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Aus dem politischen Tagebuch von Horst Teltschik (außenpolitische Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl)

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Samstag, 28. April 1990

"Der heutige EG-Sondergipfel in Dublin zeigt, daß alle elf Partner ihren Frieden mit dem deutschen Einigungsprozeß geschlossen haben. Der Bundeskanzler berichtet nach der Sitzung der zwölf Staats- und Regierungschefs, an der keine Mitarbeiter teilnehmen, die Debatte über die deutsche Einigung sei "super" gewesen. Mitterand habe sich großartig verhalten. Auch Poul Schlüter und Giulio Andreotti, die bisher eher kritisch eingestellt gewesen seien, hätten sich sehr konstruktiv gezeigt.

In den Schlußfolgerungen des Sondergipfels begrüßen alle zwölf Staats- und Regierungschefs "in hohem Maße die Vereinigung Deutschlands". Sie sehen in ihr einen positiven Faktor in der Entwicklung Europas im allgemeinen und der Gemeinschaft im besonderen. Sie geben ihrer Freude Ausdruck, daß die Vereinigung Deutschlands unter einem europäischen Dach stattfinde und erklären ihre Bereitschaft, dafür zu sorgen, daß die Eingliederung des Staatsgebiets der DDR in die EG reibungslos und harmonisch vollzogen wird. Jacques Delors hatte dem Europäischen Rat ein Dokument zur deutschen Einheit vorgelegt, das die Diskussion der Staats- und Regierungschefs sehr positiv beeinflußt hatte, wofür sich der Bundeskanzler ausdrücklich bedankte.

Die gemeinsame deutsch-französische Initiative zur Politischen Union ist vom Europäischen Rat diskutiert worden, der die Außenminister beauftragt hat, Zielsetzungen für eine Politische Union zu analysieren und Vorschläge für den nächsten EG-Gipfel zu erarbeiten, ohne diese abschließend zu bewerten. Kritisch gegenüber der Politischen Union haben sich Großbritannien, Dänemark und Portugal geäußert."

Montag, 30. April 1990

Das Ergebnis des EG-Sondergipfels in Dublin, dessen Erfolg nach Kohls Meinung auch der glänzenden Gesprächsleitung des irischen Ministerpräsidenten Charles Haughey zu verdanken ist, findet heute in der gesamten deutschen Presse breite Zustimmung. Selbst die Westfälische Rundschau schreibt: "Bundeskanzler Kohl ist in Dublin ein politisches Kunststück gelungen." Die FAZ spricht von einem Triumph Helmut Kohls. Aber uns drücken die Probleme zu Hause. Kohl wünsche eine große Öffentlichkeitskampagne unter dem Motto: "Wir schaffen es", um der wachsenden Sorge in der Bevölkerung entgegenzuwirken, daß die Einführung der Währungsunion die Stabilität der D-Mark gefährden könnte, wie das in Umfragen zum Ausdruck kommt.

In Berlin findet die zweite Runde der Zwei-plus-Vier-Gespräche auf Beamtenebene statt. Sie kommt über die Behandlung von prozeduralen Fragen nicht hinaus. Jedoch gelingt es, die sowjetische Delegation dazu zu bewegen, auf den Begriff "Friedensvertrag" als besonderen Tagesordnungspunkt der weiteren Gespräche zu verzichten.

Die sechs Delegationen bestätigen noch einmal die vier Themenbereiche der künftigen Außenminister-Sitzungen: Grenzfragen, politisch-militärische Fragen, Berlin-Probleme sowie abschließende völkerrechtliche Regelung und Ablösung der Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte. Der letzte Punkt besagt, daß ein völkerrechtlicher Akt erforderlich sein wird, um die Ablösung der Viermächterechte und -verantwortlichkeiten zu formalisieren.

Die sowjetische Delegation wird vom Leiter der dritten westeuropäischen Abteilung des sowjetischen Außenministeriums, Alexander Bondarenko, geleitet. Seit über zwanzig Jahren ist er für die deutschen Fragen verantwortlich. Wegen seines kahlen Kopfes und seiner dogmatischen Ansichten nennen wir ihn nur den "Eisenschädel". Gelegentlich fragen wir uns, ob nicht ein Teil unserer Probleme darin liegt, daß mit Bondarenko, Falin, Sagladin, Portugalow und Kwizinskij eine "deutsche Mafia" Gorbatschow und Schewardnadse berät, die schon zu Gromykos Zeiten in wichtigen Funktionen tätig war, wobei manche heute deutlich flexibler und offener sind als früher.

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