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Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR (Auszug)

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Die BRD und die UdSSR -

IM BEWUSSTSEIN ihrer Verantwortung für die Erhaltung des Friedens in Europa und in der Welt,

IN DEM WUNSCH, mit der Vergangenheit endgültig abzuschließen und durch Verständigung und Versöhnung einen gewichtigen Beitrag zur Überwindung der Trennung Europas zu leisten,

ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, ein neues, durch gemeinsame Werte vereintes Europa aufzubauen und eine dauerhafte und gerechte europäische Friedensordnung einschließlich stabiler Strukturen der Sicherheit zu schaffen,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass den Menschenrechten und Grundfreiheiten als Teil des gesamteuropäischen Erbes hohe Bedeutung zukommt und dass ihre Achtung wesentliche Voraussetzung für einen Fortschritt beim Aufbau dieser Friedensordnung ist,

IN BEKRÄFTIGUNG ihres Bekenntnisses zu den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und zu den Bestimmungen der Schlussakte von Helsinki vom 1. August 1975 sowie der nachfolgenden Dokumente der KSZE,

ENTSCHLOSSEN, an die guten Traditionen ihrer jahrhundertlangen Geschichte anzuknüpfen, gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Grundlage ihrer Beziehungen zu machen und den historischen Herausforderungen an der Schwelle zum 3. Jahrtausend gerecht zu werden,

GESTÜTZT AUF DIE GRUNDLAGEN, die in den vergangenen Jahren durch die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der BRD sowie der DDR und der UdSSR geschaffen wurden,

ERFÜLLT VON DEM WUNSCH, die fruchtbare und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten auf allen Gebieten weiter zu entwickeln und zu vertiefen und ihrem Verständnis zueinander im Interesse der Völker und des Friedens in Europa eine neue Qualität zu verleihen,

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der Unterzeichnung des Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, mit dem die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit geregelt wurden -

SIND wie folgt ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken lassen sich bei der Gestaltung ihrer Beziehungen von folgenden Grundsätzen leiten:

Sie achten gegenseitig ihre souveräne Gleichheit und ihre territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit.

Sie stellen den Menschen mit seiner Würde und mit seinen Rechten, die Sorge für das Überleben der Menschheit und die Erhaltung der natürlichen Umwelt in den Mittelpunkt ihrer Politik.

Sie bekräftigen das Recht aller Völker und Staaten, ihr Schicksal frei und ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu gestalten.

Sie bekennen sich zu dem Grundsatz, dass jeder Krieg, ob nuklear oder konventionell, zuverlässig verhindert und der Frieden erhalten und gestaltet werden muss.

Sie gewährleisten den Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts in der Innen- und internationalen Politik und bekräftigen ihre Entschlossenheit, ihre vertraglichen Verpflichtungen gewissenhaft zu erfüllen.

Sie bekennen sich dazu, das schöpferische Potenzial des Menschen und der modernen Gesellschaft für die Sicherung des Friedens und für die Mehrung des Wohlstands aller Völker zu nutzen.

Artikel 2

Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verpflichten sich, die territoriale Integrität aller Staaten in Europa in ihren heutigen Grenzen uneingeschränkt zu achten. Sie erklären, dass sie keine Gebietsansprüche gegen irgend jemand haben und solche auch in Zukunft nicht erheben werden. Sie betrachten heute und künftig die Grenzen aller Staaten in Europa als unverletzlich, wie sie am Tage der Unterzeichnung dieses Vertrages verlaufen.

Artikel 3

Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bekräftigen, dass sie sich der Androhung oder Anwendung von Gewalt enthalten werden, die gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit der anderen Seite gerichtet oder auf irgendeine andere Art und Weise mit den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen oder mit der KSZE-Schlussakte unvereinbar ist.

Sie werden ihre Streitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen und keine ihrer Waffen jemals anwenden, es sei denn zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung. Sie werden niemals und unter keinen Umständen als erste Streitkräfte gegeneinander oder gegen dritte Staaten einsetzen. Sie fordern alle anderen Staaten auf, sich dieser Verpflichtung zum Nichtangriff anzuschließen. Sollte eine der beiden Seiten zum Gegenstand eines Angriffs werden, so wird die andere Seite dem Angreifer keine militärische Hilfe oder sonstigen Beistand leisten und alle Maßnahmen ergreifen, um den Konflikt unter Anwendung der Grundsätze und Verfahren der Vereinten Nationen und anderer Strukturen kollektiver Sicherheit beizulegen.

Artikel 4

Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken werden darauf hinwirken, dass durch verbindliche, wirksam nachprüfbare Vereinbarungen Streitkräfte und Rüstungen wesentlich reduziert werden, so dass, zusammen mit einseitigen Maßnahmen, ein stabiles Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau insbesondere in Europa hergestellt wird, das zur Verteidigung, aber nicht zum Angriff ausreicht.

Das gleiche gilt für einen multilateralen wie bilateralen Ausbau vertrauensbildender und stabilisierender Maßnahmen.

Artikel 5

Beide Seiten werden den Prozess der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf der Grundlage der Schlussakte von Helsinki vom 1. August 1975 nach Kräften unterstützen und unter Mitwirkung aller Teilnehmerstaaten weiter stärken und entwickeln, namentlich durch Schaffung ständiger Einrichtungen und Organe. Ziel dieser Bemühungen ist die Festigung von Frieden, Stabilität und Sicherheit und das Zusammenwachsen Europas zu einem einheitlichen Raum des Rechts, der Demokratie und der Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaft, der Kultur und der Information.

Artikel 6

Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sind übereingekommen, regelmäßige Konsultationen abzuhalten, um eine Weiterentwicklung und Vertiefung der bilateralen Beziehungen sicherzustellen und ihre Haltung zu internationalen Fragen abzustimmen. Konsultationen auf höchster politischer Ebene finden so oft wie erforderlich, mindestens jedoch einmal jährlich statt.

Die Außenminister treffen mindestens zweimal im Jahr zusammen.

Die Verteidigungsminister werden zu regelmäßigen Treffen zusammenkommen. Zwischen den zuständigen Fachministern beider Staaten finden nach Bedarf Zusammenkünfte zu beiderseitig interessierenden Themen statt.

Die bereits existierenden gemeinsamen Kommissionen werden Möglichkeiten der Intensivierung ihrer Arbeit prüfen. Neue gemischte Kommissionen werden bei Bedarf nach gegenseitiger Absprache gegründet.

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