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Aus dem politischen Tagebuch von Wolfgang Schäuble (Bundesinnenminister)

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1. Juli

Seite 100

.....Nach etwa zwei Stunden stieß DDR-Finanzminister Walter Romberg zu uns. Der Sozialdemokrat warf uns um viele Stunden zurück. Wir sollten uns, rügte Romberg, gefälligst abschminken, die Währungsunion schon zum 1. Juli einzuführen. Dieser Termin sei viel zu früh. Ich habe den Mann völlig fassungslos angeschaut und gefragt: "Sagen Sie mal, Sie sind doch in dieser Regierung der Finanzminister?" Als Romberg bejahte, fuhr ich fort: "Vor wenigen Tagen haben Sie eine Regierungserklärung abgegeben und die Währungsunion zum 1. Juli angekündigt. Und jetzt, ein paar Tage später, fangen Sie an, dieses von Ihnen selbst gesetzte Datum wieder in Zweifel zu ziehen! Wissen Sie was, Herr Romberg: Sie können einpacken, wenn Sie jetzt schon wieder Verunsicherung schaffen. Das halte ich nun wirklich für lebensmüde."

Offen gesagt, bin ich mir heute noch nicht sicher, was den Herrn Romberg in dieser Nacht getrieben hat: Ob der wirklich noch im Sinne des SPD-Kanzlerkandidaten Lafontaine die Währungsunion verhindern wollte oder ob er einfach ein politikferner Mann war. Staatssekretär Günther Krause hat später mehrmals kategorisch Rombergs Sturz verlangt. Er unterstellte dem Sozialdemokraten schlicht Sabotage. Krause behauptet, nur weil Romberg in die Schlussrunde seiner Verhandlungen mit Tietmeyer eingegriffen habe, seien der DDR noch ein paar Milliarden verlorengegangen. Bis heute bin ich mir meines Urteils über Romberg nicht sicher. Mein Gefühl sagt mir, dass Romberg eher ein politisch nicht so erfahrener, aber eigentlich ganz sympathischer Mensch ist.

Seite 101

Die Verhandlungen über den Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion standen unter enormen Zeitdruck. Zum 1. Juli 1990 sollten die D-Mark und die soziale Marktwirtschaft in der DDR eingeführt werden. Zur Vorbereitung benötigte die Bundesbank eine Mindest-Vorlaufzeit, damit eine in der Notenbankgeschichte bisher so nicht gekannte Währungsumstellung reibungslos funktionieren konnte. In der Tat hat ja nach dem 1. Juli die sachverständige Bankenwelt die Leistung insbesondere der Deutschen Bundesbank bei der Währungsumstellung in der DDR bewundert.....

Seite 106

.....Die Vereinbarungen zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wie zu den Eigentums- und Vermögensfragen hatten uns auf dem Weg zur deutschen Einheit deutlich vorangebracht und die Entwicklung weiter beschleunigt.....

Seite 123

Den ersten entscheidenden Schritt zur Einheit haben die beiden deutschen Staaten am 18. Mai mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vollzogen. Bundeskanzler Kohl sprach in Bonn von der "Geburtsstunde des freien und einigen Deutschland". Und auch DDR-Ministerpräsident de Maizière schloss sich dieser Beurteilung an: "Was wir heute tun, ist ein entscheidender Schritt auf unser Ziel hin: in Freiheit die Einheit Deutschlands

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