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Während die Vorstädte der damaligen ostpreußischen Provinzhauptstadt Königsberg den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet überstanden, wurde das Zentrum nahezu vollständig zerstört. Einzig die Ruine des Doms mit der Grabstätte des Philosophen Immanuel Kant erinnert an seine einstige Pracht. Aus einem städtebaulichen Wettbewerb zur Neugestaltung der Innenstadt mit dem Titel „Herz der Stadt“ ging das Sankt Petersburger Architektenbüro „Studio 44“ als Sieger hervor, das seinen Entwurf vorstellte.
Die übergeordnete Idee sei es, das historische Stadtzentrum des einstigen Königsberg ohne Festlegung auf die Wiederherstellung des historischen Erscheinungsbildes mit neuem Leben zu füllen und eine neue Stadtmitte zu schaffen. „Die Insel Kneiphof mit dem Dom wird eine begrünte Fußgängerzone mit Park, die in historischer Anlehnung über sieben Brücken mit den benachbarten Stadtvierteln verbunden werden soll“, erklärte Ivan Kozhin von „Studio 44“. Alle an die Insel angrenzenden Quartiere sollen umgewandelt und bebaut werden, wobei dem ehemaligen Stadtbild in sehr verschiedenen Herangehensweisen Tribut gezollt werden soll. „Unser Hauptaugenmerk wird sich auf die Altstadt richten, wo wir die alten, noch immer begraben vorhandenen, Fundamente der Gebäude von damals neu bebauen wollen.“
Prof. Dr. Hans Stimmann hatte zuvor in den Abend eingeführt und machte die städtebauliche Problematik deutlich, die sich durch Krieg und anschließende Vertreibung ergebe. „Stellen Sie sich einmal vor, die Berliner Innenstadt wäre nicht nur komplett zerstört worden, sondern zusätzlich wäre die Bevölkerung der Stadt vollständig ‚ausgetauscht‘ worden – die heutigen Einwohner Kaliningrads haben keine Erinnerung an die Stadt, wie sie früher einmal war“, so der langjährige Senatsbaudirektor von Berlin und Mitglied der Kaliningrader Expertenjury. Die Innenstadt sei heute weitestgehend „flach“, einzig der Dom, das nie fertig gestellte „Haus der Sowjets“ und ein großes Autobahnkreuz prägten heute das Bild. „Diese Situation ist unbeschreiblich.“
Nach 1991 habe sich mit dem Umbruch in Osteuropa und der Sowjetunion auch ein Wandel in Kaliningrad ergeben. Man habe weder die geplante ‚sowjetische Stadt‘ fertigstellen, noch eine „Shopping-Mall“ errichten wollen, so Stimmann. „Die heutigen Kaliningrader sehen sich als Teil Europas, der auch durch seine kriegsbedingten Verschiebungen geprägt wurde und sie wollten ihre Stadt wieder aufbauen.“ Keine Rekonstruktion aber eine Annäherung an die Historie liege dem Konzept zugrunde. Insgesamt sei es „ein toller Entwurf“, wenn er nach den eigenen städtebaulichen Erfahrungen auch etwas skeptisch sei, „ob die finanzielle Power reicht, um dieses Projekt zu stemmen“.
Jenseits der architektonischen Pläne forderte er alle Besucher dazu auf, Kaliningrad einen Besuch abzustatten. „Wir sollten wieder neugieriger auf unseren Nachbarn Russland werden“, so sein Appell.
Bereitgestellt von
Politisches Bildungsforum Berlin
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