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Pöttering: Nur Solidarität kann Europas Zukunft sichern

Der frühere Präsident des EU-Parlaments und heutige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Hans-Gert Pöttering, appelliert an die Europäer, in der Flüchtlingskrise die Zukunft des Kontinents nicht aufs Spiel zu setzen. Die europäische Einigung sei immer gefährdet, sagt der CDU-Politiker, der am Dienstag 70 Jahre alt wird, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Alle Länder ruft er zur Solidarität auf - gerade Polen, dem er sich besonders verbunden fühlt.

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Wie gefährlich ist die Flüchtlingskrise für Europa?

Antwort: Die Flüchtlingsbewegungen sind die größte Herausforderung, die die Europäische Union bisher zu bewältigen hatte. Es geht darum, ob wir unsere Werte, und deren Kern ist die Würde des Menschen, glaubwürdig vertreten. Würde der Eindruck entstehen, dass Stacheldraht, der Einsatz von Tränengas und von Hunden die Antwort auf die Flüchtlinge wären, dann wäre das ein Armutszeugnis für die EU.

Es gibt den Vorwurf, dass die EU in der Finanzkrise und beim Problem Griechenland schnelle Lösungen gefunden hat, das aber jetzt in der Flüchtlingskrise nicht funktioniert.

Antwort: Gerade weil es uns gelungen ist, in der Griechenlandfrage zu Ergebnissen zu kommen, gibt uns das die Zuversicht, dass uns das auch gelingen muss bei dem sehr viel größeren Problem der Flüchtlingsbewegungen. Wir müssen erkennen, dass wir Italien und Griechenland über längere Zeit nicht so begleitet haben wie wir es hätten tun müssen. Italien war überfordert mit dem Problem im Mittelmeer, und Griechenland ist überfordert damit, die Grenze zur Türkei zu sichern. Wir brauchen ein neues Verständnis in der Europäischen Union, nämlich in dem Sinne, dass große Probleme eines Landes nicht nur Probleme dieses Landes sind, sondern dass es gemeinsame Probleme aller Länder sind.

In vielen Ländern gibt es die Befürchtung, dass rechte und rechtspopulistische Strömungen Auftrieb bekommen werden. Wie schätzen Sie diese Gefahr ein?

Antwort: Der Rechtspopulismus ist eine große Gefahr, aber wir bewältigen Probleme nicht dadurch, dass wir so handeln, wie es die Rechtspopulisten wollen. Wenn wir gegenüber den Menschen deutlich machen, dass jetzt Solidarität geboten ist, und wenn wir gleichzeitig für eine vernünftige Unterbringung der Flüchtlinge und für ihre Integration in unsere alternde Gesellschaft sorgen, dann werden wir die Menschen für unsere Politik gewinnen. Aber das erfordert auch, dass wir deutlich sagen, dass nicht alle, die in wirtschaftlich schwierigen Bedingungen leben, zu uns kommen können. Nur wer politisch verfolgt ist, hat nach dem Grundgesetz einen Anspruch auf Asyl.

Warum haben vor allem die osteuropäischen Länder Probleme, sich an der Unterbringung der Flüchtlinge zu beteiligen? Haben sie nicht auch die Erfahrung gemacht, dass ihnen geholfen wurde?

Antwort: Ich habe eine ganz tiefe menschliche und politische Bindung an Polen. Vor diesem Hintergrund sage ich: Polen hat so viel Unterstützung von der EU und auch von Deutschland bekommen. Auch immer dann, wenn Polen Befürchtungen hatte gegenüber Russland, waren wir solidarisch. Ich erwarte jetzt von unseren polnischen Freunden die gleiche Solidarität, wenn es um die Flüchtlinge geht. Große Probleme berühren uns alle in der EU, und damit auch die Polen und die Balten. Deshalb ist es im Interesse jeden Landes, diese Solidarität zu üben. Das erwarte und erbitte ich auch von Polen.

Ist Ihnen in 35 Jahren im Europaparlament nie die Idee gekommen, in den Bundestag zu wechseln und mitzumischen in der deutschen Politik?

Antwort: Meine Berufung, wenn ich das so sagen darf, war immer die europäische Einigung. Das hat mit meinem Vater zu tun, den ich nie kennenlernen durfte. Er ist vor meiner Geburt 1945 als Gefreiter im Krieg gefallen und in der Nähe von Stettin begraben. Das ist der tiefe Gund für mein europäisches Leben. Mein politisches Ziel war immer, mitzuwirken an einem starken und geeinten Europa. Und das ist ja bei allen Unzulänglichkeiten zum großen Teil gelungen. Ich bin glücklich, dass mein Vorschlag aus dem Jahre 2007, in Brüssel ein Haus der Europäischen Geschichte zu eröffnen, nun im nächsten Jahr realisiert wird. Es wird ein Ort der Erinnerung und Zukunft. Denn es bleibt alles gefährdet, wenn nicht jede Generation wieder angemessene Antworten auf die neuen Herausforderungen gibt.

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Hans-Gert Pöttering, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments KAS

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

erscheinungsort

Berlin Deutschland