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Aus dem politischen Tagebuch von Horst Teltschik

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Donnerstag, 31. Mai 1999

In Washington beginnt heute der amerikanisch-sowjetische Gipfel. Erklärungen beider Präsidenten und der beiden Pressesprecher vermitteln den Eindruck, daß von beiden Seiten neue Ideen, insbesondere zur Frage der Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO, vorgetragen worden sind, die zu einer Annäherung der Standpunkte führen könnten. Erneut wurde das gemeinsame Bemühen, in dieser schwierigen Frage einen Kompromiß zu finden, hervorgehoben. Gorbatschow spricht davon, daß am Ende eine Lösung stehen müsse, die die Sicherheit der Sowjetunion und anderer Länder nicht verringere und zugleich die positiven Prozesse in Europa nicht negativ beeinflusse. Bush erklärt, daß sie nicht in der Lage seien, in Washington die deutsche Frage in ihrer Gesamtheit zu lösen. Ihn habe jedoch die Erklärung Gorbatschows, daß die Differenzen verringert worden seien, ermutigt ...

Sonntag, 3. Juni 1990

Die heutige Abschlußpressekonferenz von Bush und Gorbatschow in Washington beweist, daß der Gipfel eine der erfolgreichsten Begegnungen zwischen den Führungen beider Weltmächte war. Nicht nur die Zahl der Vereinbarungen, sondern auch die Absichtserklärungen unterstreichen den Willen beider Seiten, die Zusammenarbeit weiter zu intensivieren. Busch hat Wort gehalten und Gorbatschow als gleichberechtigten Partner behandelt und herausgestellt. Damit hat der Gipfel die Position Gorbatschows auch zu Hause gestärkt.

In seiner Eingangserklärung bestätigt Bush die generelle Einschätzung, daß die Chancen, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, noch nie so groß wie heute gewesen seien. Jetzt sei die beste Gelegenheit in der Nachkriegszeit, das vereinte Europa zu schaffen. Beide Seiten seien sich einig, möglichst einmal im Jahr zusammenzutreffen. Solche regelmäßigen Gipfeltreffen wären vor allem für uns Europäer von großer Bedeutung. Gerade die vergangenen Jahre haben bewiesen, daß die Möglichkeiten für die Europäer, die Beziehungen zur Sowjetunion und untereinander zu entwickeln und zu intensivieren um so größer sind, je besser sich die Beziehungen zwischen den beiden Weltmächten gestalten. Gorbatschow widerspricht Bushs Feststellung nicht, es gebe volle Übereinstimmung darüber, daß die NATO-Mitgliedschaft Deutschlands eine Angelegenheit sei, die die Deutschen im Einklang mit der Schlußakte von Helsinki selbst entscheiden müßten. Das ist eine Sensation, und wenn es dabei bleibt, wäre das ein großer Fortschritt in einer zentralen Frage des deutschen Einigungsprozesses.

Gorbatschow bezeichnet den Gipfel als ein Ereignis von enormer Bedeutung nicht nur für die bilateralen, sondern auch für die internationalen Beziehungen insgesamt. Er erklärt, die äußeren Aspekte der deutschen Einheit hätten in Washington nicht gelöst werden können; das sei aber auch nicht zu erwarten gewesen. Er betont jedoch ausdrücklich, daß die beiderseitigen Bemühungen nicht vergebens gewesen seien. Es habe einen Meinungsaustausch gegeben, in dem neue Argumente vorgebracht worden seien, die möglicherweise zu neuen Perspektiven führen werden. Er hoffe auf eine für beide Seiten akzeptable Lösung; die Sowjetunion wolle bei der Herstellung der deutschen Einheit keinen Sand ins Getriebe werfen. Erfreulich ist seine Aussage, daß die internen Prozesse und die äußeren Aspekte der deutschen Einheit synchronisiert werden sollen. Damit schneidet er die beim ersten Zwei-plus-Vier-Ministertreffen in Bonn geäußerten Überlegungen Schewardnadses ab, beide Bereiche voneinander abzukoppeln. Der Kanzler ist in seiner Haltung bestätigt.

Wie erfolgreich der Gipfel insgesamt verlaufen ist und wie groß das Bemühen beider Seiten um Harmonie war, zeigt die Abschiedszeremonie. Ein heiterer, gelassen und zufrieden wirkender Gorbatschow verabschiedet sich von einem selbstbewußten und entspannten Gastgeber Bush. Kohl weist in einer öffentlicher Erklärung, die ich telefonisch mit ihm abgestimmt habe, darauf hin, daß der Gipfel die internationalen Rahmenbedingungen für den deutschen Einigungsprozeß weiter verbessert habe. Er gibt seiner Zuversicht Ausdruck, daß die inneren und äußeren Aspekte der deutschen Einigung jetzt zeitgerecht gelöst werden können. Das gelte auch für das Problem der Bündniszugehörigkeit eines geeinten Deutschland. Der Kanzler bekräftigt die Feststellung beider Präsidenten, daß es gemäß der KSZE-Schlußakte und der UNO-Charta Sache der Deutschen sei, darüber selbst zu befinden.

Nach dem Ende seiner Gespräche mit Gorbatschow in Camp David ruft Bush Kohl nachts noch in Ludwigshafen an, um ihn zu unterrichten. Gleich anschließend berichtet mir der Kanzler am Telefon, daß Bush von einem sehr guten Gesprächsklima mit Gorbatschow in Camp David gesprochen habe. Das persönliche Verhältnis entwickelte sich sehr positiv. In der deutschen Frage sein noch kein Durchbruch erzielt, aber Bush halte einen solchen jetzt für möglich. Baker telefoniert gleichzeitig mit Genscher. Noch nie hat es so enge und intensive Unterrichtungen und Konsultationen zwischen dem Weißen Haus und dem Bundeskanzleramt sowie zwischen den Außenministern gegeben. Der Schulterschluß ist eindrucksvoll und außerordentlich erfreulich.

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