Die Aufholjagd an den Märkten war eindrucksvoll: Der Shanghai Composite Index stieg in der letzten Septemberwoche um etwa 20 Prozent, während der technologieorientierte Shenzhen Component Index rund 30 Prozent zulegte. Beide Indizes verzeichneten damit ihren größten Wochengewinn seit Ende 2008, als Peking ein massives Konjunkturpaket ankündigte, um die Wirtschaft vor den Folgen der US-Finanzkrise zu schützen. Analysten bezweifeln jedoch inzwischen, dass die nun angekündigten Maßnahmen ausreichen, um der Wirtschaft erneut nachhaltige Impulse zu verleihen, wie dies nach der Finanzkrise gelungen war.
Unklarheiten statt Klartext: Finanzminister Lan bleibt bei Wirtschaftsstimulus unkonkret
Die Erwartungen an die Pressekonferenz des chinesischen Finanzministers Lan Fo’an am 12. Oktober waren möglicherweise zu hoch. Beobachter hatten gehofft, konkrete Maßnahmen zur Konjunkturunterstützung zu hören, insbesondere als Anschluss an die vorherigen Ankündigungen der Zentralbank vor den Oktoberferien. Doch wie bereits die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) wenige Tage zuvor vermied auch Lan konkrete Zahlen oder Details zu einem Stimulus-Paket zu nennen. Stattdessen betonte er lediglich, dass die Zentralregierung „Spielraum habe, sich zu verschulden und das Haushaltsdefizit zu erhöhen.“ Zudem kündigte er an, dass spezielle Staatsanleihen ausgegeben werden sollen, um den großen staatlichen Geschäftsbanken bei der Aufstockung ihres Kernkapitals zu helfen, um die Risikofähigkeit und Kreditvergabekapazität zu stärken und so die Entwicklung der Realwirtschaft zu unterstützen.
Ein weiteres Vorhaben besteht darin, den Lokalregierungen künftig zu erlauben, mithilfe von Sonderanleihen brachliegende Grundstücke von in Schwierigkeiten geratenen Bauträgern zu erwerben. Doch konkrete Angaben zur Höhe und zum Gesamtumfang des Konjunkturpakets blieben aus, was Anleger und Analysten enttäuschte. Die Ankündigung, 400 Milliarden Yuan (51,7 Milliarden Euro) aus der Schuldenobergrenze bereitzustellen, um die lokalen Finanzressourcen zu erweitern, konnte diese Enttäuschung nicht lindern. Außerdem sollen 2,3 Billionen Yuan (297,2 Milliarden Euro) aus einem ungenutzten Anleihekontingent für lokale Regierungen bereitgestellt werden.[i]
Obwohl die Maßnahmen zur Schuldenreduzierung der Lokalregierungen und zur Stabilisierung des Immobilienmarktes aus makroökonomischer Sicht solide erscheinen, bemängeln Marktanalysten das Fehlen eines klaren Zeitplans, einer Gesamtsumme und konkreter Details zum Konjunkturplan. Erwartungen gingen von einem Paket in der Größenordnung von 2 bis 10 Billionen Yuan (258 Milliarden bis 1,29 Billionen Euro) aus. Der Pekinger Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, Matthias Kamp, bezeichnete die bisherigen Ankündigungen als „Rohrkrepierer.“[ii]
Optimismus und Ernüchterung: Die wesentlichen Ankündigungen im Überblick
Der ursprüngliche Optimismus war am 24. September ausgelöst worden, als die chinesische Zentralbank, die People's Bank of China (PBOC), Maßnahmen zur Stimulierung der Binnenwirtschaft bekanntgab. Dazu gehört eine Kürzung der Mindestreserven um 50 Basispunkte. Außerdem stellte die PBOC eine weitere Lockerung der Geldpolitik bis zum Jahresende in Aussicht. Um den Immobilienmarkt gezielt zu stützen, sollen die Zinsen auf bestehende Immobilienkredite gesenkt werden, wie der Gouverneur der Zentralbank, Pan Gongsheng, erklärte. Zudem soll die Mindestanzahlungsquote für Zweitwohndarlehen von 25 auf 15 Prozent reduziert werden. Mit diesen Maßnahmen werde dem Finanzmarkt etwa eine Billion Yuan (rund 125,5 Milliarden Euro) an zusätzlicher Liquidität zur Verfügung gestellt, so Pan.[iii] Die Maßnahmen wurden generell als ein Signal der Entschlossenheit gewertet, die wirtschaftliche Stimmung zu verbessern.
Erste Anzeichen der Ernüchterung zeigten sich jedoch bereits am 8. Oktober, als die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission mit einer Pressekonferenz enttäuschte, da konkrete Details zu den angekündigten Maßnahmen fehlten. Zu den wenigen mit Zahlen hinterlegten Ankündigungen gehört die vorgezogene Bereitstellung von 100 Milliarden Yuan (rund 12,93 Milliarden Euro) aus dem Budget für 2025 zur Unterstützung der Lokalregierungen sowie weitere 100 Milliarden Yuan, ebenfalls aus dem Budget für 2025, für Investitionsprojekte bis Jahresende.[iv] Die Kommission versprach auch, kleine Unternehmen zu fördern und den privaten Konsum anzukurbeln, blieb jedoch konkrete Angaben schuldig, wie und mit welchen Mitteln sie diese Ziele erreichen will.
Ausblick
Insgesamt zeigt Chinas Bereitschaft, fiskalische Maßnahmen zu ergreifen, ein wachsendes Bewusstsein für die Dringlichkeit der wirtschaftlichen Herausforderungen. Doch ohne konkrete Details bleibt bislang unklar, wie umfassend und wirkungsvoll diese Maßnahmen tatsächlich sein werden. Anzeichen für eine mögliche Erhöhung des Haushaltsdefizits auf über drei Prozent im kommenden Jahr könnten auf einen Kurswechsel in der Finanzpolitik hindeuten, dennoch erscheint es unwahrscheinlich, dass China kurzfristig wieder als Motor des globalen Wachstums fungieren wird.
Die Wirtschaft des Landes steht vor vielfältigen Herausforderungen – von der anhaltenden Immobilienkrise über hohe Jugendarbeitslosigkeit bis hin zu verschuldeten Lokalregierungen und Deflationsdruck aufgrund schwachen privaten Konsums. Diese Probleme erfordern weit mehr als nur kurzfristige Maßnahmen; insbesondere sind fiskalpolitische Anreize auf der Nachfrageseite dringend notwendig. Um die Konjunktur nachhaltig zu beleben und das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, sind tiefgreifende strukturelle Reformen unerlässlich. Ein Hinweis auf Chinas Bereitschaft, weitergehende Schritte zu unternehmen, war die Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfs durch die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission und das Justizministerium am 10. Oktober. Der Entwurf zielt darauf ab, das Investitions- und Finanzierungsumfeld für Privatunternehmen zu verbessern. Letztlich wird sich zeigen müssen, ob die angekündigten Reformen ausreichen, um die Wirtschaft des Landes nachhaltig zu stabilisieren und China wieder auf den Weg zu einem soliden Wachstum zu bringen. Konkrete Zahlen zum Gesamtumfang der Konjunkturprogramme könnten in wenigen Wochen bekanntgemacht werden. Dann tagt der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, der zusätzliche Impulse beschließen könnte.
[i] Finanzministerium der Volksrepublik China 2024: Verstärkung der antizyklischen Anpassung der Finanzpolitik und Förderung einer qualitativ hochwertigen wirtschaftlichen Entwicklung (Pressemitteilung), abrufbar unter: https://www.mof.gov.cn/zhengwuxinxi/caizhengxinwen/202410/t20241012_3945410.htm, letzter Zugriff: 17.10.2024.
[ii] Kamp, Matthias 2024: Wieder ein Rohrkrepierer: Chinas Finanzminister liefert keine Zahlen zu einem möglichen Rettungspaket für die Wirtschaft, in NZZ, abrufbar online unter: https://www.nzz.ch/wirtschaft/wieder-ein-rohrkrepierer-chinas-finanzminister-liefert-keine-zahlen-zu-einem-moeglichen-rettungspaket-fuer-die-wirtschaft-ld.1852644, letzter Zugriff: 17.10.2024.
[iii] Chinesische Zentralregierung 2024: Mehrere wichtige Maßnahmen! Die Zentralbank, die Finanzaufsichtsbehörde und die Wertpapieraufsichtsbehörde äußern sich aktuell (Pressemitteilung), abrufbar unter: https://www.gov.cn/zhengce/202409/content_6976145.htm, letzter Zugriff: 17.10.2024.
[iv] Chinesische Zentralregierung 2024: Zwei '100-Milliarden'-Beträge werden dieses Jahr vorzeitig zugewiesen, die Unterstützung durch Staatsanleihen für diese Projekte wird verstärkt, abrufbar unter: https://www.gov.cn/zhengce/202410/content_6978762.htm, letzter Zugriff: 17.10.2024.
Themen
Über diese Reihe
Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in rund 110 Ländern auf fünf Kontinenten mit einem eigenen Büro vertreten. Die Auslandsmitarbeiter vor Ort können aus erster Hand über aktuelle Ereignisse und langfristige Entwicklungen in ihrem Einsatzland berichten. In den "Länderberichten" bieten sie den Nutzern der Webseite der Konrad-Adenauer-Stiftung exklusiv Analysen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen.