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Land NRW/ R. Sondermann

#KASkonkret

„Es ging um Leben und Tod“

von Maximilian Nowroth

#KASkonkret_08: Wie stellen wir uns der Krise?

Mark Speich, NRW-Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten, über offene Grenzen, hässliche Kommentare und Armin Laschets persönlichen Einsatz bei Angela Merkel.

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Mehr als 700 Kilometer lang ist jene Grenze, die Deutschland im Westen mit den Nachbarländern Niederlande und Belgien verbindet. Während der gesamten Coronakrise ist es gelungen, den Verkehr zwischen den drei Staaten aufrecht zu erhalten. Wie das funktioniert hat und welche Art von Nachbarschaftshilfe dabei entstand – darum ging es in Teil 8 der digitalen Veranstaltungsreihe #KASkonkret.

 

 

Live zugeschaltet war Mark Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen. Zu Beginn des Gesprächs machte der 50-Jährige klar, welche Bedeutung die Grenze für Deutschland hat. „Es sind allein 50.000 Pendler jeden Tag“, sagte er. „Einerseits wollten wir dieses Leben über die Grenze hinweg trotz der Pandemie aufrechterhalten.“ Andererseits habe man auch an die Warenströme gedacht – von den niederländischen und belgischen Seehäfen über NRW nach Süd- und Mitteleuropa. „Das ist eine zentrale Lebensader für Europa. Daher wollten wir die Grenzen nicht schließen.“

 

„Das ist auf allerhöchster Ebene entschieden worden“

 

Dabei hatte sich im März das Bundesinnenministerium dafür eingesetzt, in ganz Deutschland die Grenzen zu schließen. Um das in NRW zu verhindern, brauchte es eine besondere Maßnahme: „Letztlich ist das nur abgewendet worden, weil sich Armin Laschet persönlich bei der Bundeskanzlerin eingesetzt hat“, sagte Mark Speich. „Das ist auf allerhöchster Ebene verhandelt und entschieden worden.“ Die Bedingung wäre aber gewesen, sich mit den Ländern auf der anderen Seite der Grenze ganz eng abzustimmen.

 

Genau dafür haben Nordrhein-Westfalen, die Niederlande und Belgien am 20. März eine Cross-Border Task Force Corona ins Leben gerufen. „Dreimal die Woche kommt man in diesem Format zusammen, um Vertrauen in der Krise aufzubauen und über sensible Themen zu sprechen.“ Das Hauptziel: ein intensiver Austausch mit Hilfe von Daten, zum Beispiel über die Ausbreitung der Seuche. „Und was für uns damals eine ganz große Rolle spielte, war die Frage der Corona-Patienten in Krankenhäusern“, sagte der Staatssekretär. Schließlich habe man ja noch in Betracht ziehen müssen, dass die Kapazitäten an eine Grenze kommen. „Insofern war der Austausch darüber, ob Engpässe entstehen, sehr wichtig.“

 

Zunächst nahmen Krankenhäuser in NRW Patienten aus Italien und Frankreich auf. Es ging dabei um „Leben und Tod“, sagte der Staatssekretär. „Dann haben wir auch den Niederlanden eine dreistellige Zahl an Intensivbetten angeboten. Zu einem Zeitpunkt, wo wir sehen konnten: Wir haben ausreichend Luft.“ So waren in NRW 49 niederländische Corona-Patienten auf der Intensivstation. Neun sind leider verstorben, der Rest ist zurück in der Heimat.

 

 

In der Öffentlichkeit wurde diese Nachbarschaftshilfe nicht immer positiv aufgenommen, vor allem in sozialen Netzwerken gab es laute Kritik an den Maßnahmen. „Man sieht dann manchmal hässliche Kommentare im Netz“, erinnerte sich Mark Speich. Zum Beispiel: „Wie kann man Ausländern die Plätze anbieten, die eigentlich für Deutsche angeboten werden müssten?“ Wichtig sei gewesen, immer deutlich zu machen: „Wir achten darauf, dass wir genug Kapazitäten haben. Wir können zwar nicht der ganzen Welt unbegrenzt unsere Möglichkeiten anbieten, aber wir wollen auch helfen.“

 

Die zentrale Botschaft lautete: „Kein deutscher Patient wird gefährdet, wenn wir ausländische Patienten aufnehmen.“ Aber letztlich seien es eben alles Menschen und da da verblasse auch die Nationalität, meinet Mark Speich. „Wenn man Leben retten kann, dann tut man’s eben!“

 

„Auch in der Nach-Corona-Zeit an die Nachbarschaftshilfe anknüpfen“

Die vergangenen Monate haben die Beziehungen zwischen den drei Nachbarländern noch intensiver und vertrauter gemacht. Was bedeutet das für die Zusammenarbeit in der Zukunft? Dazu wagte Martin Reuber, Referent für Europa- und Bildungspolitik beim Politischen Bildungsforum NRW der Konrad-Adenauer-Stiftung, einen Blick nach vorn: „Auch in der Nach-Corona-Zeit gilt es, an die grenzüberschreitende Nachbarschaftshilfe anzuknüpfen.“ Der Föderalismus biete dafür Spielraum. „Es bleibt zu wünschen, dass die schwarz-gelbe Regierung, die dem Impuls der Abschottung widerstanden hat, aus diesen Erfahrungen den Mut schöpft, über die Krise hinaus und über die Grenzen hinweg Europa ein Stück weiter zusammenwachsen zu lassen.

 

Nun, da die Pandemie zumindest in Deutschland einigermaßen unter Kontrolle ist und alle über Lockerungen reden, lautete die letzte Frage des Livestreams an Mark Speich: Was sind die aktuellen Themen in der Corona Task Force? Es gehe jetzt um die „Abstimmung des Öffnens“, sagte der promovierte Jurist. „Und ehrlich gesagt auch um die Frage: Wie geht man mit einer zweiten Welle um? Welche Daten spielen eine Rolle, kann man das grenzüberschreitend gemeinsam erheben?“ Bei vergleichbaren Testmethoden und dem Datenaustausch gebe es noch Entwicklungsmöglichkeiten, sagte der Staatssekretär.

 

Sein Fazit: „Sollte noch mal eine zweite Welle kommen – was wir alle nicht hoffen – und sich auch wieder die Frage der Grenzöffnungen stellen, dann ist die Art und Weise wie wir das zwischen Niederlande, Belgien und NRW geregelt haben sicher auch ein Modell für andere europäische Grenzregionen. Mit dem Ziel, Grenzen offen zu halten.“

 

Es war ein intensives Gespräch mit vielen konkreten Einblicken über europäische Nachbarschaftshilfe in Zeiten der Krise. Bitte halten Sie sich Pfingstdienstag um 18 Uhr frei, dann gibt’s eine neue Folge von #KASkonkret – und zwar sprechen wir mit einer Faktencheckerin über den Kampf gegen die Desinformation. Wie immer live auf der Facebookseite der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bis dann, wir sehen uns!

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