkeiten gegen arbeitslose Menschen wünschen, die sich nicht ausreichend bemühen, Arbeit zu finden. Insofern ist das Bürgergeld ein Hemmschuh. Das zeigt aber auch, dass wir den Bedarf an ungelernten Tätigkeiten bereits heute aus dem Potenzial decken könnten, das in Deutschland an Arbeitsfähigen, die aber arbeitslos sind, besteht.

Von den 1,9 Millionen offenen Stellen betreffen nur etwa zwanzig Prozent den ungelernten Bereich. Alle anderen sind auf Fachkräfte und Hochqualifizierte ausgerichtet. Dort haben wir den tatsächlichen Fachkräftemangel. Das zeigt, dass es keinerlei Notwendigkeit der gesteuerten Zuwanderung im ungelernten und minderqualifizierten Bereich gibt und dass auch keinerlei Notwendigkeit besteht, die Qualifikationsanforderungen herabzusetzen.

 

Warum ist die Qualifikation bei der Zuwanderung von Fachkräften aus Ihrer Sicht so entscheidend?

Alexander Throm: Die vorhandene Qualifikation ist der Garant für einen dauerhaften, sicheren Arbeitsplatz. Umgekehrt verhindern wir damit die Zuwanderung in die Sozialsysteme. Je geringer die Qualifikation, desto höher das Risiko, arbeitslos zu werden oder aber so wenig zu verdienen, dass trotz Arbeit am Ende kein Rentenanspruch erwirtschaftet werden kann, der oberhalb der Grundsicherung liegt.

 

Deutschland ist Teilzeit-Europameister. Bei den älteren Arbeitnehmern geht der Beschäftigte durchschnittlich mit 64 Jahren in Rente. Lässt sich die Personalnot mit den „stillen Reserven“ aus Teilzeitkräften und Älteren abmildern?

Alexander Throm: Ja, wir müssen auch inländische Potenziale heben, weil wir mit aller Fachkräftezuwanderung den Bedarf nicht decken können. Deswegen müssen wir den Menschen die Motivation geben, länger zu arbeiten beziehungsweise ihre Teilzeit auf Vollzeit zu erhöhen. Das hat auch etwas mit einem gerechten und wettbewerbsfähigen Steuersystem zu tun, und auch mit der Frage, dass ich als Rentner noch etwas dazuverdienen kann.

 

Wie würden Sie ein Fachkräftezuwanderungssystem gestalten, was wären für Sie die wichtigsten Eckpunkte?

Alexander Throm: Die CDU/CSU-Fraktion setzt sich für eine strikte administrative Trennung zwischen Asylverfahren und der Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt ein. Dazu schlagen wir die Einrichtung einer neuen „Work & Stay Agentur“ vor, die voll digitalisiert ist und die Fachkräftezuwanderung administrieren würde. So würden wir die Verfahren beschleunigen und digitalisieren.

Wir entlasten dadurch die Ausländerbehörden in den Kommunen und Ländern, die bereits heute nicht zuletzt aufgrund der ungesteuerten Asyl- und Fluchtzuwanderung unter einer hohen Belastung leiden und deshalb auch die Fachkräftezuwanderung nicht in dem Maße umsetzen können, wie es eigentlich erforderlich wäre. Wir würden zudem die Berufsanerkennungen deutlich beschleunigen, aber unbedingt an der Notwendigkeit einer ausreichenden Qualifikation festhalten, um die Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden.

 

Wie soll Europa die ungesteuerte Zuwanderung eindämmen?

Alexander Throm: Bei der Flucht- und Asylmigration geht es um die Menschen, die unseren Schutz brauchen. Deswegen müssen wir differenzieren und dürfen keine irreguläre Zuwanderung für Personengruppen zulassen, die keinen Asyl- oder Schutzanspruch haben. Nach wie vor sind etwa fünfzig Prozent all derer, die über irreguläre Zuwanderung zu uns kommen, nicht schutzbedürftig. Wir müssen Anreize im Sozialsystem oder über die nachträgliche Anerkennung, etwa mittels eines Chancen-Aufenthaltsrechts, reduzieren. Die Ampel macht genau das Gegenteil, sie erhöht diese Anreize.

Wir müssen die Sozialleistungen innerhalb Europas für Geflüchtete je nach entsprechender Kaufkraft des einzelnen Landes angleichen, und wir müssen, wenn wir offene Binnengrenzen im Schengen-Raum haben wollen, und das wollen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion, unsere Außengrenzen endlich richtig schützen. Nur mit einem effektiven Schutz der Außengrenzen können offene Binnengrenzen dauerhaft erhalten bleiben.

 

Im letzten CDU-Grundsatzprogramm hieß es, Deutschland sei ein „Integrationsland“. Wird im neuen Grundsatzprogramm stehen, dass wir ein Zuwanderungsland sind?

Alexander Throm: Jedenfalls habe ich den Entwurf als Mitglied der Fachkommission „Sicherheit“ der CDU-Programmund Grundsatzkommission mit erarbeitet, und darin wird es so formuliert. Im Übrigen sprechen wir seit Jahren von einem Einwanderungsland. Das steht faktisch außer Frage. Aber bei der gesteuerten und gewünschten Zuwanderung wollen wir auch aussuchen, wer zu uns passt und wer unserem Land nützt, das ist das Ziel. Das macht übrigens jedes andere Einwanderungsland, so etwa Kanada, Australien, Amerika, und zwar um ein Vielfaches konsequenter, als wir das in Deutschland tun. Aber umgekehrt müssen wir bei denen, die kein Bleiberecht, keinen Schutzanspruch und keine entsprechende Fachkräftequalifikation haben, umso konsequenter handeln und diese auch wieder in ihre Heimatländer rückführen.

 

Alexander Throm, geboren 1968 in Heilbronn, seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit Dezember 2021 Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Das Interview führte Ralf Thomas Baus am 19. April 2023.

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