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Aus dem politischen Tagebuch von Helmut Kohl

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.....Als der DDR-Premier dann am 12. April vor die Volkskammer tritt, zeigt sich der sonst so unsicher Wirkende selbstbewusst: "Das »Ja« zur Einheit ist gesprochen. Über den Weg dorthin werden wir ein entscheidendes Wort mitzureden haben. Die Rahmenbedingungen müssen so gut, vernünftig und zukunftsfähig wie nötig sein." De Maizière, der sich für die Anwendung des Artikels 23 beim Einigungsprozess ausspricht, kündigt an, die 1952 abgeschafften Länder wieder einführen zu wollen. Was die Grundlagen der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion angehe, so sollten diese in den folgenden acht Wochen geschaffen werden, damit dieser Schritt noch rechtzeitig vor der Sommerpause gemacht werden könne. Zugleich kündigt er an, dass seine Regierung auf einer Währungsumstellung von 1 zu 1 bei Löhnen, Renten und Sparguthaben bestehen werde. Im übrigen verspricht er den endgültigen Abriss der Mauer: "Noch in den nächsten Monaten wird dieses menschenunwürdige Schandmal abgerissen."

Im außenpolitischen Teil seiner Regierungserklärung bekräftigt de Maizière, dass die Zukunft des vereinten Deutschland in einem ungeteilten, friedlichen Europa liege. Die Sowjetunion bittet er, Deutschlands Streben nach Einigung nicht als Bedrohung anzusehen. Besonderen Dank richtet er an Gorbatschow für dessen Rolle "in dem historischen Prozess unserer Befreiung". Er sichert Moskau freundschaftliche Zusammenarbeit, Loyalität gegenüber dem Warschauer Pakt, Achtung der sowjetischen Sicherheitsinteressen und eine strikte Einhaltung aller Außenhandelsverpflichtungen zu. Von einer NATO-Zugehörigkeit des vereinten Deutschland, die in der Koalitionsvereinbarung als Übergangslösung bis zur Schaffung eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems ins Auge gefasst wird, spricht de Maizière nicht. "Wenngleich uns nicht alles gefallen konnte, was Lothar de Maizière in seiner Regierungserklärung sagte, so war für mich damals wichtig, dass sich wie ein roter Faden durch die Rede zog, die Einheit Deutschlands nach Artikel 23 des Grundgesetzes herbeiführen zu wollen - und zwar nicht irgendwann, sondern so bald wie möglich", urteilt der Bundeskanzler heute..... (Seite 352 - 353)

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