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Argumente gegen die „direkte Demokratie“
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„Direkte Demokratie“ ist mit dem parlamentarischen Regierungssystem nicht vereinbar.
Dieses Argument muss nach den einzelnen Verfahren differenziert werden. Im Fall der Volksgesetzgebung könnte sich eine Konkordanzdemokratie Schweizer Art entwickeln. Eine Auflösung des Parteienwettbewerbs und eine Präsidentialisierung des politischen Systems wären die Folge, wenn die Restriktionen für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf der Länderebene gelockert würden oder Volksgesetzgebung auf Bundesebene eingeführt würde. Von obligatorischen Referenden geht diese Gefahr nicht aus. Sie bringen allerdings einen Abstimmungskonservatismus mit sich, der sich negativ auf die Reformfähigkeit auswirken könnte. Fakultative Referenden oder Volksbefragungen könnten hingegen von Parlamentariern oder Regierungen missbraucht werden, um unliebsame politische Entscheidungen an das Volk zurückzuverweisen und sich aus der Verantwortung zu stehlen.
„Direkte Demokratie“ bringt keinen Freiheitsgewinn für das Volk.
Die Befürworter der „direkten Demokratie“ argumentieren oft, die Bürger hätten hier unmittelbaren Einfluss und wären deshalb freier. Die Plebiszite sind aber nur für die Initiatoren, die die Abstimmungsfrage formulieren, und für die Abstimmenden, die sich mit dem Begehren vollständig identifizieren, ein Freiheitszugewinn. Die Stimmberechtigten haben keinen Einfluss auf eine Fortentwicklung der Abstimmungsfrage.
„Direkte Demokratie“ begünstigt die Exlusion bestimmter sozialer Gruppen und Milieus.
Sowohl bei der Initiative zur Einleitung eines „direktdemokratischen“ Verfahrens als auch in der Abstimmung dominieren Angehörige bildungsnaher und wohlhabender Schichten. Das Parlament bietet demgegenüber einen festen institutionellen Rahmen für gesamtgesellschaftliche Willensbildungsprozesse. Zudem sind an der Wiederwahl interessierte Abgeordnete geneigt, sich möglichst breit mit der Gesellschaft zu vernetzen.
Bei der „direkten Demokratie“ bleiben Verantwortlichkeit und Gemeinwohlorientierung auf der Strecke.
Erweisen sich plebiszitär zustande gekommene Entscheidungen als falsch, können die Initiatoren oder die Abstimmenden nicht zur Verantwortung gezogen werden. Vielmehr muss das Parlament korrigierend eingreifen. Unter diesen Bedingungen besteht kein nachhaltiger Zwang zur Gemeinwohlorientierung bei den Initiatoren von Plebisziten und bei den Abstimmenden.
Das Plebiszit beendet die politische Auseinandersetzung nicht, sondern kann konfliktverschärfend wirken.
Viele Befürworter der „direkten Demokratie“ erhoffen sich von ihr eine befriedende Wirkung, weil das Plebiszit einen Schlusspunkt unter eine politische Auseinandersetzung setzt. Mit den plebiszitären Elementen geht jedoch eine Polarisierung einher, die nicht geeignet ist, unausgefochtene Diskussionen zu beenden.
Der deutsche Föderalismus steht einer Einführung der Volksgesetzgebung auf der Bundesebene entgegen.
Art. 79 Abs. 3 GG garantiert das Mitwirkungsrecht der Länder an der Gesetzgebung des Bundes. Bei der Volksgesetzgebung auf Bundesebene gibt es keine Mechanismen, die eine angemessene Beteiligung der Länder sicherstellen. Verschiedene Lösungsvorschläge wie die doppelte Stimmzählung oder ein Zustimmungserfordernis des Bundesrates sind nicht ausreichend, weil letztlich immer das Bundesvolk entscheidet.
Die negativen Erfahrungen mit der „direkten Demokratie“ in der Weimarer Republik sprechen gegen einen Ausbau der plebiszitären Elemente.
Dieses Argument verkennt, dass nur verhältnismäßig wenige Volksbegehren und Volksentscheide in der Weimarer Republik herbeigeführt wurden, und überschätzt die emotionalisierende Wirkung der Plebiszite sowie deren Einfluss auf die Arbeit des Parlamentarischen Rates 1948/1949.