Jugend und Ausbildung
Peter Harry Carstensen stammt aus der winzigen Gemeinde Elisabeth-Sophien-Koog auf der Insel Nordstrand, wo er am 12. März 1947 geboren wurde. Seine Eltern betrieben dort einen Bauernhof. Als jüngstes von fünf Kindern verbrachte er eine glückliche Kindheit auf Nordstrand. 1966 legte er in Husum das Abitur ab. Eigentlich war es sein Wunsch, zur See zu fahren, wie es auf Nordstrand Tradition ist. Aufgrund von Knieproblemen, die er sich beim Handballspielen zugezogen hatte, wurde er jedoch von der Bundeswehr ausgemustert. Stattdessen begann er 1966 in Kiel ein Jura- und Chemiestudium. Weil er als Erbe des elterlichen Hofes seine „Betriebsfähigkeit“ nachweisen musste, absolvierte er 1967 ein landwirtschaftliches Praktikum. Anschließend studierte Carstensen Agrarwissenschaften in Kiel. Nach dem Examen als Diplom-Agraringenieur 1973 und dem Referendariat, legte er 1976 das 2. Staatsexamen ab. Anschließend arbeitete er als Lehrer an der Landwirtschaftsschule in Bredstedt sowie als Wirtschaftsberater bei der schleswig-holsteinischen Landwirtschaftskammer.
Abgeordneter des Deutschen Bundestages
Noch während des Studiums war Carstensen auf Drängen seines Bruders 1971 in die CDU eingetreten. Seitdem engagierte sich der gläubige Christ in der Kommunalpolitik. Er gehörte dem Kreisvorstand der CDU Nordfriesland an und leitete von 1978 bis 1982 den dortigen Kreisjugendring. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl im März 1983 bewarb er sich um die Kandidatur im Wahlkreis Nordfriesland-Dithmarschen-Nord. Auf der Wahlkreisdelegiertenversammlung im Dezember 1982 setzte er sich auf Anhieb gegen vier Mitbewerber durch und wurde als Kandidat mit 52,7 Prozent der Erststimmen in den Deutschen Bundestag gewählt. Bis 2005 vertrat Carstensen den nördlichsten Wahlkreis der Bundesrepublik Deutschland in Bonn bzw. Berlin. Abgesehen von der Bundestagswahl 1998 wurde er immer direkt gewählt. Entsprechend seiner Herkunft und Ausbildung engagierte er sich im Parlament insbesondere in den Bereichen Agrarpolitik, Fischerei, Meeresschutz, Bundeswehr und erneuerbare Energien. Schon in den 1980er Jahren setzte sich Carstensen besonders für die Förderung der Windenergie in Schleswig-Holstein ein. Insbesondere zum Schutz der Nordsee warb er 1985 für die Einführung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung des Umweltschutzes“ in das Grundgesetz. 1994 wurde der Agrarexperte und passionierte Jäger zum Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewählt, den er bis 2002 leitete. Von 1985 bis 1999 stand Peter Harry Carstensen, der im Parlament auch mal Anfragen an die Bundesregierung auf Friesisch stellte, an der Spitze des Deutschen Fischereiverbandes. 2002 holte Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) den erfahrenen Nordfriesen als künftigen Landwirtschaftsminister in sein Schattenkabinett.
Landesvorsitzender
Aus den Auseinandersetzungen in der CDU Schleswig-Holstein hatte sich Peter Harry Carstensen stets herausgehalten. Als der Landesvorsitzende Johann Wadephul 2002 zurücktrat, nachdem er bei der Wahl zum Vorsitzenden der CDU-Landtagfraktion gescheitert war, erschien der Friese daher als der geeignete Nachfolger. Im Juni 2002 wurde er von 90,7 Prozent der Delegierten zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Dem bodenständigen und stets optimistischen Carstensen gelang es in kurzer Zeit, die Gräben im Landesverband zu schließen und die Partei zu einen. Er sorgte für Aufbruchstimmung in der Nord-CDU und setzte die programmatische Arbeit seines Vorgängers fort. Seine Wahl zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2005 im Mai 2004 war deshalb keine Überraschung. Der Wahlkampf gegen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) und ihre rot-grüne Regierung verlief allerdings nicht fehlerfrei. So wurde die Vorstellung seines Schattenkabinetts, in dem keine Frau vertreten war, kritisiert. Außerdem ließ Carstensen, dessen Ehefrau Maria 1998 an Krebs gestorben war, im Sommer 2004 mit Hilfe der BILD-Zeitung erfolglos eine Frau suchen. Als Ende 2004 die Umfragewerte für die CDU zurückgingen, wurde in der Presse sogar über die Ablösung des Spitzenkandidaten spekuliert. Carstensen gelang es jedoch, das Blatt zu wenden und die CDU nach 17 Jahren wieder zur stärksten Kraft in Schleswig-Holstein zu machen: Bei der Landtagswahl am 20. Februar 2005 gewann die CDU 40,2 Prozent der Stimmen. Wie angekündigt, legte Carstensen daraufhin sein Bundestagsmandat nieder und wechselte von Berlin nach Kiel. Bis 2012 blieb er Abgeordneter im Landtag von Schleswig-Holstein.
Ministerpräsident
Bei der Landtagswahl 2005 kam es zwischen SPD und Grünen einerseits und CDU und FDP andererseits zu einem Patt. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der mit zwei Abgeordneten im Landtag vertreten war, wurde damit zum Zünglein an der Waage. Trotz des Angebots von Carstensen zur Bildung einer Großen Koalition, wollte sich Heide Simonis lieber mit Hilfe des SSW erneut zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Am 17. März 2005 fand im Landtag die Wahl statt. In vier Wahlgängen erhielten jedoch weder Simonis noch Carstensen mehr als 34 Stimmen bei einer Enthaltung. Nach dieser Niederlage warf Simonis entnervt das Handtuch und die SPD war nun zur Bildung einer Großen Koalition mit Peter Harry Carstensen als Ministerpräsidenten bereit.
Mit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten am 27. April 2005 stellte die CDU seit der Barschel-Affäre 1987 erstmals wieder den Regierungschef in Schleswig-Holstein. Angesichts der hohen Verschuldung des Landes einigte sich die neue Regierung auf einen harten Sparkurs. Auch ein neues Schulgesetz wurde verabschiedet und 2006 das Landesverfassungsgericht gegründet. Die geplante Kreisreform scheiterte im gleichen Jahr jedoch am Widerstand der CDU-Basis. Als im Zuge der weltweiten Bankenkrise 2008 auch die HSH Nordbank in Schieflage geriet, musste sie durch Garantien der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg gerettet werden. Die Krise der Bank sorgte auch für Spannungen in der Kieler Regierungskoalition, die außerdem von den Auseinandersetzungen zwischen Ministerpräsident Carstensen und dem SPD-Vorsitzenden und Innenminister Ralf Stegner überschattet wurde. Mehrfach konnte der Bruch der Koalition nur mit Mühe abgewendet werden. Im Sommer 2009 war dann für Carstensen eine weitere Zusammenarbeit mit der SPD unter Stegner nicht mehr möglich. Auf seinen Vorschlag hin kündigte die CDU-Fraktion im Juli 2009 das Bündnis mit der SPD auf und deren Minister wurden aus dem Kabinett entlassen. Die notwendigen Neuwahlen fanden zeitgleich mit der Bundestagswahl am 27. September 2009 statt.
Bei der Landtagswahl 2009 sackte die CDU auf 31,5 Prozent ab – das schlechteste Landtagswahlergebnis seit 1950. Der eigentliche Verlierer der Wahl war jedoch die SPD, die nur auf 25,4 Prozent kam. Weil die FDP 14,9 Prozent gewann, konnten CDU und FDP trotzdem eine Regierungskoalition bilden und Peter Harry Carstensen wurde am 27. Oktober 2009 erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. Die neue Landesregierung setzte die rigide Sparpolitik fort und verankerte 2010 eine Schuldenbremse in der Landesverfassung. Die Fehmarnbelt-Querung nach Dänemark wurde vorangetrieben und die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut. Außerdem brachte die Koalition eine Verwaltungsstrukturreform auf den Weg. Durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichtes endete allerdings auch diese Legislaturperiode vorzeitig. Im August 2011 erklärte das Gericht das Landtagswahlgesetz aufgrund der großen Zahl von Überhangmandaten für verfassungswidrig und ordnete Neuwahlen an. Schon vorher hatte Carstensen zu erkennen gegeben, dass er bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr als Spitzenkandidat zur Verfügung stehen und sich ins Privatleben zurückziehen wolle. Selbst die Parteivorsitzende Angela Merkel konnte ihn nicht zum Weitermachen überreden. Ende April 2012 verabschiedete sich der beliebte und bürgernahe Landesvater mit einer bewegenden Rede im Kieler Landtag aus der Politik.
Rückzug ins Privatleben
Schon im September 2010 hatte Peter Harry Carstensen, der 2009 die Juristin Sandra Thomsen geheiratet hatte, den Vorsitz der CDU Schleswig-Holstein niedergelegt. Zu seinem Nachfolger wurde der von ihm geförderte Fraktionsvorsitzende Christian von Boetticher gewählt. Allerdings musste von Boetticher bereits 2011 alle seine politischen Ämter wegen einer privaten Beziehung niederlegen. Neuer Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der CDU wurde daraufhin Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Jost de Jager.
Nach dem Ende seiner Ministerpräsidentschaft 2012 zog Carstensen mit seiner Frau in ein Forsthaus bei Kiel. Dort geht er seinen Hobbys, der Jägerei, der Landwirtschaft und der Imkerei nach. In die Politik mischt er sich nur noch selten ein. Für seine Verdienste um das Land Schleswig-Holstein wurde der „König von der Küste“ 2013 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband geehrt. Von der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Kiel wurde ihm im selben Jahr der Ehrendoktortitel für seine Leistungen zur Entwicklung der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft verliehen.
Lebenslauf
- 12.3.1947 geboren in Elisabeth-Sophien-Koog, ev.
- 1966 Abitur in Husum
- 1966/67 Studium von Chemie und Jura in Kiel
- 1967 landwirtschaftliches Praktikum
- 1967- 1973 Studium der Landwirtschaft in Kiel
- 1971 Eintritt in die CDU
- 1973 Diplomagraringenieur
- 1975 2. Staatsexamen
- 1976-1983 Lehrer an der Landwirtschaftsschule in Brestedt und Wirtschaftsberater bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
- 1978-1982 Vorsitzender des Kreisjugendringes Nordfriesland
- 1983-2005 MdB
- 1985-1999 Präsident des Deutschen Fischereiverbandes
- 1986-1992 Vorsitzender der CDU Nordfriesland
- 1994-2002 Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- 1998 stirbt seine Ehefrau Maria nach langer Krebskrankheit
- 2002-2010 Vorsitzender der CDU Schleswig-Holstein
- 2002 Mitglied im Schattenkabinett von Edmund Stoiber
- 2005-2012 MdL
- 2005-2012 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
- Seit 2013 Ehrenvorsitzender der CDU Schleswig-Holstein
Auszeichnungen:
- 1996 Bundesverdienstkreuz
- 2013 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband
- 2013 Dr. h. c. der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel