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Redebeitrag von Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Vorsitzende des Ausschusses deutsche Einheit in der Debatte am 20. September 1990

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Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner:

Meine Damen und Herren!

Ich schließe damit die Aussprache. Eine Abstimmung dazu ist nicht erforderlich.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2:

Beschlussempfehlung des Ausschusses Deutsche Einheit, Gesetz zum Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990

(2. Lesung)

(Drucksache Nr. 217a und Anlagen)

Ich bitte die Vorsitzende des Ausschusses Deutsche Einheit, Frau Abgeordnete Dr. Bergmann-Pohl, diese Beschlussvorlage zu begründen.

Frau Dr. Bergmann-Pohl, Berichterstatter des Ausschusses Deutsche Einheit:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Die Abgeordneten dieses Hohen Hauses wurden am 18. März mit dem Auftrag gewählt, die deutsche Einheit herbeizuführen. Seit diesem Tag hat das erste frei gewählte Parlament im Osten Deutschlands eine sehr umfangreiche und auch sehr komplizierte Arbeit bewältigt. Mit einer in der Parlamentsgeschichte wohl seltenen Vielzahl von Gesetzen und Entscheidungen wurde der rechtliche Rahmen dafür geschaffen, die Teilung Deutschlands in historisch sehr kurzer Frist zu überwinden und die Weichen für ein Zusammenwachsen beider Teile unseres Vaterlandes zu stellen. Jeder von Ihnen mag nachvollziehen, wie schwierig dieser Auftrag war und ist. Jeder von uns wird sich vorstellen können, welch kühne Entscheidungen und welch unermessliche Kleinarbeit auch künftig erforderlich sein werden, um zwei vierzig Jahre lang voneinander getrennte und in einander feindlich gegenüberstehende Paktsysteme eingebundene Teile unseres Volkes, die zudem völlig unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Konzeptionen folgten, zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuführen.

Ein erster entscheidender Schritt zur Herbeiführung der deutschen Einigung war die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland zum 1. Juli des Jahres.

Wir haben in unserem Hohen Hause leidenschaftlich um diesen Schritt gestritten. Heute ist es wohl für die große Mehrheit unserer Bevölkerung schon fast eine Selbstverständlichkeit, sich mit Reisefreiheit und Deutscher Mark ein eigenes Bild vom Leben anderer Völker machen zu können.

Dabei übersehen wir nicht die enormen Probleme, die die Wirtschaft der DDR und das tägliche Leben unserer Menschen noch belasten. Der Ausschuss Deutsche Einheit hat der Volkskammer am 8. August empfohlen, vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland entsprechend Artikel 23 des Grundgesetzes den Einigungsvertrag abzuschließen und zu ratifizieren, die äußeren Aspekte der deutschen Einheit abschließend gesichert zu wissen und die Bildung der Länder mit rechtlichen und praktischen Maßnahmen auf den Weg gebracht zu haben. Dies ist geschehen. Wie das Hohe Haus am 23. August beschlossen hat, wird die DDR mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 beitreten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 217a legt Ihnen der Ausschuss Deutsche Einheit heute die Beschlussempfehlung zum Gesetz zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die Herstellung der Einheit Deutschlands vor.

Auf Grundlage der Stellungnahmen von 25 mitberatenden Ausschüssen empfiehlt Ihnen der Ausschuss Deutsche Einheit als federführender Ausschuss mit 18 Ja-Stimmen und vier Stimmenthaltungen dem Gesetz zum Einigungsvertrag Ihre Zustimmung zu geben.

In der Anlage befinden sich Minderheitsvoten der Fraktion Bündnis 90/Grüne und der PDS.

Wie der Beschlussempfehlung zu entnehmen ist, hat sich der Ausschuss Deutsche Einheit mehrfach mit dem Vertrag befasst und der Verhandlungsdelegation der DDR Vorschläge zu Ergänzungen und Veränderungen übermittelt. Wenn auch nicht alle Forderungen erfüllt sind und nicht allen Wünschen entsprochen werden konnte, ist der Ausschuss dennoch der Meinung, dass der nunmehr vorliegende Vertrag eine solide Grundlage und ein tragfähiges Gerüst für das weitere Zusammenwachsen beider Teile Deutschlands im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses sein wird.

Der Ausschuss Deutsche Einheit begrüßt, dass die Parlamente in Berlin und Bonn dieses Mal wesentlich mehr Möglichkeiten zur Mitwirkung an der Ausarbeitung und in Gestalt der Ländervertretung auch an der Aushandlung des Vertrages hatten, als das bei dem Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion der Fall war. Er hält es für erforderlich, dass das auch so ist. Ohne eine engagierte Mitwirkung der gewählten Vertreter des ganzen deutschen Volkes wird vieles, was nunmehr vertraglich festgelegt ist, schwer zu bewältigen sein.

Der Ausschuss sieht für die in der Vereinbarung am 18. September 1990 nicht berücksichtigten Positionen, wie Sie sie in der Stellungnahme des Ausschusses Deutsche Einheit vom 14. September 1990 finden, weiteren Handlungsbedarf. Er empfiehlt dem Gesetzgeber im einheitlichen Deutschland die alsbaldige Verhandlung, da vor allem im Bereich des Landwirtschaft, des Gesundheitswesens, der Medienpolitik, der Länderfinanzierung und Kommunalgesetzgebung, der Wohnungspolitik und auch in der Handhabung des Rehabilitierungsgesetzes Fragen ungelöst sind, die zu Unsicherheiten führen können und deshalb einer erneuten, besonders sorgfältigen Prüfung und Klärung bedürfen.

(Vereinzelt Beifall)

Sicher wird es auch notwendig sein, im Verlauf der kommenden Monate die eine oder andere Festlegung auf ihre weitere Zweckmäßigkeit hin zu prüfen und evtl. weitere Entscheidungen zu fällen.

Verehrte Abgeordnete!

Gestatten Sie mir bitte abschließend als Vorsitzende des Ausschusses Deutsche Einheit ein Wort an alle Deutschen in Ost und West. Mit der Ratifizierung des Vertragswerkes und dem ihr in zeitlich kurzer Frist folgenden Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vollzieht die Deutsche Demokratische Republik ihre letzten wesentlichen Hoheitsakte. Damit ist die staatliche Spaltung Deutschlands überwunden und die Vereinigung staatsrechtlich vollzogen. Der Prozess der Einigung Deutschlands steht jedoch noch am Anfang. Es werden viel Zeit, großes Einfühlungsvermögen und Mut zu vielleicht unpopulären Entscheidungen erforderlich sein, um alte Gräben zuzuschütten und neue nicht entsehen zu lassen.

Achten wir einander, und achten wir auch auf Mentalität und Empfindlichkeit des anderen! Stehen wir auch künftig zusammen, um mit vereinten Kräften das vereinigte friedliche und demokratische, soziale Gerechtigkeit für jeden seiner Bürger bietende Deutschland aufzubauen! - Danke schön.

(...)

Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner:

Ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 2: Abstimmung über das Gesetz zum Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die Herstellung der Einheit Deutschlands, die Abstimmung also über den Einigungsvertrag.

Es haben ihre Stimmen abgegeben: 380 Abgeordnete. Davon war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben gestimmt: 299 Abgeordnete.

(Beifall bei CDU/DA, DSU, F.D.P. und vereinzelt bei der SPS- Die Abgeordneten von CDU/DA, DSU und F.D.P. erheben sich von den Plätzen und spenden weiter starken Beifall)

Mit Nein haben gestimmt: 80 Abgeordnete. Ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt 2, der zweifelsfrei wichtigste auf unserer heutigen Tagesordnung, erledigt.

Quelle: Volkskammersitzung vom 20.09.1990; Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik, 10. Wahlperiode, 36. Tagung, Donnerstag, den 20. September 1990

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