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Veranstaltungsberichte

Expertenrunde “Rentenreform: Welches Modell sichert eine würdevolle Altersversorgung in Kolumbien?”

Am 4. April 2024 fand in den Räumen des Politikwissenschaftlichen Instituts Hernán Echavarría Olózaga (ICP) die Expertenrunde zum Thema Rentenreform statt; dabei sollten die wichtigsten Herausforderungen und Auswirkungen des Projekts auf das kolumbianische Rentensystem diskutiert werden. Die Veranstaltung ist Teil der Initiative “Legislatives Observatorium” des ICP und wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung KAS Kolumbien unterstützt.

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Der Direktor des ICP, Carlos Augusto Chacón eröffnete die Expertenrunden und sprach über die Wertvorstellungen, die das Institut unterstütze, wie zum Beispiel ökonomische Freiheit, die Verteidigung des Rechtsstaates und der demokratischen Institutionen. Anschließend betonte der Repräsentant der KAS Kolumbien, Stefan Reith die Bedeutung solcher Expertenrunden, um über die Rentenreform zu diskutieren, da es sich um einen offenen Dialog zwischen verschiedenen Sektoren handele, der die Politiker mit Unternehmern und Akademikern zusammenbringe, damit in den Entscheidungen des Kongresses alle Argumente berücksichtigt werden können.  

 

In seiner Einführung analysierte Carlos Augusto Chacón drei Hauptprobleme des aktuellen Gesetzesvorschlages der Regierung zur Reformierung des Rentensystems: Nachhaltigkeit, Abdeckung und Zugang. Weiterhin betonte er, dass in dem Projekt nur kurzfristige Lösungen vorgeschlagen werden, was zu einer finanziellen Belastung künftiger Generationen führe.

 

Die Koordinatorin des Wirtschaftsobservatoriums des ICP, Alba Isabel García präsentierte eine Zusammenfassung der Evaluierung der Rentenreform mit Hilfe des Instruments IALE, das vom ICP entwickelt wurde, um die Bürger über die Entscheidungen des Parlaments und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Freiheit zu informieren. Mit dem Instrument könnten die wichtigsten Probleme eines Gesetzesentwurfes evaluiert werden. Im Falle der Rentenreform wurde festgestellt, dass die Affinität zur wirtschaftlichen Freiheit nur 29 % betrage, was auf eine sehr geringe Affinität hindeutet. Mit dem IALE-Tool lasse sich auch feststellen, welche der sechs vom Fraser-Institut festgelegten Dimensionen durch die Gesetzentwürfe verletzt werden.  

 

Fabio Arias von der Gewerkschaft CUT kritisierte zunächst die Evaluierung der wirtschaftlichen Freiheit durch das ICP und argumentierte, dass dieser Ansatz ein Wirtschaftsmodell priorisiere, das die soziale Unsicherheit und die Ungleichheit verschärft habe. Hinsichtlich der Rentenreform wies er die Kritik an der fehlenden konzertierten Aktion des Projekts zurück, da es insgesamt 12 Sitzungen mit der technischen Kommission gegeben habe. Er nannte die positiven und fortschrittlichen Aspekte des Projekts zur Sanierung der durch das vorherige Gesetz 100 entstandenen Probleme; die vorherige Regelung halte er für eine Täuschung, um die Gesundheitsversorgung und die Renten zu privatisieren und die Bevölkerung ihrer Grundrechte in diesen Bereichen zu berauben. Er sei daher der Ansicht, dass der aktuelle Entwurf wesentliche soziale Aspekte anspreche.

 

Der Senator der Partei “Centro Democrático”, Miguel Uribe bezog sich auf die kritische Situation des Landes durch die Intervention der Regierung in einige Krankenversicherungen (EPS), wie zum Beispiel die EPS Sanitas. Uribe kritisierte die Ideologie und den Autoritarismus von Präsident Gustavo Petro und warnte vor der Gefahr, die die von ihm beabsichtigte verfassungsgebende Versammlung für Kolumbien darstelle, indem er sie mit dem venezolanischen Regime verglich. Was die Rentenreform anbetreffe, halte er sie für ein nicht nachhaltiges Projekt.

 

Der Senator der „Partido de la U“, Alfredo Deluque hielt eine Reform des aktuellen Rentensystems zwar für notwendig, aber nicht auf die Art und Weise, wie es der vorliegende Gesetzesentwurf plane, weil dadurch die Gefahr beste, die Ersparnisse der Bürger in den privaten Rentenversicherungsanstalten zur Abdeckung laufender Kosten des Landes zu nutzen.

 

Prof. Carlos Prieto betonte, dass das Debakel des derzeitigen Rentensystems auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass das Land weiterhin im Rahmen des Bismarckschen Systems arbeite, das seit 1967 in Kolumbien eingeführt wurde und das keine größeren Veränderungen im Einklang mit dem allgemeinen Wandel in der Welt und den Veränderungen des Produktionsmodells erfahren habe. Auch betonte er, dass die Reform langfristig nachhaltig sein und berücksichtigen müsse, dass immer weniger Personen einer formellen Arbeit nachgingen und Beiträge zur Rentenversicherung leisteten.

 

Cristian Stapper vom Gremium der Unternehmer FENALCO hob hervor, wie wichtig ein Instrument wie IALE sei, da es den Kolumbianern ermögliche, die Intentionen und wirtschaftlichen Folgen legislativer Entscheidungen kennenzulernen. Hinsichtlich der Rentenreform meinte er, dass ein Plan zur Bekämpfung der allgemein üblichen informellen Arbeitsverhältnisse fehle ebenso wie eine Lösung für die massive Abwanderung von Kolumbianern im arbeitsfähigen Alter, auch sei er nicht einverstanden mit der Verwaltung der Gelder für Pensionen durch die Regierung.

 

José Ignacio López von der Assoziation der Finanzinstitute ANIF wies darauf hin, dass die Reform im Bereich der Regressivität nicht ehrgeizig genug sei. Es handele sich um eine Reform, die eine um 36 % höhere Subvention für Besserverdienende beibehalte; das verstoße gegen die Gleichberechtigung, vor allem da sich die Regierung für progressiv halte. Seiner Meinung nach müsse der Kongress die Debatte nutzen, um Verbesserungsvorschläge zu machen, ohne die Gender-Komponente zu vernachlässigen, die der Präsident in der Reform hervorhebe.

 

Jorge Llano vom Gremium der Finanzierungsfonds ASOFONDOS nannte als größtes Problem der Reform die mangelnde Nachhaltigkeit, da sie künftige Generationen nicht berücksichtige. Er halte es für unabdingbar, die Ersparnisse für Renten zu erhalten, da diese das System nachhaltig unterstützen. Der Vertreter des Industriegremiums ANDI vermisste eine Evaluierung der Folgen der Reform für die Wirtschaft, die die Probleme des Staates nicht lösen, sondern sie noch verschärfen würde.

 

Der Direktor des „Observatoriums für Arbeitsmarkt und Soziale Sicherheit“, Stefano Farné argumentierte, dass einige Parameter modifiziert werden müssten, die niemand anrühren wolle, wie zum Beispiel eine Erhöhung des Rentenalters oder die Anzahl der eingezahlten Wochen. Andererseits wurde die Frage aufgeworfen, ob es wirklich möglich sei, dass ein Rentensystem ohne Subventionen auskomme, wenn viele der 20 % reichsten Kolumbianer nicht mehr als drei Mindestlöhne verdienen.  

 

Carlos Augusto Chacón bemerkte in seinen Schlussworten, dass alle Perspektiven in Betracht gezogen werden müssten. Er betonte auch die Bedeutung von Daten und empirischen Beweisen zur Unterstützung oder Widerlegung einer Reform. Darüber hinaus wies er darauf hin, wie wichtig es sei, diese Regierungsvorschläge zu bewerten, um die Grundrechte zu garantieren und zu unterstützen und eine kritische Haltung gegenüber privilegierten Eliten sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor einzunehmen, die auf Kosten von Tausenden von Kolumbianern, die in der Illegalität und Armut leben, profitieren. Viele Bürger lebten in diesem klientilistischen und politisierten Staat in bedauernswerten Umständen; weiterhin müsse die Bedeutung von Privateigentum und des Unternehmenssektors berücksichtigt werden.

 

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