Kindheit, Jugend, Ausbildung
Rainer Eppelmann wurde in Berlin als Sohn eines Zimmermanns und einer Schneiderin geboren. Bis zum Mauerbau im August 1961 lebte er im Ostteil Berlins, in Friedrichshain, besuchte aber das Johannes-Kepler-Gymnasium im Westteil der Stadt. Ein Abiturabschluss und ein geplantes Studium der Architektur blieben ihm verwehrt, weil sein Vater nach dem Mauerbau in West-Berlin geblieben war und die Eppelmanns überhaupt als „westorientiert“ galten. So arbeitete Sohn Rainer zunächst als Dachdeckergehilfe, absolvierte dann aber von 1962 bis 1965 eine Maurerlehre und war danach in dem Handwerk acht Jahre lang tätig. 1964 verweigerte er den Wehrdienst bei der NVA, ebenso wie als „Bausoldat“ das Gelöbnis auf die DDR, weshalb er zu acht Monaten Gefängnis verurteilt wurde, die er auch absaß. 1969, mit 26 Jahren, begann Eppelmann ein Fachhochschulstudium der evangelischen Theologie an der Berliner „Predigerschule Paulinum“, das er 1974 abschloss.
Im Vorfeld der Friedlichen Revolution
Neue Wege der kirchlichen Jugendarbeit
Gleich nach dem Studium wurde Eppelmann Pfarrer an der Samariterkirche in Berlin-Friedrichshain und zugleich Jugendpfarrer für diesen Kirchenkreis. Bei Studien- und Berufswahl spielte die Einsicht eine Rolle, dass die Kirchen in der DDR der einzige Bereich waren, „in dem man in begrenztem Umfang freie Rede und demokratische Verhaltensweisen trainieren konnte“. Die einzigen freien Wahlen in der DDR waren die zu den Gemeindekirchenräten. Eppelmann wurde rasch über seine Gemeindegrenzen hinaus bekannt, weil er offen Kritik an den politischen Verhältnissen in der DDR übte und politisch bedrängten Menschen half.
Der Friedenskreis in seiner Samaritergemeinde wurde in den 1980er Jahren zu einer der bekanntesten Oppositionsgruppen in der DDR. Bei den Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 war er an der Aufdeckung der Wahlfälschungen beteiligt und setzte damit einen ersten Spatenstich zum Grab der SED. Eppelmann verklagte die SED wegen Wahlfälschung. Im Juni 1989 protestierten Oppositionelle in der Samariterkirche mit Klagetrommeln gegen die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung in China. Mit seinen legendären, seit Juni 1979 veranstalteten und stets überfüllten Bluesmessen, einer Mischung aus Sprechgesang, Darbietungen, Chorliedern, Predigt und Gebeten, setzte Eppelmann neue Akzente in der kirchlichen Jugendarbeit. Tausende von Jugendlichen aus der gesamten DDR reisten jeweils zu diesen nur mäßig getarnten Protestveranstaltungen gegen das Regime an; manchmal musste die Messe mehrfach wiederholt werden. Systemkritischen Künstlern bot Eppelmann ein Forum. Seine Samariterkirche wurde zum Anlauf- und Sammelpunkt oppositioneller Kräfte und zu einem Symbol für den kirchlichen Widerstand in der DDR.
Abrüstungs- und Friedensinitiativen
Am 25. Januar 1982 veröffentlichte Eppelmann zusammen mit Robert Havemann den „Berliner Appell“ mit dem zentralen Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“. In westdeutschen Medien wurde der Appell erstmals am 9. Februar 1982 von der Frankfurter Rundschau veröffentlicht, danach griffen zahlreiche weitere Medien das Thema auf. Ähnlich wie der „Krefelder Appell“ vom November 1980 in Westdeutschland, sollte der Berliner Appell durch eine Unterschriftenaktion eine breite Friedensbewegung in der DDR auslösen. Etwa 80 Personen gehörten zu den Erstunterzeichnern, fast alle kamen aus der kirchlichen Jugendarbeit und der Berliner Friedensbewegung. Insgesamt unterschrieben mehr als 2.000 Personen den Aufruf. Er forderte den Verzicht auf Atomwaffen in Deutschland und Europa sowie einen endgültigen, gemeinsamen Friedensvertrag von Siegern und Besiegten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und den Abzug aller alliierten Besatzungstruppen aus Deutschland. Damit gab er eine Vorahnung auf die Möglichkeit eines „Zwei-Plus-Vier-Vertrages“, wie er dann im Gefolge der Umbrüche im Ostblock und der Friedlichen Revolution in der DDR tatsächlich im September 1990 erfolgte. Doch die Zeit dazu war 1982 noch nicht reif. Konkret gegenüber der Regierung der DDR machte der Appell das Recht auf freie Meinungsäußerung geltend und regte u.a. das Verbot von Kriegsspielzeug, die Abschaffung des Wehrunterrichts in den Schulen und die Zulassung eines sozialen Friedensdienstes für Kriegsdienstverweigerer statt des Wehrersatzdienstes an.
Der Berliner Appell war Eppelmanns erste auch international beachtete politische Aktion. Er stand mit seiner fundamentalen Abrüstungs- und Friedensforderung dem in Ost und West akzeptierten Modell eines Kalten Krieges mit dem ‚friedenssichernden’ Gleichgewicht der Kräfte und der seinerzeit v.a. von der SED vertretenen These, der Friede müsse „bewaffnet sein“ diametral entgegen und war für diese eine schwere Provokation. Eppelmann wurde inhaftiert – Havemann war schwerkrank und starb wenige Wochen später - , aber schon nach drei Tagen freigelassen. Die Berlin-Brandenburgische Kirchenleitung hatte sich dafür eingesetzt, obwohl sie mit dem Appell nicht einverstanden war, weil er dem sachlichen Gespräch zur Erhaltung des Friedens nicht dienlich sei. Zentrales Verdienst des Berliner Appells war es, die generelle Friedens- und Abrüstungsthematik mit der ungelösten deutschen Frage und damit zugleich mit der Frage des Friedens in ganz Europa verknüpft zu haben.
Über den Berliner Appell hinaus fand sich Rainer Eppelmann häufig unter den Unterzeichnern von Friedensinitiativen und Menschenrechtsforderungen. Bereits im Oktober 1981 hatte er zusammen mit Robert Havemann ein Atomwaffenverzichts- und Abrüstungsersuchen an den sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew gerichtet. Im Juli 1985 schrieb er zusammen mit etwa 30 Oppositionellen einen offenen „Brief an die Teilnehmer der XII. Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ in Moskau. Darin wurde die volle und allseitige Verwirklichung der in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebenen Grundrechte wie z. B. freie Meinungsäußerung, Freizügigkeit, Reisefreiheit oder Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gefordert. Unter Berufung auf Äußerungen von Gorbatschow richtete er am 24. Januar 1986 zusammen mit drei weiteren Bürgerrechtlern einen öffentlichen „Appell zum UNO-Jahr des Friedens“ mit ganz ähnlichen Forderungen an die Volkskammer der DDR.
Im Visier der Stasi
Eppelmann bezeichnete die DDR gern als „Knast“: „Du bist drin, und ein anderer bestimmt darüber, ob und wann Du daraus darfst.“ Ihm war ganz klar, dass ein Volk, das durch Einsperren zum Glücklichsein gezwungen werden soll, auf Dauer nur unglücklich werden kann und dass eingesperrte Menschen keine intellektuellen und wirtschaftlichen Höchstleistungen vollbringen können. Seine Wohnung war verwanzt, er wurde dauerhaft von der Stasi überwacht. Im Januar 1984 drohte DDR-Staatssekretär Klaus Gysi der Berlin-Brandenburgischen Kirchenleitung mit der Verhaftung Eppelmanns, falls es ihr nicht gelänge, ihn zum Weggang in den Westen zu bewegen. Honecker selbst pfiff das Unternehmen zurück: Eppelmann war im Westen schon zu bekannt, Aufsehen sollte vermieden werden – das erwies sich für ihn oft als Schutz.
Friedliche Revolution
Anfang Oktober 1989 gründete Eppelmann zusammen mit anderen Dissidenten den "Demokratischen Aufbruch" (DA), die erste oppositionelle Bürgerbewegung in der DDR; sie charakterisierte sich als „demokratisch, sozialökologisch und gewaltfrei“. Wie fast alle Bürgerrechtler dachte auch diese Gruppe zunächst weder an eine „Revolution“ im Sinne einer totalen und womöglich gewaltsamen Umwälzung der Verhältnisse, noch an die Wiedervereinigung, sondern nur an eine Reform im Sinne einer demokratischen Füllung des Sozialismus. Vor allem sollte der Führungsanspruch der SED aus der DDR-Verfassung verschwinden. Man wollte im Land selbst etwas verändern, deshalb lehnte man auch jegliche Zusammenarbeit mit den Ausreisewilligen ab. Gedacht war an einen Mittelweg zwischen beiden deutschen Systemen, an eine Zweistaatlichkeit mit unterschiedlichem gesellschaftlichen Profil. Doch schon als sich der DA Mitte Dezember 1989 in Leipzig offiziell als Partei gründete, trennte er sich in seinem Programm von der Vision einer sozialistischen Gesellschaftsordnung und bekannte sich zudem klar zur deutschen Einheit. Dieses politische Hauptziel vertrat er auch im Rahmen der „Allianz für Deutschland“ im Vorfeld der Volkskammerwahl vom 18. März 1990. Wenige Tage vor der Wahl hatte Eppelmann als Sprecher der Gruppe kommissarisch die Führung des DA übernommen, weil der Vorsitzende Wolfgang Schnur wegen aufgedeckter Stasi-Kontakte zurückgetreten war. Bei einem Sonderparteitag des DA am 22. April 1990 wurde Eppelmann mit 162 von 164 Stimmen im Amt des Vorsitzenden bestätigt. Im August 1990 fusionierte der DA mit der CDU.
Als grundlegende Voraussetzung für den Erfolg der Friedlichen Revolution in der DDR erschien Eppelmann damals und später der Politikwechsel in der Sowjetunion unter Gorbatschow sowie der wirtschaftliche Zusammenbruch in allen Ostblockstaaten. Trotz dieser günstigen Rahmenbedingungen hätte es die Friedliche Revolution in der DDR nicht gegeben, wenn die Bürger nicht zu Hunderttausenden aufgestanden wären. Die historische Rolle der Bürgerrechtsbewegung in der DDR schätzt Eppelmann dabei zutreffend ein: Allein hätten die etwa 500 Bürgerrechtler die Schlagbäume nicht geöffnet. Aber sie haben den Bürgern Mut gemacht, ihre Angst zu überwinden und zu Hunderttausenden auf die Straße zu gehen. Und so war für Eppelmann die Friedliche Revolution nicht der „Putsch“ einiger Weniger, sondern der Aufstand nahezu des gesamten Volkes der DDR.
Minister unter Hans Modrow und Lothar de Maizière
Als der seit dem 13. November 1989 amtierende DDR-Regierungschef Hans Modrow am 5. Februar 1990 einige Vertreter der neuen oppositionellen Gruppierungen des Zentralen Runden Tisches als Minister ohne Geschäftsbereich in seine „Regierung der nationalen Verantwortung“ aufnahm, war auch Eppelmann darunter; er gehörte dem Runden Tisch seit Dezember 1989 als DA-Vertreter an. Nach der für die "Allianz für Deutschland", dem Wahlbündnis aus DA, Deutscher Sozialer Union (DSU) und CDU überraschend hoch gewonnenen Volkskammerwahl vom 18. März 1990 – die Allianz erreichte 48% der Stimmen, wozu allerdings der DA nur 0,92% beitrug – wurde Eppelmann Mitglied der Volkskammer und im Kabinett de Maizière „Minister für Abrüstung und Verteidigung“. Den Namen für dieses Ressort hatte er beim Regierungschef durchgesetzt: der Begriff „Abrüstung“ sollte unbedingt vorkommen. Eppelmann war in dieser für viele Gesinnungsgenossen aus der Bürgerrechtsbewegung befremdlichen Rolle an der Herauslösung der NVA aus dem Warschauer Pakt und an ihrer Auflösung am 2. Oktober 1990 beteiligt. Einen Tag später endete mit dem Vollzug der deutschen Einheit Eppelmanns Tätigkeit als Minister. Seine behutsame und zugleich entschlossene Umstrukturierungspolitik machte es möglich, dass Bundeswehr und NVA auf der Basis von Vernunft und gegenseitiger Hilfsbereitschaft zu effektiven Kooperationspartnern im schwierigen deutsch-deutschen Einigungsprozess wurden.
Abgeordneter des Deutschen Bundestages
Rainer Eppelmann gehörte dem Deutschen Bundestag vom Oktober 1990 bis zum September 2005 an. Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 gewann er das Direktmandat in dem östlich von Berlin gelegenen Wahlkreis Fürstenwalde/Seelow/Strausberg mit 34.0 % der Stimmen; 1994 zog er über die Landesliste erneut in das Parlament ein. Eppelmanns Wahlkreis wurde 1993 aufgelöst und ging in den Wahlkreis Märkisch-Oderland über, der wiederum zur Bundestagswahl 2002 zu Märkisch-Oderland/Barnim II erweitert wurde. Als Bundestagsabgeordneter erwies Eppelmann sich als treuer und stets loyaler Gefolgsmann Helmut Kohls. 1996 allerdings votierte er als einziger Unionspolitiker in der Fraktion gegen das „Sparpaket“ der Bundesregierung. Er war Mitglied in den Ausschüssen für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Ausschuss für Familie und Senioren, und er arbeitete auch im Unterausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe mit. Dazu engagierte er sich in diversen Arbeitsgruppen (u.a. „Wirtschaft und Arbeit“, „Gesundheit und soziale Sicherung“) und in der Landesgruppe Berlin/Brandenburg der CDU/CSU-Fraktion. Auch in der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion arbeitete er mit. Bei seiner Abgeordnetentätigkeit ging es häufig um Anfragen und Hilfsersuchen von Opfern der SED-Diktatur oder von Personen, die infolge der Wiedervereinigung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren (Renten!). Eppelmann zeigte hier starkes Engagement, den Betroffenen durch persönlichen Einsatz oder durch Weitergabe ihrer Anliegen an zuständige Stellen zu helfen. Weiter spielten bei seiner Tätigkeit wirtschaftliche und infrastrukturelle Fragen in seinem Wahlkreis und im Land Brandenburg sowie Maßnahmen im Rahmen des Programms „Aufbau Ost“ eine wichtige Rolle.
CDU-Politiker
Der CDU trat Eppelmann im September 1990 bei; noch im selben Jahr wurde er Stellvertretender Landesvorsitzender der Brandenburger CDU und blieb es bis 1993. Von März 1993 bis Oktober 2001 war er auch Vorsitzender des neu eingerichteten CDU-Großkreises Märkisch-Oderland. Im Januar 1997 wurde er erneut zu einem der vier Stellvertretenden Vorsitzenden der Brandenburger CDU gewählt. Von Oktober 1996 bis April 2000 war er Mitglied im CDU-Präsidium.
Als Spitzenkandidat der brandenburgischen CDU kam Eppelmann bei der Bundestagswahl 1998 über die Landesliste in den Bundestag; ein Erststimmen-Direktmandat war nicht möglich, weil er bzw. sein Büro die Anmeldung für die Kandidatur vergessen hatte. Bei der Bundestagswahl 2002 musste sich der Landesvorsitzende Jörg Schönbohm kräftig für ihn einsetzen, um ihm noch einmal einen sicheren Platz auf der Landesliste zu verschaffen. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl im September 2005 verzichtete Eppelmann auf eine erneute Kandidatur und zog sich aus der Politik zurück.
Ämter und Funktionen in der neuen Bundesrepublik
Im März 1994 wurde Eppelmann in Königswinter als bisheriger Stellvertretender Vorsitzender zum Vorsitzenden der Sozialausschüsse der CDU, der "Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft" (CDA) und damit zum Nachfolger von Hans Katzer, Norbert Blüm und Ulf Fink in dieser Rolle gewählt. Im Juni 1995 wurde er mit einem Traumergebnis von 95% der Delegiertenstimmen in diesem Amt bestätigt; er behielt es bis 2001. Den Bedeutungsschwund der vom rheinischen Katholizismus geprägten CDA konnte er in diesen Jahren nicht aufhalten. Immerhin gelang es, Versuche zu unterbinden, die paritätische Beitragszahlung in den Sozialversicherungen zu Lasten der Arbeitnehmer auszuweiten. Auch an der Einführung der Pflegeversicherung und des Dritten Vermögensbildungsgesetzes, das den Einstieg in den Investivlohn ermöglichte, war die CDA beteiligt. Mit CDA-Forderungen, zwecks Sicherung von Arbeitsplätzen sollten die Arbeitnehmer auf Weihnachtsgeld und Tariflöhne verzichten, machte Eppelmann sich vor allem bei den Gewerkschaften keine Freunde. Anfang April 1991 war Eppelmann bereits zum Landesvorsitzenden der CDA des Landes Brandenburg gewählt worden.
1992 übernahm Eppelmann den Vorsitz der Bundestags-Enquete-Kommission zur „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“. Sie fand in der zweiten Legislaturperiode eine Fortsetzung unter dem Titel „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“; auch diese Kommission wurde von Eppelmann geleitet. In den Kommissionen wurden in Dutzenden von Expertisen nahezu alle Details der SBZ/DDR-Geschichte und der deutsch-deutschen Beziehungen seit 1945 erörtert. In Anhörungen legten Sachverständige sowie Opfer und Täter vor den Kommissionsmitgliedern ihre Sicht der Dinge dar. Die Anhörungen, wissenschaftlichen Ausführungen und Ergebnisse beider Enquete-Kommissionen sind in einem je neun- und achtbändigen Mammutwerk mit diversen Unterbänden festgehalten.
Als unmittelbare Folge der Arbeit beider Kommissionen verabschiedete der 13. Deutsche Bundestag am 5. Juni 1998 das „Gesetz über die Gründung einer Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Sie nahm ihre Arbeit am 2. November 1998 auf. Rainer Eppelmann wurde ihr Vorstandsvorsitzender und ist es bis heute. Die bundesunmittelbare Stiftung öffentlichen Rechts soll für die umfassende Aufarbeitung von Ursachen, Geschichte und Folgen der Diktatur in der SBZ und in der DDR Sorge tragen. Sie stellt dafür aus Bundesmitteln Gelder für Opferverbände, Aufarbeitungsinitiativen, Forscher und gesellschaftliche Institutionen zur Verfügung, die entsprechende Projekte durchführen. Im Jubiläumsjahr der deutschen Einheit 2010 wurden 2,4 Millionen Euro für die Projektförderung ausgegeben.
Privatmann und Autor
1969 ging Rainer Eppelmann eine Ehe mit Eva-Maria Strauth ein. Im Juni 1988 ließen sie sich scheiden, heirateten unmittelbar nach der ‚Wende’ erneut, doch die Beziehung scheiterte später ein zweites Mal. Insgesamt gingen aus beiden Ehen fünf Kinder hervor.
Außer in der Rolle als Vorsitzender zweier Bundestags -Enquete-Kommissionen hat Rainer Eppelmann sich in mehreren Veröffentlichungen mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte beschäftigt. In seinem Buch „Wendewege“ (1992) setzte er sich in Briefen an seine Frau und seine Kinder mit der gemeinsamen DDR-Vergangenheit, mit seinen gesamtdeutschen Hoffnungen und dem Vereinigungsprozess sowie mit dem sich überstürzenden Tagesgeschehen in dem halben Jahr seiner Ministerzeit unter Lothar de Maiziere auseinander. In seinem autobiographischen Bericht „Fremd im eigenen Haus“ (1993) schilderte er Alltag und Lebensbedingungen in der DDR sowie Ansätze, Möglichkeiten und Formen von Widerständigkeit gegen die SED-Diktatur, vor allem im Raum der Kirchen. Nur zu oft allerdings verübelte seine Kirchenleitung ihm seine öffentlichkeitswirksame Unangepasstheit, weil sie damit den Dialog zwischen Staat und Kirche gefährdet sah. Auch die verbrecherischen Methoden des Ministeriums für Staatssicherheit, das ihn zum „Staatsfeind Nr. 1“ deklarierte und ihn intensiv bespitzelte, werden in dem Buch aufgedeckt.
Eppelmanns Wirken als Pfarrer und als Politiker war stets gekennzeichnet durch ein starkes Engagement für den Nächsten, für Schwache, Hilfsbedürftige und Verfolgte. Nach eigenen Worten war er immer ein „friedlicher Unruhestifter“. In den 1980er Jahren wurde er zu dem Protagonisten der oppositionellen Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Schiffermütze und Windjacke waren seine Markenzeichen. Ausgeprägt war seine Fähigkeit, direkt auf Menschen zugehen und sie unverstellt von akademischen Sprachkonventionen ansprechen zu können. Im Zuge der Friedlichen Revolution wandelte er sich nach anfänglicher Skepsis, ja Abneigung rasch zu einem entschiedenen Befürworter der deutschen Einheit und wertete danach ihre Wirkungen und Folgen überwiegend positiv.
Lebenslauf
- 12. Februar 1943 Geb. in Berlin (-Ost) als Sohn eines Zimmermanns und einer Schneiderin; evang.; verh.; fünf Kinder
- 1961 Nach Mauerbau zwangsweiser Abgang von der Oberschule in West-Berlin (11. Klasse), Dachdeckerhilfsarbeiter, danach Maurerlehre (1962-1965) und Berufstätigkeit als Maurer
- 1964 - 1966 Verweigerung des Wehrdienstes und des Gelöbnisses als Bausoldat, acht Monate Gefängnis; danach Bausoldat
- 1969 - 1974 Studium der evang. Theologie an der Berliner "Predigerschule Paulinum"; Ordination 1975
- 1975 - 1989 Kirchliche Funktionen, v.a. als Pfarrer an der Berliner Samariterkirche
- 1982 Autor des "Berliner Appells" ("Frieden schaffen ohne Waffen!") zusammen mit Robert Havemann; Beteiligung an Aktivitäten kirchlicher Friedens- und Menschenrechtsgruppen
- September 1989 Gründungsmitglied des Demokratischen Aufbruchs (DA), März - August 1990 dessen Vorsitzender. Dezember 1989 - Februar 1990 DA-Vertreter am Zentralen Runden Tisch
- März - April 1990 Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett Hans Modrow
- März - Oktober 1990 Mitglied der Volkskammer
- April - Oktober 1990 Minister für Abrüstung und Verteidigung im Kabinett Lothar de Maizière
- September 1990 Eintritt in die CDU
- 1990 - 1993 Stellv. Landesvorsitzender der Brandenburger CDU
- Oktober 1990 - September 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages
- 1990 - Februar 1993 Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses für Familie und Senioren
- 1992 - 1994 Stellv. Bundesvorsitzender der CDA
- März 1994 - Juni 2001 Bundesvorsitzender der CDA, seither Ehrenvorsitzender
- 1992 - 1994 Vorsitzender der Bundestags-Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland"
- März 1993 - Oktober 2001 Vorsitzender des CDU-KV Märkisch-Oderland
- 1994 - 1998 Vorsitzender der Bundestags-Enquete-Kommission "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit"
- Januar 1997 Wahl zu einem der vier stellv. Landesvorsitzenden der Brandenburger CDU
- Oktober 1996 - April 2000 Mitglied des CDU-Präsidiums
- 1998 - heute Vorstandsvorsitzender der "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur"
- 2000 - 2002 Mitglied des CDU-Bundesvorstandes
- 2002 - 2005 Mitglied im Bundestags-Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und stellv. Mitglied im Bundestags-Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- 2005 Bei der vorgezogenen Bundestags-Wahl vom 18. September verzichtet Eppelmann auf eine Kandidatur und zieht sich aus der Politik zurück.
Veröffentlichungen
- Eppelmann, Rainer: Wendewege. Briefe an die Familie; hrsg. von Dietmar Herbst. Bonn/Berlin 1992.
- Eppelmann, Rainer: Fremd im eigenen Haus. Mein Leben im anderen Deutschland. Mitarbeit: Christian v. Ditfurth. Köln 1993.
- Eppelmann, Rainer: Opposition, Verweigerung und Bürgerrechtsbewegung in der DDR. In: Rainer Eppelmann u.a.: Die Diktatur der SED – Geschichte und Folgen (Aktuelle Fragen der Politik; Heft 18). Sankt Augustin 1994, S. 53-62.
- Eppelmann, Rainer u.a. (Hrsg.): Lexikon des DDR-Sozialismus. Das Staats- und Gesellschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik (Studien zur Politik; Bd. 29). Paderborn u.a. 1996.
- Eppelmann, Rainer: „Jetzt wird Dein Leben ganz anders“. In: Eckhard Jesse (Hrsg.): Eine Revolution und ihre Folgen. 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz. Berlin 2000, S. 174-191.
- Eppelmann, Rainer/Dietmar Keller: Zwei deutsche Sichten. Ein Dialog auf gleicher Augenhöhe; hrsg. von Christian v. Ditfurth. Bad Honnef 2000.
- Eppelmann, Rainer: Die Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. In: Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung; hrsg. von Rainer Eppelmann/Bernd Faulenbach/Ulrich Mählert im Auftrag der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Paderborn u.a. 2003, S. 401-406.
- Eppelmann, Rainer: Gottes doppelte Spur. Vom Staatsfeind zum Parlamentarier. Holzgerlingen 2007.
- Eppelmann, Rainer: Erfahrung mit deutscher Teilung und Einheit, in: Jahrbuch 2009/2010. Politische Bildung für die Demokratie, Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland/ aksb (Hrsg.), Frankfurt am Main 2009.
- Eppelmann, Rainer: Der lange Weg zur Selbstbefreiung und die friedliche Revolution 1989, in: Der Fall der Berliner Mauer. Die deutsche Revolution und die folgenden zwei Jahrzehnte, Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), Jerusalem 2009.
- Eppelmann, Rainer, Demokratie in Freiheit. Ergebnis der friedlichen Revolution 1989, Dresden 2009.
- Eppelmann, Rainer/ Hackenberg, Stefan, Demokratie versus Diktatur. Ein Leben in zwei deutschen Systemen, Köln 2010.
- Eppelmann, Rainer/ Friebe, Thomas/ Hackenberg, Stefan, Die Versorgung der Bevölkerung mit Frischpetersilie ist ganzjährig gesichert. Rainer Eppelmann zu Mauerfall und 20 Jahren Wiedervereinigung, München 2020.
Literatur
- Jäger, Wolfgang/Michael Walter: Die Allianz für Deutschland. CDU, Demokratischer Aufbruch und Deutsche Soziale Union 1989/90. Köln u.a. 1998.
- Jesse, Eckhard: Oppositionelle Bestrebungen in den achtziger Jahren und ihre Repräsentanten. In: Ders.(Hrsg.): Eine Revolution und ihre Folgen. 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz. Berlin 2000, S. 257-324.
- Mengel, Gert: Frieden schaffen ohne Waffen. Rainer Eppelmann: Pazifist, Bausoldat, Pfarrer, Minister. In: Praxis Geschichte, Heft 5/2009, S. 24-27.
- Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989. 2. Aufl. Bonn 1998.
- Neubert, Ehrhart: Unsere Revolution. Die Geschichte der Jahre 1989/90. 2. Aufl. München 2009.