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KAS und LHR diskutieren Fragen fairer Prozesse und geschlechterspezifischer Gewalt in Äthiopien

Vorstellung neuer Studien

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Prof. Girmachew Alemu - photo KAS
Prof. Girmachew Alemu - photo

Die Verhaftung, strafrechtliche Verfolgung und Bestrafung einer Person ist eine der stärksten Formen der Anwendung staatlicher Gewalt. Diese Art von Staatsgewalt muss jedoch mit Zurückhaltung ausgeübt werden und es müssen Schutzvorkehrungen getroffen werden, um die Rechte der beschuldigten Person während des gesamten Strafverfahrens zu schützen. Dieses wesentliche Instrument, das wir heute als "Recht auf ein faires Verfahren" bezeichnen, ist ein international anerkanntes Menschenrecht, das dazu beiträgt, die materiellen Menschenrechte der Angeklagten zu schützen, und das für die Rechtsprechung in jeder Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist.

Die Bewertung der Standards für faire Gerichtsverfahren in Äthiopien war eines der Themen der Studien, die das KAS-Auslandsbüro Äthiopien/AU kürzlich mit seinem lokalen Partner, Lawyers for Human Rights (LHR), durchgeführt hat. Seit Beginn ihrer Arbeit in Äthiopien setzt sich die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die 2019 als CSO registriert wurde, dafür ein, Äthiopien bei der Verbesserung seiner Menschenrechtsstandards zu unterstützen. Zu diesem Zweck arbeitet sie mit der wichtigen lokalen Menschenrechtsorganisation, LHR, zusammen, die vom Menschenrechtsanwal Ameha Mekonnen geleitet wird, der sowohl als Wissenschaftler  als auch als praktizierender Anwalt über eine langjährige Erfahrung mit vielen wichtigen Menschenrechtsfällen in Äthiopien verfügt. Die zweite Studie befasste sich mit dem aktuellen Stand der geschlechtsspezifischen Gewalt (GBV) in Äthiopien.

Angesichts der Bedeutung von Standards für faire Gerichtsverfahren für Angeklagte untersuchte die erste Studie von Prof. Molalign Asmare die Gesetze und Praktiken für faire Gerichtsverfahren in Fällen von Terrorismus und Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung am Bundesgerichtshof von Äthiopien. Die Studie zeigt unter anderem, dass es an einer starken und reibungslosen institutionellen Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des äthiopischen Strafrechtssystems mangelt. Die Studie zeigt auch, dass sich einige Akteure gegenseitig die Schuld geben und dass es strukturelle Probleme bei der Einrichtung des Büros der Strafverteidiger gibt.

Als Lösungsansätze empfiehlt die Studie Schulungen zum Aufbau von Kapazitäten und die Entwicklung strategischer Mechanismen für die institutionelle Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des Strafrechtssystems, die Einführung rechtzeitiger Abhilfemaßnahmen durch die Gerichte bei rechtswidrigen Handlungen, die von der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Strafverteidigern an den Angeklagten begangen wurden, sowie die Umstrukturierung des Büros der Strafverteidiger, damit es unabhängig und eigenständig arbeiten kann.

Ein weiteres ernstes Problem in Äthiopien, dem nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die Gewalt gegen Frauen. Es handelt sich dabei um eine vielschichtige, kulturell verwurzelte und dennoch kaum sichtbare Menschenrechtsverletzung im Land. Die Studie von Prof. Girmachew Alemu von der Universität Addis Abeba zeigte, dass es in Äthiopien Lücken in den nationalen Gesetzen und Politiken hinsichtlich der Definition von GBV gibt, einen Mangel an Kapazitäten für das Verständnis von GBV, unzureichende Beweise für GBV-Straftaten, einen unzureichenden Einsatz von forensischer Technologie und Probleme im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren. Die Situation wird durch ein mangelndes gesellschaftliches Bewusstsein und den Druck auf die Opfer noch verschärft. Als Maßnahmen empfiehlt die Studie Schulungen zum Aufbau von Kapazitäten für verschiedene Akteure des Justizsystems, eine Überarbeitung der nationalen Gesetze und Politiken, um GBV besser zu definieren, die Strafen zu verschärfen und das Bewusstsein in der äthiopischen Gesellschaft zu schärfen, um die Wahrnehmung und das Verständnis von GBV zu verändern. Wie einige der Teilnehmer sagten, ist die Gewährleistung grundlegender Menschenrechte ein Versprechen, das Äthiopien, welches das Leben aller seiner Bürger verbessern und eine Vorreiterrolle einnehmen möchte, einhalten muss.

Beide von der KAS finanzierten Studien wurden in einem Workshop am 11. Juli 2022 in Addis Abeba vorgestellt. An der gemeinsamen Veranstaltung nahmen Richter und führende Vertreter der Bundesgerichte Äthiopiens, des Justizministeriums, Wissenschaftler verschiedener Universitäten sowie Vertreter verschiedener lokaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen teil.

 

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