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„Die Entwicklung geht den meisten Bevölkerungsgruppen nicht schnell genug“

Helmut Reifeld im Interview über die aktuellen Proteste in Marokko

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8. Juni 2017

In Marokko weiten sich seit einer Woche die Proteste gegen die Führung des Landes aus. Zuletzt war Nasser Zefzazi, der Kopf der Protestbewegung gegen den König, festgenommen worden, was die Situation noch einmal verschärfte. Anlass der Proteste war der Tod des Fischhändlers Mouhcine Fikri im Oktober 2016. Über die aktuelle Situation und die Ursachen für die Demonstrationen sprach Helmut Reifeld, Leiter des Marokko-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rabat, mit detektor.fm.

„Das ganze Rif-Gebirge ist seit Jahrzehnten benachteiligt, weil es immer als rebellisch galt“, sagt Helmut Reifeld. Die dort lebenden Berber stellen knapp ein Drittel der Bevölkerung, die meisten Demonstranten stammen aus dieser Gruppe. Die Region sei von Hassan II., dem Vorgänger des jetzigen Königs, entwicklungspolitisch ignoriert worden, so Reifeld. Hassans Sohn, Mohammed VI., habe zwar seit seinem Amtsantritt 1999 vieles wieder gut machen wollen: „Es hat viele spezielle Maßnahmen gegeben, die für diese Region konzipiert worden sind“, sagt Reifeld. Sie hinke dennoch hinterher: „Im Bildungswesen, in der Infrastruktur, im Bereich des Gesundheitswesens“ sei die Situation momentan schlechter als in anderen Teilen des Landes.

„Die Entwicklung geht den meisten Bevölkerungsgruppen nicht schnell genug“, vieles sei nur geplant, „aber noch nicht in Angriff genommen worden“, so Reifeld: „Das erzeugt wachsenden Unmut.“ Zu Beginn 2017 hatte die Regierung Milliarden-Investitionen angekündigt. Die Defizite könnten jedoch nicht innerhalb eines halben Jahres beseitigt werden, ergänzt Reifeld. Die marokkanische Regierung habe aus eigener Sicht bereits 90 Prozent der Forderungen in Angriff genommen.

Die Entwicklung der Proteste sei ähnlich der des Arabischen Frühlings ab 2011. Damals habe es aber landesweite Proteste gegeben, besonders in den Großstädten, in Casablanca, Rabat und Tanger. Nun fänden die Demonstrationen eher auf regionaler Ebene statt. Für kommenden Sonntag seien jedoch Kundgebungen auch in den Großstädten angekündigt, beispielsweise in Rabat: Dort sitzt die Regierung und die Protestierenden erhofften sich mehr Aufmerksamkeit, so Reifeld.

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