Assoziierungsabkommen zwischen dem MERCOSUR und der Europäischen Union (EU)
Nach 20 Jahren Verhandlungsdauer schlossen die Länder des MERCOSUR und die EU am 28. Juni ein Assoziierungsabkommen ab. Mit einem Markt, der über 770 Millionen Menschen umfasst, entsteht somit eine der größten Freihandelszonen der Welt. Innerhalb dieser Freihandelszone soll zukünftig insbesondere der internationale Handel von Landwirtschafts- und Industrieprodukten gefördert werden. So sieht das Abkommen die Abschaffung von fast allen Einfuhrzöllen für Produkte aus dem anderen Block vor. Die EU wird über 80 Prozent der Exporte der MERCOSUR-Länder von Zöllen befreien, während weitere 17 Prozent der Produkte vorteilshaften Handelsbedingungen unterliegen werden. Die Länder des MERCOSUR wiederum erlauben der EU zukünftig 89 Prozent ihrer industriellen Produkte zollfrei in die Länder des MERCOSUR zu exportieren. Eine spezielle Regelung ist für besonders sensible Produkte vorgesehen: für eine Liberalisierung dieser haben die Länder des MERCOSUR insgesamt 15 Jahre Zeit. Der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen rief auf beiden Seiten des Atlantiks sehr gemischte Reaktionen hervor. Während Mitglieder der wirtschaftsliberalen Regierungspartei PRO und der Allianz Juntos por el Cambio das neue Abkommen lobten, äußerten sich Politiker der oppositionellen Allianz Frente de Todos, welcher auch die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner angehört, durchaus kritisch. Der Vizepräsidentschaftkandidat Miguel Ángel Pichetto (Juntos por el Cambio) lobte die geleistete Arbeit, die ein „extrem positives Ereignis für alle Argentinier“ bedeute. Alberto Fernández hingegen, Präsidentschaftskandidat von Frente de Todos, erklärte in einem Tweet, dass die aus dem Abkommen resultierenden „Nachteile für die argentinische Industrie und Arbeit“ mehr als deutlich seien und der Abschluss der Verhandlungen somit mehr Grund zur Sorge als Anlass zur Feier biete. Währenddessen äußerten in Europa vor allem Landwirte und Umweltschützer Kritik am Abkommen. Sie befürchten, dass ein größerer Absatzmarkt für Fleisch und Soja zu einer weiteren Abholzung des Regenwaldes führen wird. Um dies zu verhindern, sind jedoch alle Länder, die das Abkommen unterzeichnen, dazu verpflichtet, internationale Abkommen wie das Übereinkommen von Paris zu respektieren. Darüber hinaus sollte das Freihandelsabkommen zwischen den Ländern des MERCOSUR und der EU nicht allein nach wirtschaftlichen Parametern beurteilt werden. Gerade in Anbetracht der internationalen politischen Lage, die von einer Rückkehr zum Protektionismus und dem Handelskrieg zwischen den USA und China geprägt ist, sendet das Abkommen zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken ein wichtiges politisches Signal für den Freihandel und Multilateralismus. Um endgültig in Kraft zu treten, muss das Abkommen vorerst von den Parlamenten aller Mitgliedsländer ratifiziert werden.
Vorsitzwechsel im MERCOSUR und fortschreitende Integration innerhalb des Blocks
Zeitgleich mit dem Abschluss des Assoziierungsabkommen zwischen den Ländern des MERCOSUR und den Mitgliedsstaaten der EU, endet der argentinische Vorsitz des südamerikanischen Wirtschaftsblocks. Alle sechs Monate rotiert der MERCOSUR-Vorsitz in alphabetischer Reihenfolge zwischen den Mitgliedsstaaten. So übergab der argentinische Präsident Mauricio Macri am 17. Juli den Vorsitz an den brasilianischen Präsidenten, Jair Bolsonaro. Bei einem Gipfeltreffen in der argentinischen Stadt Santa Fe versammelten sich die Präsidenten der MERCOSUR-Länder und den assoziierten Staaten des Wirtschaftsblocks (Bolivien, Chile, Kolumbien, Peru), um das Assoziierungsabkommen mit der EU zu feiern. Zugleich wurde der Anlass genutzt, um weitere politische und wirtschaftliche Entwicklungen in der Region zu besprechen. Präsident Macri betonte, dass das Freihandelsabkommen mit der EU neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung vor allem ein politisches Signal sende. Der MERCOSUR wolle als ein „offener, kompetitiver und dynamischer Block“ gesehen werden. Das Freihandelsabkommen mit der EU verstehe der argentinische Präsident somit als „Ausgangspunkt, [der den] Ländern des MERCOSUR die Möglichkeit biete, mit [ihrer] ambitionierten Außenhandelsagenda“ voranzukommen. Bis Ende des Jahres sollen die Verhandlungen zu einem weiteren Freihandelsabkommen mit den Ländern des EFTA und mit Kanada abgeschlossen sowie die Gespräche mit Singapur und Korea fortgeführt werden. Darüber hinaus sprachen sich die versammelten Präsidenten für eine baldige Implementierung des Aktionsplans Puerto Vallarta aus. Diese Übereinkunft unterzeichneten die Länder des MERCOSUR und der Alianza del Pacífico (Chile, Kolumbien, Mexiko, Peru) im Juli des vergangenen Jahres, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration zwischen den beteiligten südamerikanischen Staaten zu fördern. Dem Beispiel der EU folgend, einigten sich die Länder des MERCOSUR auf eine Abschaffung der Roaming-Gebühren. Darüber hinaus schlossen die Länder Abkommen zur verstärkten Zusammenarbeit im Bereich Nahrungsmittelsicherheit und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt ab. Die bereits begonnen Verhandlungen über einen gemeinsamen Außenzoll sollen unter dem brasilianischen Vorsitz fortgeführt werden. Die zukünftigen Projekte des MERCOSUR waren jedoch nicht alleiniges Thema des Gipfeltreffens. Zugleich nutzte die ausgehende Präsidentschaft die Gelegenheit, um auf die Erfolge der letzten Monate hinzuweisen. Der argentinische Außenminister Jorge Faurie stellte dabei unter anderem die interregionalen Abkommen vor, die die Mitgliedsländer in den vergangenen Monaten unter argentinischem Vorsitz abgeschlossen haben.
Wahlkampfstrategien der Präsidentschaftskandidaten
Der Wahlkampf um das Präsidenschaftsamt in Argentinien hat begonnen: Einweihungen, Bürgerbegegnungen, Medienauftritte, Werbeplakate, Spots in Radio und Fernsehen sowie Handzettelverteilen auf den Straßen gehören für die Politiker in diesen Zeiten zum Tagesgeschehen. Dabei setzen die Kandidaten bei der Vielzahl von Medienauftritten vor allem auf die Polarisierung der Wählerschaft.
Der amtierende Präsident Mauricio Macri, begleitet von seinem potentiellen Stellvertreter Miguel Ángel Pichetto, startete am Mittwoch, den 10. Juli, offiziell die Kampagne seiner Koalition Juntos por el Cambio. Dabei hobe er insbesondere die Erfolge im Infrastrukturbereich hervor und verglich diese mit der Desinvestition der ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Die öffentlichen Bauwerke werden in den Medien vor allem in Form von zusammengefügten Videos von Privatpersonen präsentierte und durch Kommentare von Präsident Macri ergänzt. Abschließend folgen am Ende jedes Videos Aufnahmen, die Mauricio Macri bei öffentlichen Auftritten, wie der Inbetriebnahme der Bauwerke, zeigen. Diese Aufnahmen Macris sind in ähnlichem Stil, mit einer Handykamera gefilmt, um Nähe zum Wähler zu unterstreichen. In den Werbespots gibt es bisher keine Bezugnahmen auf die Allianz mit Miguel Pichetto.
Die Werbespots der Präsidentschaftsformel des ehemaligen Kabinettschefs Alberto Fernández und der ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die gemeinsam für Frente de Todos kandidieren, bewegen sich zwischen der Konzentration auf die Figur Alberto Fernández und der Nostalgie Cristina Fernández de Kirchners, letztere insbesondere in den sozialen Netzwerken. Alberto Fernández präsentiert sich als „tipo común“ (gewöhnlicher Mann von Nebenan) und Tierliebhaber, der die von der Wirtschaftsrezession getroffene Bevölkerung versteht.
Der Consenso Federal, mit der Präsidentschaftsformel Roberto Lavagna und Juan Manuel Urtubey, zeigt sich als Alternative zu Macri sowie zum Kirchnerismus. Im Wahlkampfspot „¿Los vas a dejar volver? ¿Los vas a dejar seguir?“ (Wirst du sie zurückkehren lassen? Wirst du sie weitermachen lassen?) werden mit einer Reihe von kurzen Alltagssituationen die vermeintlichen negativen Folgen der der amtierenden und vorrangegangen Regierung widergespiegelt. Hauptziel der Kampagne des Consenso Federal ist es, sich als Alternative zu Macris Juntos por el Cambio und Kirchners Frente de Todos zu präsentieren. Darüber hinaus hebt die Kampagne – wie auch im Fall von Alberto Fernández - die Erfahrungen Lavagnas als ehemaligen Wirtschaftsminister in Krisenzeiten von 2002 bis 2005 hervor. Die zwei Konzepte "Erfahrung und Zukunft“ sollen bei den diesjährigen Wahlen mit Lavagna und Urtubey in Verbindung gebracht werden.
Zusammenfassend lässt sich über den bisherigen Wahlkampf der Präsidentschaftskandidaten sagen, dass zwar die aktuelle soziale und wirtschaftliche Lage des Landes thematisiert wird, aber kaum konkrete Handlungsvorschläge vorgebracht werden. Stattdessen setzen die Kampagnenteams auf Polarisierung. Während die Opposition vor allem den Konsumgüterrückgang, sowie den Arbeitsplatzverlust während der letzten Regierungsperiode problematisiert, fokussiert sich die Regierungsallianz Macris auf die Erfolge der vergangenen vier Jahre im Bereich des Infrastrukturausbaus, verspricht an diesem weiter festzuhalten und die Sicherheitspolitik zu einem Hauptpunkt auf ihrer Agenda zu machen. Die argentinischen Bürger werden am 11. August in den verpflichtenden Vorwahlen ein erstes Stimmungsbild angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Oktober abgeben, auf deren Grundlage die Parteien, Allianzen und Kandidaten ihren Strategien überarbeiten und ausfeilen werden. Der Ausgang ist nach wie vor ungewiss.
Alma Wißkirchen, Lisa Nagel und Olaf Jacob
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Über diese Reihe
Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.
Susanne Käss
Leiterin des Auslandsbüros Argentinien / Leiterin des Auslandsbüros Brasilien (kommissarisch)