Asset-Herausgeber

Eröffnungsrede der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Dr. Rita Süssmuth

Asset-Herausgeber

228. Sitzung

Berlin den 4. Oktober 1990

Beginn: 10.00 Uhr

Präsidentin Dr. Süssmuth: Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.

Nach 57 Jahren versammeln wir uns als frei gewählte Abgeordnete des ganzen deutschen Volkes hier im Reichstag in Berlin.

(Beifall im ganzen Hause)

Ein freies und geeintes Parlament in einem freien und geeinten Berlin, in einem freien und geeinten Deutschland - welch ein Tag in der parlamentarischen Geschichte unseres Landes!

Ich begrüße alle hier im Plenarsaal anwesenden Damen und Herren, insbesondere die 144 von der Volkskammer in den Bundestag gewählten Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall im ganzen Hause)

zusammen mit jenen, die bis zum 3. Oktober in der Volkskammer außergewöhnliche parlamentarische Arbeit geleistet haben.

Auf der Tribüne hat der Herr Bundespräsident Platz genommen.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich begrüße Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, ganz besonders herzlich zu dieser Sitzung des Deutschen Bundestages. Ihre Anwesenheit unterstreicht für uns die Bedeutung dieser ersten Sitzung, die wir gemeinsam mit unseren neuen Kolleginnen und Kollegen hier im Berliner Reichstag erleben können.

Ich begrüße auf der Tribüne den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Enrique Baron Crespo mit den deutschen Europaabgeordneten.

(Beifall im ganzen Hause)

Durch Sie, Herr Präsident, und unsere Abgeordneten wird die Einbindung Deutschlands in die Europäischen Gemeinschaft und damit in die friedvolle und partnerschaftliche Politik mit allen unseren Nachbarn sichtbar.

Ich begrüße die ehemaligen Stadtkommandanten, denen ich für ihre langjährige verantwortungsvolle Arbeit danke.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN und der PDS)

Wir danken den Schutzmächten des über 40 Jahre freien Teils dieser Stadt: den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich, deren entschlossene Präsenz den Frieden und die Freiheit im freien Teil Berlins garantiert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN und der PDS)

Wir danken aber auch dem sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow für seinen mutigen Beitrag zur friedlichen Lösung der deutschen Frage.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich begrüße auch herzlich die Botschafter, die an unserer Sitzung heute teilnehmen. Wir sind uns bewusst, mit welchen Erwartungen an die Zukunft die Welt in diesen Tagen auf Deutschland schaut.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich begrüße den Herrn Regierenden Bürgermeister und die Mitglieder des Senates von Berlin.

(Beifall im ganzen Hause)

Unter den zahlreichen weiteren Ehrengästen begrüße ich mit besonderer Freude auch den früheren Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik, den Kollegen Herrn Josef Felder.

(Lebhafter Beifall im ganzen Hause)

Sie haben es sich trotz Ihres hohen Alters nicht nehmen lassen, an diesem Tag die Reise von München nach Berlin anzutreten. Für Sie, sehr geehrter Herr Felder, wird es eine tiefe Genugtuung sein, nach 57 Jahren die Sitzung eines deutschen Parlaments in diesem Hause zu erleben, dessen Mitglieder die frei gewählten Vertreter des deutschen Volkes sind. Wir wissen, was Ihnen dieser Tag bedeutet.

Ich möchte nicht versäumen, aus diesem Anlass auch den hochbetagten ehemaligen Reichstagsabgeordneten Herrn Hugo Karpff von hier aus zu grüßen, der gleichfalls gern bei uns gewesen wäre, aber dessen Gesundheit dies nicht mehr zulässt.

Ich begrüße herzlich die Altbundespräsidenten Scheel und Professor Carstens,

(Beifall im ganzen Hause)

die ehemaligen Bundestagspräsidenten von Hassel und Barzel

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, und der FDP)

und ihre Nachfolger im Amt, die noch Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind, Annemarie Renger, Richard Stücklen und Philipp Jenniger.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP sowie Abgeordneten der GRÜNEN und der PDS)

Mein Gruß gilt sodann den Präsidenten der Landtage, den ehemaligen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates und zahlreichen ehemaligen Kollegen. Sie sind alle herzlich willkommen.

(Beifall im ganzen Hause)

Dieser Reichtag steht für Aufstieg und Fall der Demokratie in Deutschland. Von einem Balkon dieses Gebäudes aus hat am 9. November 1918 Philipp Scheidemann die Republik ausgerufen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN sowie Abgeordneten der PDS)

Der Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. zum 28 Februar 1933, der das Gebäude weitgehend zerstörte, gab das Signal zu der ersten Welle der Verfolgung von Gegnern des Nationalsozialismus. Am Ende des Krieges war dieses Haus nur noch eine Ruine, bis schließlich 1965 der Beschluss gefasst wurde, es wiederherzustellen und für parlamentarische Zwecke zu nutzen.

Auf dem Westgiebel dieses Gebäudes steht die Inschrift "Dem Deutschen Volke". Wir haben dies in der Zeit der Trennung immer als eine Mahnung empfunden, für die Verwirklichung der Demokratie in ganz Deutschland einzutreten. Mit der heutigen Sitzung kann dieses Haus wieder seiner eigentlichen Bestimmung, der parlamentarischen Demokratie in Deutschland, dienen. Hier soll für das Wohl des ganzen Volkes gearbeitet werden.

(Beifall im ganzen Hause)

Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Politik der ersten gesamtdeutschen Bundesregierung

Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung hat der Herr Bundeskanzler.

Quelle: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 11. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Plenarprotokolle 11/219 - 11/236, 8. August 1990 - 22. November 1990

Asset-Herausgeber