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Im Schatten der Pyramide

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Kommt man am Aventin entlang der Via Marmorata in Richtung Via Ostiensis, schaut in hellen Travertin Farben die Spitze einer Pyramide heraus. Eine Fatamorgana? Nein, im antiken Rom gab es Gräber in Pyramidenform, ein Abglanz derjenigen, die man in Ägypten gesehen hatte. Das einzig erhaltene Grab in dieser Form ist diese Pyramide des Caius Cestius aus der Zeit des Kaisers Augustus an der Via Ostiense. Im 3. Jh. wurde sie als Bastion in die Aurelianische Mauer integriert. Die einfachen, klaren kristallinen Formen ohne jede Dekoration hatten schon Goethe fasziniert.

 

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Cestius Pyramide

Nach der Antike blieb dieses Quartier über Jahrhunderte unbewohnt und verlassen. Nur Pilger bahnten sich einen Weg zur Pauluskirche entlang der Via Ostiensis. Um 1700 lagen um die Pyramide Maulbeerplantagen für die Seidenproduktion. Geht man rechts an den hohen Einfassungsmauern des antiken Grabmals weiter, kommt man zum Eingang des Akatholischen Friedhofs.

 

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Akatholischer Friedhof

Treten wir ein! Pinien, Zypressen, Palmen und der Duft von Orangenbäumen erwarten uns. Katzen sonnen sich auf den Grabsteinen. Diese Idylle scheint die Angst vor dem Tode mildern zu wollen. Was für ein malerischer, romantischer, aber auch melancholischer Ort. Seit der Antike mit dem Totenkult verbunden und wie geschaffen für die letzte Ruhestätte der in Rom verstorbenen Reisenden, Gelehrten, Künstler und Dichter. Bis heute ist dieser Friedhof den Ausländern vorbehalten, die nicht dem katholischen Glauben angehören. Der Träger des Friedhofs ist seit 1819 eine Vereinigung der diplomatischen Vertretungen Englands, Deutschlands, Schwedens und Russlands.

Ein Grab an der Pyramide hatte sich Goethe gewünscht, sollte er während seines Romaufenthalts hier sterben. In keiner anderen Stadt hatte Goethe die Präsenz von Tod und Vergänglichkeit so stark erlebt wie in Rom und gerade darin eine Aufforderung zum Leben erkannt.

Als der Engländer Sir William Ellis 1732 in Rom starb, sollte er nach päpstlichen Regeln wegen seiner protestantischen Religion am Muro Torto begraben werden, einer unwürdigen Grabstätte für Mörder, Prostituierte und nicht Bußfertige. Der im römischen Exil lebende englische Thronanwärter Jakob III. Stuart konnte diesen Gedanken nicht ertragen, da Ellis ihm als treuer Schatzmeister gedient hatte. Nach langen Bitten um päpstliche Erlaubnis, durfte Sir Ellis weit weg vom Vatikan und ohne Grabstein an der Pyramide beerdigt werden. Aber die eigentliche Geburtsstunde des Friedhofs für ausländische Nichtkatholiken war schon 1716, wie man jüngst herausfand. Dieses erste dokumentierte Grab war das des Botanikers William Arthur, der 1716 vom englischen Hof nach Rom kam, im gleichen Jahr hier verstarb und mit päpstlicher Erlaubnis an der Pyramide beigesetzt. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts hieß dieser Ort an der Pyramide ganz offiziell „Il cimitero degli eretici“, also Friedhof der Häretiker. Es war über die Jahrhunderte hinweg das Schicksal vieler Bildungsreisender und Künstler, dass sie der Tod in Rom ereilte. Bis heute sind es ca 4000 Gräber, davon 175 deutsche Künstlergräber. Für die „transalpinen Ketzer“ galten ab 1822 im katholischen Rom genaue Beerdigungsvorschriften.

 

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Akatholischer Friedhof. Grab Karl Philipp Fohr

Beginnen wir mit einem Spaziergang im ‚Alten Bereich’, direkt an der Pyramide gelegen, der zu einem Gang durch die europäische Kulturgeschichte einlädt. „Die Inschriften verkünden, wer diejenigen waren, die der Tod hierher gebracht hat. Nachdenklich liest der Wanderer ihre Namen. Er liest das Jahr, in dem ihnen ein Name gegeben und genommen wurde. Doch was an Freuden und Leiden zwischen diesen beiden Jahreszahlen liegt, das weiß er nicht.“ (Axel Munthe). Zu den ersten Gräbern gehört das des Oxford Studenten Georg Langton, der 1738 mit 25 Jahren in Rom starb. Daneben das älteste deutsche Grab des jungen Barons von Werpup aus Hannover, kaum hatte er Rom verlassen, fiel er tot aus seinem Wagen. Auf einem Bodengrab inmitten der Wiese lesen wir den Namen Karl Philipp Fohr, ein junger Maler aus Heidelberg. Er war die Hoffnung der romantischen Landschaftsmalerei. Nach zwei Jahren in Rom ertrank er mit 23 Jahren im Tiber. Seine Werke im Heidelberger Kurpfälzischen Museum haben ihn überlebt.

 

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Akatholischer Friedhof. Grabdenkmal Fam. Axel Munthe.

An der Grenzmauer eine Gedenktafel für Axel Munthe, den schwedischen Arzt, der so lange in Rom gelebt und gearbeitet hatte Er starb 1949 in Stockholm. Seine Asche wurde ins Meer gestreut. Seine beiden Söhne, John Axel Viking Munthe und Malcolm Grane Munthe und Hilda Munthe, die zweite Frau von Axel Munthe liegen hier begraben. Dem Weg folgend, finden wir das Grab des englischen Dichters John Keats. Er war 1821 schon krank nach Rom gekommen und starb vier Monate später mit 26 Jahren. Er hatte sich gewünscht, hier begraben zu werden, an diesem Ort, wo Veilchen und Windröschen blühen. Dieser Gedanke erleichterte ihm den Tod. Ihm war nur eine kurze Zeit gegeben, sein poetisches Genie auszudrücken. ‚Here lies One Whoes Name was writ in Water’ lesen wir. Daneben das Grab seines Freundes, dem britischen Konsul und Maler Joseph Servern und dessen kleinem Sohn. Wenige Schritte weiter stehen zwei abgebrochene Säulen für die beiden zu früh verstorbenen Kinder von Wilhelm von Humboldt, der seit 1802 als preußischer Gesandter mit der Familie in Rom residierte. Das gleiche Schicksal ereilte die beiden Kinder des preußischen Gesandten Karl Josias von Bunsen, wie wir auf einem Quaderstein mit Eckpalmetten lesen.

 

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Akatholischer Friedhof. Grab der Kinder Humboldt

Nach 1822 wurde dieser ‚Alte Bereich’ des Friedhofs geschlossen und als historisches Denkmal erhalten. Die deutsche Botschaft erwarb 1894 ein angrenzendes Stück Land von 3000 qm, den sogenannten „Neuen Friedhof“. In einer der ersten Reihen unter einem Baum das Grab von August Kestner, Jurist, Archäologe und Gesandtschaftssekretär Hannovers, der seit 1817 in Rom lebte. Es scheint wie eine Ironie, denn Kestner war im realen Leben der Sohn von Charlotte Buff-Kestner aus Wetzlar, „Goethes Lotte“ in den „Leiden des jungen Werther“. Jetzt liegen Lottes Sohn August und Goethes Sohn August vereint auf dem römischen Friedhof. Ausgerechnet Kestner wurde ein guter Freund von Goethes Sohn während dessen römischen Aufenthalts 1830. Es war Kestner, der August in seinen letzten Tagen begleitete, dann seine Beerdigung organisierte und die Todesnachricht an den Vater Goethe schrieb.

 

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Akatholischer Friedhof. Grab August Kestner

Dem Hinweis „Goethes Filius“ folgend kommen wir zu den Zypressen vor der oberen Mauer, wo sich einige bedeutende Gräber konzentrieren. Auf einer abgebrochenen Säule das Portraitrelief des deutschen Dichters Wilhelm Waiblinger aus Heilbronn. Er war aus Liebeskummer nach Rom geflohen, ohne alle Privilegien und finanziellen Mittel. Wie die Säule brach sein Leben mit 26 Jahren ab. Er hat uns wunderschöne Romgedichte hinterlassen. Eine Gedenktafel befindet sich an seinem Wohnhaus in der Via Mascherone an der Pizza Farnese. Weiter unten das Grab von Malvida von Meysenbug, einer deutschen Schriftstellerin aus Kassel, die 1852 wegen ihrer sozialdemokratischen Gesinnung aus Berlin geflohen war. Sie lebte in London, Paris, Florenz und schließlich in Rom. Sie schrieb für die Frauenbewegung und war mit Wagner, Nietzsche und Lou Andreas-Salomé befreundet. Daneben der Grabstein des preußischen Gesandten am Heiligen Stuhl in Rom, Hans Otto Theodor von Bülow, ein Verwandter des deutschen Reichskanzlers Bernhard von Bülow und des Dirigenten Hans von Bülow.

 

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Akatholischer Friedhof. Goethe Filius

Im Schutz der beiden Zypressen das Grab von „Goethe Filius Patri Antevertens Obiit“, Goethes Sohn, dem Vater vorauseilend. Nur im Tode war August dem Vater um zwei Jahre zuvorgekommen. Sein Vorname erscheint nicht auf dem Grabstein, die Mutter Christiane Vulpius findet keinerlei Erwähnung. August blieb auch im Tode nur Goethes Sohn, das war sein Schicksal. Als er mit 40 Jahren nach Italien aufbrach, ahnte er, dass er nicht mehr nach Weimar zurückkehren würde, „ich werde keinem Menschen fehlen“ schrieb er. August war zu diesem Zeitpunkt depressiv, körperlich und seelisch ausgezehrt und am Ende seiner Kräfte, Goethes Sohn zu sein. Nie hätte der Vater Goethe bei seinem Romaufenthalt 40 Jahre zuvor ahnen können, dass sein einziger Sohn August an diesem Ort begraben würde, den er selbst so anziehend gefunden und mehrmals gezeichnet hatte.

An der oberen Mauer das Grab von Percy Bysshe Shelley, der mit seinem Freund John Keats als die große Hoffnung der englischen Poeten galt. Er lebte seit 1817 mit seiner Frau Mary in Pisa und Rom. Ein Jahr nach Keats Tod ertrank Shelly mit 30 Jahren 1822 bei Viareggio im Meer. Sein Herz brachte man nach England. „Man könnte sich in den Tod verlieben, wenn man an einem so lieblichen Ort begraben wird“, hatte er zu Lebzeiten geschrieben. In seinen Werken drückt sich aus, dass der Dichter wie besessen war von der Sehnsucht nach einer besseren Welt. Die Erinnerung an die beiden englischen Poeten hält das Keats- Shelley Museum an der Spanischen Treppe wach.

 

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Akatholischer Friedhof. Grab Gottfried Semper

In Richtung Kapelle ein monumentaler steinerner Sarkophag mit Girlanden und Inschriften an allen Seiten: Das Grab des großen Hamburger Architekten und „Erfinders“ der modernen Theaterarchitektur, Gottfried Semper, der während einer Romreise 1879 gestorben war. Ein wahrer Kosmopolit, liest man nur die Namen der Städte, in denen er seine Hauptwerke geschaffen hat, vor allem Dresden, wo, er mit der Semper Oper und der Gemäldegalerie das Stadtbild geprägt hat. Wichtige Impulse für seine Architektur hatte Semper bei früheren Italienreisen von antiken Bauten Roms und den Palladio Villen im Veneto erhalten.

Wir haben nur wenige Gräber von bekannten Menschen gesehen. Geht man von den Hauptwegen ab und schlängelt sich durch die schmalen Pfade, entdeckt man viele Grabmäler mit rührenden Widmungen und liebevollen Dekorationen, wie etwa trauernde Engelsfiguren, die ihre Flügel um den Grabstein legen. Auch sieht man hier und da eine russische, arabische und chinesische Grabinschrift. Ein wahrer Ort des Friedens ohne nationale Grenzen. Dieser Friedhof ist nicht eine einfache Ansammlung von Gräbern, sondern es sind Monumente zur Verehrung des Künstler- und Gelehrtengrabes in der Fremde.

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Literatur

Gertraude Stahl-Heimann. Der protestantische Friedhof in Rom, 2000

Text von Kirsch zu Beerdigungsvorschriften in: Unione internazionale degli Istituti di Archeologia. Cimitero Acattolico del Testaccio

Ausstellung in Rom: Casa di Goethe

“Am Fuß der Pyramide. 300 Jahre Friedhof für Ausländer in Rom"

23.9.- 13.11.2016

Link

http://thegreatpyramid.de >> ein in Deutschland von Rem Koolhaas geplantes kollektives gigantisches Pyramidengrab in Sachsen Anhalt

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