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„Die Terroristen wollten mit Brüssel die Hauptstadt Europas treffen“

Nach den Terroranschlägen vom Dienstag, bei denen 31 Menschen getötet und mehr als 270 verletzt wurden, herrschen in Brüssel und ganz Europa Trauer und Entsetzen. Der Flughafen Zaventem bleibt noch bis zum Wochenende geschlossen, die belgische Regierung hat die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen und die Polizei fahndet mit Hochdruck nach den Drahtziehern der Anschläge. Müssen die europäischen Sicherheitsbehörden enger zusammenarbeiten? Welche Konsequenzen ergeben sich für die europäische Gemeinschaft? Wie beeinflussen die Anschläge die öffentliche Diskussion über die Migrationspolitik?

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Herr Dr. Gehrold, wie fühlt sich Brüssel nach den Anschlägen an?

Brüssel ist nach den Anschlägen getroffen. Einige Metrolinien fahren nicht, der Flugplatz bleibt vorerst noch geschlossen. Die Menschen sind geschockt, und doch geht das Leben weiter. Der öffentliche Personennahverkehr funktioniert wieder, Schulen, Ämter und Kindergärten sind offen. Auch die KAS in Brüssel arbeitet ab Gründonnerstag wieder. Die ohnehin hohe Polizeipräsenz wurde nochmal erhöht.

Wie reagieren Politik und Gesellschaft auf die Ereignisse, insbesondere die EU?

Es gibt zunächst viele Solidaritätsbekundungen und Hilfeangebote. So bot z. B. die britische Regierung der belgischen die Unterstützung durch MI6-Einheiten an. Viele Regierungen verurteilten die Anschläge. Das alles ist richtig und notwendig. Wichtiger ist allerdings, wie man auf die Entwicklungen langfristig reagiert. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Anschläge die Diskussion über die Migrationspolitik beeinflussen werden. Die polnische Regierung kündigte bereits an, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen.

Auch der Ton gegenüber muslimischen Zuwanderern wird schärfer: Der Vorsitzende der größten belgischen Partei NV-A und Bürgermeister Antwerpens, Bart de Wever, zeigte sich "wütend", dass "Menschen, die hier geboren sind und es hier besser haben als irgendwo auf der Welt, so etwas tun." Dass dann noch die Gesellschaft dafür verantwortlich gemacht würde, machte ihn "rasend". Noch ist unklar, wie die EU reagieren wird. Es scheint aber möglich, dass es Änderungen im Bereich des Datenaustausches und der Erstellung gemeinsamer Datenbanken gibt, damit potentielle Terroristen früher identifiziert und dingfest gemacht werden können.

Einer der Anschläge geschah direkt am Flughafen und einer der Attentäter konnte entkommen. Nun gibt es - wie bereits im November nach den Paris-Attentaten – wieder verstärkte Grenzkontrollen. Wird damit das Schengen-Abkommen in Frage gestellt?

Zunächst nicht, denn Personenkontrollen in den Grenzregionen sind im Schengen-Abkommen sogar explizit vorgesehen. In einem ersten Schritt wird die Kontrollfrequenz jetzt erhöht. Das kann zu Behinderungen vor allem im Straßenverkehr führen. Allerdings ist nicht mehr ausgeschlossen, dass einige Mitgliedsstaaten das Abkommen außer Kraft setzen, um terroristischen Aktivitäten vorbeugen zu wollen. Dann wäre das Abkommen, das ohnehin wegen der Flüchtlingsproblematik, gefährdet ist, tatsächlich grundsätzlich in Frage gestellt.

Wird man sich an den Anblick von Polizei und Militär auf Brüssels Straßen gewöhnen müssen?

An den Anblick schwer bewaffneter Einsatzkräfte hat man sich bereits seit einiger Zeit gewöhnt. Nach den Anschlägen in Paris und den Verhaftungen in Moelenbeek war ja bereits für etwa eine Woche die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen worden. Seit dieser Zeit befindet sich die Terrorwarnstufe auf Niveau 3. Alle Regierungsgebäude und potentiell gefährdeten Botschaften sind schwer bewacht. Das gilt auch für alle U-Bahnknotenpunkten, von denen die Station Maelbeek keiner war. Die Ausweiskontrollen finden jetzt bereits außerhalb der Gebäude der Institutionen statt. Den belgischen Behörden ist nach meiner Einschätzung kein Vorwurf zu machen. Die Sicherheitsmaßnahmen waren der Terrorwarnstufe entsprechend.

Der Anschlag hat die Hauptstadt Europas getroffen. Welche Konsequenzen haben solche Terroranschläge nun auf die europäische Gemeinschaft?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Terroristen nicht Brüssel als belgische, sondern als europäische Hauptstadt treffen wollten. Die betroffene U-Bahnstation Maelbeek liegt nicht im Zentrum der Stadt, aber im Zentrum des Euroviertels. Die Terroristen versprachen sich von diesem Anschlagsort maximale Aufmerksamkeit und maximalen Effekt. Die EU wird sich darüber Gedanken machen müssen, wie sie die Zahl dieser Anschläge, die dem gesamten Westen, der westlichen Kultur und der unserer Form, Gesellschaft zu organisieren, gelten, in Zukunft minimieren kann. Komplett ausschließen wird man derartige Vorkommnisse wohl nicht. Bei der Entwicklung von Gemeinschaftsinstrumenten spielen viele Dinge eine Rolle: Weitere Stärkung des Grenzschutzes, die Weiterentwicklung Europols, eines europäischen Geheimdienstes, gemeinsamer Datenbanken, etc. Ob es dazu kommen wird, hängt vom Willen der Mitgliedsländer ab.

Dr. Stefan Gehrold ist Leiter des Europabüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel.

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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