„Im fortwährenden Kampf um die Herrschaft der Freiheitsidee, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die Nationen unseres Kontinents zu einer europäischen Schicksalsgemeinschaft verbunden.“ Mit diesen Worten erinnerte Stephan Harbarth, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts am 27. April 2023 bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung an die Revolution von 1848/49 in Deutschland und Europa. Die abendliche Festrede in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin war dem Einfluss der Verfassung des Deutschen Reichs vom 28. März 1849 – der Paulskirchenverfassung – auf die deutsche Verfassungsgeschichte gewidmet. Vor allem „mit ihren Grundrechtsverbürgungen“, so Harbarth, habe sich „die Paulskirchenverfassung eindrücklich in die deutsche Freiheitsgeschichte eingeschrieben.“ Die deutsche Freiheitsgeschichte sei dabei Teil der europäischen Freiheitsgeschichte seit 1789. Keine Kraft sei stark genug, fügte Harbarth hinzu, „die Ideen von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf Dauer auszuschalten“.
Zuvor hatte Norbert Lammert, der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, in seiner Ansprache zur Eröffnung des Festaktes hervorgehoben, dass Deutschland zwar eine „eine recht überschaubare“, aber doch „eindrucksvolle Freiheits- und Demokratiegeschichte“ habe. Auch, wenn das doppelte Ziel der Erlangung demokratischer Reformen und nationaler Einheit 1848/49 „offenkundig zu ehrgeizig“ gewesen sei, müsse man sich bewusst sein, „dass es unsere Verfassung, das Grundgesetz mit seinem Katalog einklagbarer Grundrechte, ohne die Paulskirchenverfassung gar nicht gäbe – obwohl oder vielleicht auch gerade weil sie nie in Kraft getreten ist.“
Im Anschluss an seinen Vortrag diskutierte Harbarth gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig von der Universität Passau und zwei Stipendiaten der Stiftung – Marlin Mayer und Marcel Tillmann – über das Erbe der liberalen Bewegung in Deutschland und Europa. Durch die Diskussion führte Meike Rosenplänter von Deutschlandfunk Nova. Für den festlichen Rahmen dieser Abendveranstaltung sorgten Verena Schulte (Flöte) und Josephine Mücksch (Klavier), beide Altstipendiatinnen der Stiftung, mit der Darbietung von Stücken von Clara Schumanns und Lili Boulanger.
Dem Festakt war eine Diskussion von Experten der Geschichte der Revolution von 1848/49 vorausgegangen. In seiner Begrüßung mahnte Michael Borchard, der Leiter Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Kampf um die Freiheit auch in der Gegenwart gegen Extremisten jeder Couleur fortzusetzen.
Anschließend sprachen Thomas Brechenmacher (Universität Potsdam), Sabine Freitag (Universität Bamberg), Ulrike von Hirschhausen (Universität Rostock) und Andreas Schulz (Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien) unter der Moderation von Matthias Oppermann, Leiter Zeitgeschichte der Stiftung, über die Ursprünge und den Charakter der Revolution von 1848/49. Besonders kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob die Revolution 1848/49 gescheitert sei. Mit Blick auf das unmittelbare Ergebnis sei die Revolution in der Tat gescheitert, so das Fazit, während sie langfristige gesellschaftliche Folgen gehabt habe, die durchaus etwas verändert habe.
Einigkeit herrschte bei den Teilnehmern über die große Bedeutung, die das Paulskirchenparlament für die Entwicklung einer parlamentarischen Kultur in Deutschland gehabt habe. Dass das Parlament bald zerstritten gewesen sei, habe vor allem an zwei Punkten gelegen: Erstens an den unterschiedlichen Haltungen der Abgeordneten zum Fortbestand der Monarchie und zweitens an der Definition der Grenzen des zu schaffenden deutschen Nationalstaats.
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