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Toleranz als Deckmantel
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Das Recht auf Meinungsfreiheit verbrieft kein Recht auf Blasphemie. Wer die religiösen Gefühle gläubiger Menschen zynisch verletzt, kann sich nicht einfach mit der Phrase liberaler Aufgeklärtheit aus der Affäre ziehen. Auch dann nicht, wenn seine umstrittene Aktion als Kulturappell auf Verfolgung, Folter oder anderes Unrecht aufmerksam machen will.
Gesetzliche Verbote helfen allerdings nur begrenzt gegen Gottesfrevel in Wort und Tat. Konflikte um Religion und Meinungsfreiheit sind hauptsächlich anderswo auszutragen – mitten in der Gesellschaft.
Dieser Grundkonsens einer Diskussionsrunde auf dem Evangelischen Kirchentag ist ein gutes Signal an die deutsche Gesellschaft. Denn hier neigt man wie in vielen westlich-demokratischen Ländern nicht selten dazu, unter dem Deckmantel der Toleranz sämtliche Attacken auf Kultur- und Meinungsfreiheit zu dulden. Das Tauziehen um ein Sendeverbot der primitiven MTV-Fernsehserie „Popetown“ hat das bestätigt. Wo Kultur nicht mehr wachrütteln, sondern nur noch schockieren und demütigen will, muss dann doch der Gesetzgeber zum Schutz ein Machtwort sprechen. Dabei ist es zweitrangig, ob Jesus oder Mohammed zur Zielscheibe des Spotts wird.
Erfreulich ist deshalb, dass auf dem Kirchentagspodium neben christlichen Medienexperten und Theologen auch eine muslimische Journalistin beteiligt war. Denn ein friedliches, interkulturelles Miteinander ist nur auf der Basis gegenseitigen Respekts möglich.
Christentum, Judentum und Islam als monotheistische Weltreligionen brauchen ein gemeinsames Wertefundament. Besteht ein solches, muss es auch beachtet werden.
Die Religionsfreiheit ist als elementares Menschenrecht eine solche Norm. Erst wenn sie weltweit verwirklicht ist, können Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit friedlich miteinander leben - überall. Und dieser Konsens schließt auch Esoteriker und Atheisten mit ein. Toleranz ist keine Frage der Religion, sondern der Humanität.
In punkto religiöser Toleranz ist die westliche vor allem der muslimischen Welt meilenweit voraus. Während hierzulande jeder Mensch seine weltanschauliche Überzeugung selbst bestimmen, ändern oder aufgeben kann, droht Konvertiten in Saudi-Arabien oder Marokko die Todesstrafe. Für islamistische Fanatiker zählt nur das religiöse Rechtssystem der Scharia. Sie brandmarken Andersgläubige in ihren Heimatländern oft pauschal als feindselige Missionare und wollen nichts von Religionsfreiheit wissen.
Folter und Mord sind die Folge, sie zeugen von extremistischem Hass. Hier sind Regierungschefs und Menschenrechtler gefragt, eklatante Missstände zu benennen und nicht vor deren Verursachern zu kuschen. Religionsfreiheit bedeutet nämlich Freiheit der Religionswahl, nicht Befreiung von notwendiger Religionskritik.
Ulrich Heisterkamp