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„Der Kapitalismus ist an allem schuld.“

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„Kapitalismus“ verursache Armut, Elend, Hunger, Umweltzerstörung und Krieg: Linksextremistische Ideologieentwürfe zeichnen ein wahres Horrorszenario, das im „Kapitalismus“ die ausschließliche Ursache aller sozialen, ökologischen und politischen Probleme sieht. So heißt es im Programm der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) von 2006: „Ein würdiges Leben für alle Menschen wäre möglich. Zugleich könnte die Erde für künftige Generationen als lebensfähiges Ökosystem erhalten werden“ (1) – wenn nur der Kapitalismus nicht wäre. Und im Grundsatzprogramm der Partei Die Linke von 2011 ist die Rede davon, dass es unter kapitalistischen Bedingungen keinen Raum für Demokratie gebe, dass „Unfreiheit“ herrsche, Menschen „entrechtet“ seien, „ausgebeutet“ und „entmündigt“ (2).

Wenn Linksextremisten vom „Kapitalismus“ sprechen, meinen sie ein Herrschaftssystem, das im Grunde lediglich einen Zweck erfüllt, nämlich die Profite der „Kapitalisten“ zu sichern und zu vermehren. Selbstverständlich kann „der Kapitalismus“ als Wirtschaftssystem in bestimmten Ausprägungen zu gesellschaftlichen Verwerfungen, Ungerechtigkeiten und Krisen führen. Doch Linksextremisten differenzieren hier nicht. Für sie ist „Kapitalismus“ eine Pauschalbezeichnung für ganz unterschiedliche Formen der Wirtschaft und der Gesellschaft.

So rubrizieren sie zum einen sowohl Diktaturen (wie den Nationalsozialismus) als auch Demokratien (wie die der Bundesrepublik) unter den Kapitalismusbegriff. Zum anderen blenden sie „die offensichtlichen Interessenkonflikte zwischen Akteuren auf dem Finanz- und Kapitalmarkt (...) und gegenläufigen im politischen System einer pluralistischen Gesellschaft (...) weitgehend aus.“ (3) Die Offenheit einer freien Gesellschaft, in der alle – auch nicht am Profit orientierte – gesellschaftlichen Interessen die Chance haben, politisch wirksam zu werden, wird ignoriert. Differenzierungen sind Linksextremisten auch in ökonomischer Hinsicht fremd: Die soziale – keineswegs rein kapitalistische – Marktwirtschaft wird ebenso verteufelt, wie linksdemokratische Kräfte (etwa SPD und Grüne) entsprechend als Erfüllungsgehilfen des Kapitals dastehen.

Diese kategorische Sichtweise erfüllt einen ideologischen Zweck, und zwar auf dreierlei Weise: Erstens propagieren Linksextremisten eine Totalität des Kapitalismus, um einen Systemgegensatz konstruieren zu können: Die als „kapitalistisch“ gebrandmarkte Demokratie soll möglichst im Weltmaßstab abgelöst werden durch eine „sozialistische“ Gesellschaft. Zwischen beiden Systemen gibt es aus linksextremistischer Sicht keine Überschneidungen; sie schließen einander aus. Zweitens generieren Linksextremisten ein Alleinstellungsmerkmal: Nur sie selbst seien wahrhaft „antikapitalistisch“. Alle anderen – auch linken – politischen Kräfte werden somit unterschiedslos als Gegner abqualifiziert. Diese Konstruktion eines kruden Feindbildes ist der dritte ideologische Zweck: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Die quasireligiöse Einteilung der Welt in „gut“ und „böse“ ist für Linksextremisten konstitutiv. Solche Immunisierungsstrategien machen blind für Gegenargumente.

Dabei sind sozialistische Systeme als propagierter Gegenentwurf zum „Kapitalismus“ bislang den Beweis schuldig geblieben, die Probleme der Menschen und der Menschheit zu lösen, im Gegenteil: Waffenhandel betrieben diese Länder – in denen Pazifisten im Übrigen als Renegaten galten – genauso wie kapitalistische; soziale Gleichheit herrschte trotz aller Versuche, sie auf Kosten der Freiheit durchzusetzen, auch in der DDR nicht; und Umweltzerstörung im Dienste des „Fortschritts“ war dort kein Problem. Vor 1989 führten alle – meist ängstlich wieder abgebrochenen – Versuche, die verknöcherten staatssozialistischen Systeme leistungsfähiger und offener zu machen, unweigerlich zu mehr Marktwirtschaft. Und hätte nicht auch der „Prager Frühling“ 1968 Demokratie und Soziale Marktwirtschaft zur logischen Folge gehabt, wenn nicht sowjetische Panzer den Willen einer Mehrheit der Tschechoslowaken im Keim erstickt hätten (siehe auch Was heißt Soziale Marktwirtschaft? Warum ist sie seit 60 Jahren erfolgreich?) Aufrechnen hilft indes in der Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus nur bedingt weiter. Denn demokratische Systeme sind keineswegs perfekt. Aber man kann sie perfektionieren. Wer dagegen von vornherein für sich beansprucht, „die Wahrheit“ erkannt zu haben, löst keine Probleme. Demokratie lebt von politischem und gesellschaftlichem Streit, der zu Entscheidungen führt. Die Alternative wäre eine Diktatur, in der Irrwege nicht als solche benannt werden dürfen, weil keine abweichende Meinung gebilligt wird.

Jürgen P. Lang

 

(1) Hier und im Folgenden zit. n.: Programm der Deutschen Kommunistischen Partei. Beschluss der 2. Tagung des 17. Parteitags der DKP, 8. April 2006.

(2) Hier und im Folgenden zit. n.: Programm der Partei Die Linke. Beschlossen auf der 2. Tagung des 2. Parteitags der Partei Die Linke, 21. bis 23. Oktober 2011 in Erfurt, Manuskript.

(3) Rudolf van Hüllen, „Die Linke“ stellen. Handreichungen zur politischen Auseinandersetzung, Sankt Augustin/Berlin 2009, S. 54.

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Felix Neumann

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