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„Keine Basis für Optimismus“

Vor dem Nahost-Gipfel in Washington

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Die Siedler brechen den Baustopp in der Westbank, kurz bevor die bilateralen Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern in Washington beginnen sollen. Lars Hänsel, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem, hofft, dass dies die Gespräche nicht verhindert - sieht aber viel fundamentalere Gründe für ein mögliches Scheitern der Verhandlungen.

Herr Hänsel, wir hören von einer erhöhten Anschlagsgefahr, einer verschärften Sicherheitslage. Wie erleben Sie die Situation derzeit, kurz vor den beginnenden bilateralen Gesprächen?

Hänsel: Diese Anschlagsserie, die wir jetzt in den letzten zwei Tagen erlebt haben, ist von manchen durchaus auch erwartet worden. Es wurde erwartet, dass extremistische Kräfte versuchen werden, die anstehenden Gespräche zu untergraben. Zu diesen Anschlägen hat sich die Hamas bekannt. Und hier in Israel wird das nicht nur als ein Schlag gegen Israel gesehen, sondern insbesondere auch gegen Mahmud Abbas. Und für viele Israelis zeigen diese Anschläge, dass die palästinensische Autonomiebehörde und Mahmud Abbas noch nicht für Sicherheit in der Westbank garantieren kann und die Hamas auch in der Westbank, nicht nur im Gazastreifen, sondern auch in der Westbank in der Lage ist, Anschläge zu verüben und damit eben auch die Autorität von Mahmud Abbas zu untergraben.

Außerdem ist die Sorge der Israelis, dass die Hamas sehr stark auch mit dem Iran verflochten ist. Das heißt, immer wenn die Hamas in Aktion tritt, wird natürlich auch immer wieder die Bedrohung durch den Iran mit gesehen und spielt in der Wahrnehmung dieser Anschläge auch eine Rolle. Und das Hauptproblem ist, dass die Akteure, die das Potenzial haben, die Gespräche zu torpedieren, dass man noch keine Antwort gefunden hat, wie man mit ihnen umgehen soll: Hamas, aber auch im Hintergrund der Iran.

Eine der großen Streitpunkte ist ja auch der Baustopp für jüdische Siedlungen im Westjordanland, den Siedler jetzt gebrochen haben als eine Konsequenz der Anschläge, die Sie eben angesprochen haben. Was bedeutet das jetzt für die Verhandlungen in Washington?

Hänsel: Die Akteure in Washington, sowohl Obama als auch Netanjahu, haben deutlich gemacht, dass sie sich von dem Bruch des Siedlungsstopps jetzt nicht beeindrucken lassen wollen. Und ich gehe mal davon aus, dass diese unmittelbare Aktion jetzt keine unmittelbaren Auswirkungen haben wird auf den Verhandlungsprozess. Aber die Frage der Siedlungen ist in der Tat ein wichtiges Problem, vor allem für Benjamin Netanjahu. Der Siedlungsstopp, den er angekündigt hatte, läuft formal am 26. September aus und Netanjahu muss sich entscheiden, ob er das Moratorium weiterführt, was ihn in größere Schwierigkeiten wieder mit den Siedlern bringen könnte, gerade jetzt nach den Anschlägen der Hamas. Aber auf der anderen Seite verliert er natürlich damit dann auch die Unterstützung von Obama und der internationalen Gemeinschaft jetzt auf dem Weg zu Verhandlungen mit den Palästinensern, ein großes Dilemma.

Was aber wichtig ist, dass die Amerikaner erkannt haben, dass man den Verhandlungsprozess und die Frage der Siedlungen entkoppeln muss. Und deshalb haben sie darauf gedrungen, dass die Verhandlungen aufgenommen werden, noch lange bevor dieser Siedlungsstopp ausläuft.

Gibt es denn in dieser Frage überhaupt eine für beide Seiten akzeptable Lösung?

Hänsel: Benjamin Netanjahu hat darauf hingewiesen, dass die Frage der Siedlungen Teil der Verhandlungen sein muss. Das heißt, man wird in diesen direkten Verhandlungen jetzt auch über diese Frage sprechen. Mit der Frage der Siedlungen ist vor allem die Grenzfrage verbunden: Wo soll konkret die Grenze zwischen einem zukünftigen palästinensischen Staat und Israel verlaufen. Hier gibt es ein Prinzip schon seit den Osloer Verträgen, dass man Landtausch akzeptiert. Die Frage ist jetzt, in welchem Umfang und wo genau. Aber das Prinzip, dass man sozusagen jüdische Zentren in der Westbank an Israel angliedert und dafür die Palästinenser kompensiert, das ist ein anerkanntes Prinzip in den Verhandlungen bisher gewesen und darauf wird es dann wahrscheinlich auch hinauslaufen. Aber über die Einzelheiten muss man sich noch verständigen.

Durch die erneuten Anschläge und den gebrochenen Baustopp wächst nun der Druck, der auf den Verhandlungen lastet, er wird noch größer. Wie viel Raum bleibt da überhaupt für tatsächliche Entscheidungen?

Hänsel: Hier sind die Meinungen generell eher sehr verhalten, was die Aussicht auf Erfolge der Verhandlungen betrifft. Ich würde mindestens dafür drei Gründe sehen. Das eine ist, dass die Verhandlungen jetzt auf massiven amerikanischen Druck zustande gekommen sind. Das war keine Intention unmittelbar der Verhandlungspartner, wobei man sagen muss, dass sich die Palästinenser gegen direkte Verhandlungen gewehrt haben, Netanjahu hat sich immer wieder für direkte Verhandlungen ausgesprochen. Aber wie gesagt, es ist jetzt nicht eine Initiative der Verhandlungspartner gewesen, sondern massiver amerikanischer Druck. Das ist der erste Punkt.

Der zweite ist: Die bisherigen Versuche der Amerikaner, zu vermitteln, auch in den indirekten Gesprächen, haben bisher überhaupt keine Erfolge gezeitigt. Das heißt also, es gibt auch keine Basis für einen Optimismus, warum es jetzt mit den direkten Verhandlungen unmittelbar auch positiv weitergehen könnte. Die Palästinenser haben auch bisher noch nicht reagiert auf Angebote, die etwa Ehud Olmert gemacht hat. Man fragt sich hier, was ist eigentlich die Basis für Optimismus, warum es jetzt funktionieren soll.

Aber das Hauptproblem - und das ist der dritte Punkt - sehe ich darin - und das ist übrigens auch in den beiden Reden sehr deutlich geworden, sowohl von Netanjahu als auch von Mahmud Abbas -, dass die Ziele beider Seiten grundsätzlich sehr verschieden sind. Netanjahu hat gesagt, dass sein Interesse jetzt ist - und das hat er ganz deutlich betont -, den Konflikt ein für alle Mal zu beenden. Die israelische Seite ist daran interessiert, den Konflikt zu beenden, während Mahmud Abbas sehr stark in den Vordergrund gestellt hat das Ende der Besatzung, die 1967 begonnen hat mit dem Sechs-Tage-Krieg, und die Schaffung eines palästinensischen Staates. Und das sind eben nicht notwendigerweise die gleichen Dinge, Ende des Konfliktes und Ende der Besatzung. Deshalb sind hier viele auch sehr pessimistisch, weil sie sehen, dass die Interessen von beiden Seiten sehr unterschiedlich sind und ein Ende des Konfliktes selbst mit der Gründung eines palästinensischen Staates eben nicht notwendigerweise verbunden ist.

Mit freundlicher Genehmigung des Deutschlandradios.

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