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Aus dem politischen Tagebuch von Helmut Kohl

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1. Juli 1990

Seite 404 - 405

.....In Assmannshausen berichtete der Kanzler dem französischen Staatspräsidenten auch von der Abstimmung im Bundestag über den Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, der mit überwältigender Mehrheit das Parlament passiert hat. Kurz vor seiner Abreise zu dem Treffen mit Mitterrand am diesem 22. Juni hat das Vertragswerk auch die Zustimmung des Bundesrates erhalten. Nur zwei Bundesländer - das Saarland und Niedersachsen - haben ihre Zustimmung verweigert.....

Seite 409 - 410

.....In Dublin ist auch DDR-Ministerpräsident de Maizière dabei. Gemeinsam mit dem Kanzler unterrichtet er den Rat über die Entwicklung in Deutschland, wo am 1. Juli 1990 die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft treten wird. Die Vorbereitungen hierzu laufen derweil auf Hochtouren. In unvorstellbaren Mengen sind D-Mark-Banknoten in den Keller des Ost-Berliner Zentralkomitee-Gebäudes, des ehemaligen Sitzes der Reichsbank, geschafft worden, um von dort über die gesamte DDR verteilt zu werden. In Berlin ist es schon am Samstag, dem 30. Juni, um 0.00 Uhr soweit: In der Filiale der Deutschen Bank am Alexanderplatz werden die ersten D-Mark-Scheine ausgegeben. Vor der Bank drängen sich Tausende, Feuerwerksraketen steigen in den Himmel, Sektkorken knallen, Hupkonzerte ertönen in den Strassen. Überall in der DDR werden D-Mark-Partys gefeiert. Gleichzeitig heben sich die Schlagbäume an der gesamten innerdeutschen Grenze, stellen die Grenzer die Kontrollen ein.

Der Bundeskanzler erklärt in einer Fernsehransprache: " Die Deutschen in der Bundesrepublik und in der DDR sind jetzt wieder unauflöslich miteinander verbunden. Sie sind es zunächst durch eine gemeinsame Währung, durch die gemeinsame Ordnung der sozialen Marktwirtschaft. Sie werden es bald auch wieder in einem freien und vereinten Staat sein". Kohl ruft den Menschen in der DDR zu: "Wir werden es schaffen!" Er erinnert an die Zeit vor über 40 Jahren, als in einer ungleich schwierigeren Situation aus den Trümmern der Städte und Dörfer die Bundesrepublik Deutschland aufgebaut und eine stabile Demokratie errichtet worden sei. Am heutigen Tag bitte ich Sie alle: Gehen wir ohne Zögern gemeinsam ans Werk. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft - in einem vereinten Deutschland und einem vereinten Europa." Mit Beginn der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion werden binnen Jahresfrist hundert Milliarden D-Mark in den östlichen Teil Deutschlands fließen. Das ist jede 4. Mark des Bundeshaushalts. Die außergewöhnliche Dimension dieser Anstrengung, so Kohl rückblickend, verdeutliche ein Vergleich mit der Marshallplan-Hilfe der Vereinigten Staaten für die Westzonen Deutschlands und die Westsektoren Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg. Über mehrere Jahre verteilt hätten damals in aktuellen Preisen gerechnet rund achthundert D-Mark pro Bürger zur Verfügung gestanden. Nun sei allein für den Zeitraum bis zum 1. Juli 1991 weit mehr als das siebenfache - nämlich 6100 D-Mark - auf jeden Bürger im östlichen Teil Deutschlands gekommen. Nur wer sich dies vergegenwärtige, könne sich eine Vorstellung von der Dimension der Aufbauhilfe machen.

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