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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing März 2022

von Olaf Jacob, Inga von der Stein
Zustimmung des argentinischen Kongresses zur Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) | Ungebremste Hyperinflation | Aufhebung COVID-bedingter Einreisebeschränkungen

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Buenos Aires-Briefing März 2022

gesprochen von Inga von der Stein

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Argentinischer Kongress bewilligt Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds

Ende Januar 2022 hatten sich die argentinische Regierung und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf eine Vereinbarung für die Rückzahlung des Rekordkredits von 44 Milliarden US-Dollar geeinigt (wir berichteten). Um in Kraft zu treten, musste sowohl der argentinische Kongress, bestehend aus Abgeordnetenhaus und Senat, sowie das Exekutivdirektorium des IWF dem Abkommen zustimmen.

Die Bestätigung des Kongresses war keine Formalie, sondern sorgte im Vorfeld für die größten Ausschreitungen seit längerer Zeit in Buenos Aires. Die Regierungsallianz und Opposition verhandelten in den Tagen vor der Abstimmung im Abgeordnetenhaus intensiv über den Wortlaut des Gesetzesentwurfes, welcher die Vereinbarung mit dem IWF enthält. Der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Sergio Massa (Frente de Todos), nahm eine vermittelnde Rolle ein. Aus dem Originalentwurf des Gesetzestexts wurden Begriffe wie „Refinanzierung” und „Schulden” bewusst gestrichen. In den Tagen vor und dem Tag der Sondersitzung zur Debatte des Abkommens kam es vor dem Kongressgebäude zu teils gewaltsamen Protesten gegen die Vereinbarung. Bei diesen wurden Reifen verbrannt als auch Steine auf das Kongressgebäude geworfen. Unter anderem das Büro von Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wurde beschädigt. Diese war empört, da sie sich selbst nicht für das Abkommen ausgesprochen hatte.

In den frühen Morgenstunden des 11. März stimmte das Abgeordnetenhaus schließlich nach 13-stündiger Debatte der Einigung mit dem IWF zu. 202 Abgeordnete sprachen sich für das Abkommen aus, 37 dagegen, 13 enthielten sich und vier Abgeordnete waren abwesend. Die Zustimmung für die Vereinbarung fiel in der Oppositionsallianz Juntos por el Cambio höher aus als in der Regierungsallianz Frente de Todos. Von den Abgeordneten der Allianz Juntos por el Cambio stimmten – mit Ausnahme des Liberalen Ricardo López Murphy – alle bei der Debatte anwesenden Abgeordneten für das Abkommen. Von der Allianz Frente de Todos unterstützten knapp zwei Drittel die Vereinbarung. Die Ablehnung kam vor allem aus dem linken Flügel der Regierungsallianz, dem Kirchnerismus. Außerhalb der Allianzen stimmten Abgeordnete aus den Randparteien von links und rechts gegen das Abkommen.

Eine Woche nach dem Votum im Abgeordnetenhaus stimmte der argentinische Senat am 17. März für das Abkommen mit 56 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen sowie drei Enthaltungen. Wie im Abgeordnetenhaus kam der Großteil der positiven Stimmen aus der Oppositions- und nicht der Regierungsallianz.

Vor allem Senatoren des linken Flügels der Regierungsallianz lehnten das Abkommen ab. Senatsvorsitzende und Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner war bei der Schlussabstimmung demonstrativ abwesend.

Am 25. März billigte schließlich noch das Exekutivdirektorium des IWF endgültig die Vereinbarung. Das Direktorium setzt sich aus den Mitgliedern des IWF zusammen. Dabei spielen insbesondere die Vereinigten Staaten, China, Japan und Deutschland aufgrund ihrer Stimmrechte eine einflussreiche Rolle in dem Direktorium.

Die Vereinbarung zur Refinanzierung der 2018 unter Mauricio Macri aufgenommenen Schulden vertiefte den bereits existierenden Graben in der Regierungsallianz Frente de Todos zwischen dem moderaten Flügel um Alberto Fernández und dem linken Flügel um Cristina Fernández de Kirchner. Sowohl ideologische als auch strategische Gründe dürften eine Rolle spielen. Die nächsten Präsidentschaftswahlen 2023 haben alle Beteiligten bereits im Blick. Es gilt, sich schon heute zu positionieren.

 

„Krieg gegen Inflation und Spekulanten“ – Ansage von Präsident Alberto Fernández

Die Inflation in Argentinien steigt 2022 noch schneller als erwartet. Dies könnte die Vereinbarung mit dem IWF gefährden. Das Abkommen ist auf der Annahme basiert, dass die Jahresinflation 48 Prozent nicht überschreiten wird. Argentinien schloss bereits das Jahr 2021 mit einer Inflationsrate von 50,9 Prozent ab, der höchste Wert in Südamerika nach Venezuela. Die Inflation erreichte jedoch nicht die 53,8 Prozent, welche das Land 2019, im letzten Jahr der Regierung unter Mauricio Macri verzeichnet hatte. Dieser Wert könnte 2022 jedoch übertroffen werden: Im Januar 2022 lag die Inflationsrate bei 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, im Februar 2022 bei 4,7 Prozent. Der größte Teil des Anstiegs entfiel auf Lebensmittelpreise mit einem durchschnittlichen Anstieg von 7,5 Prozent. Die offiziellen Daten für März 2022 liegen noch nicht vor, doch die meisten Wirtschaftsexperten erwarten eine Inflation von deutlich über fünf Prozent. Rechnet man den Durchschnitt des ersten Quartals auf das ganze Jahr hoch, ergäbe sich für 2022 eine Jahresinflation von 78 Prozent.

Vor dem Hintergrund der sich beschleunigenden Inflation kündigte der argentinische Präsident Alberto Fernández einen „Krieg gegen die Inflation und Spekulanten“ an. In diesem Sinne interveniert die Regierung erneut in der Wirtschaft. Mitte März 2022 wurde beispielsweise ein temporäres Verbot für die Registrierung von Exporten für Sojabohnenöl und -mehl verhängt. Dies ist besonders relevant, da Argentinien der weltweit führende Exporteur von verarbeitetem Soja ist. Die Regierung fürchtet aufgrund steigender Weltmarktpreise für Nahrungsmittel durch die russische Invasion in der Ukraine einen Anstieg von Soja, welcher auch die Preise im Inflation geschüttelten Argentinien hochtreibe. Eine Woche später nahm die Regierung nach Kritik aus Industrieverbänden den Stopp der Registrierung jedoch wieder zurück, erhöhte aber die Ausfuhrzölle von 31 Prozent auf den gesetzlich zulässigen Höchstsatz von 33 Prozent. Der Minister für produktive Entwicklung, Matías Kulfas, kündige an, dass die durch die Zollerhöhung eingenommenen Mittel wiederum zur Subventionierung der Lebensmittelproduktion in Argentinien verwendet würden. Damit zeigt dieses Vorgehen die staatszentrierte Strategie der Regierung und die erneute Abkehr vom freien Wettbewerb bei Agrarexporten auf dem Weltmarkt. Außerdem werde die Maßnahme der „Precios Cuidados“ weitergeführt. Dies ist ein Programm der Regierung zur Preiskontrolle, welches Alberto Fernández Anfang 2020 wiedereinführte. Zunächst umfasste dies etwa 300 Produkte, mittlerweile sind über 1.300 Produkte einbegriffen.  Kritik kam von Lebensmittelherstellern und Supermärkten.

 

Nach zwei Jahren COVID-Pandemie: Normalisierung der Einreise nach Argentinien

Argentinien kehrt im Hinblick auf die Einreiseregelungen ab April 2022 zum Stand vor der Pandemie zurück. Die Regierung hat alle Beschränkungen aufgehoben, die Grenzübergänge wieder geöffnet und verlangt für die Einreise keinen negativen PCR-Nachweis oder COVID-Impfschutz mehr. Im Land selbst wurden fast alle Restriktionen aufgehoben. Mittlerweile liegt etwa die Entscheidung, ob die Verwendung der Masken in Schulen obligatorisch bleiben, bei den Provinzregierungen. Die COVID-Infektionen als auch die Todesfälle bewegen sich auf niedrigem Niveau: Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 33, pro Tag gibt es durchschnittlich 34 Todesfälle. (Stand: 31.03.2022). Über 90 Prozent der Bevölkerung erhielt mindestens eine Impfung gegen COVID, über 80 Prozent sind vollständig geimpft, 42 Prozent haben die Auffrischungsimpfung erhalten.

 

Ausblick für April

› National:

Am 2. April jährt sich die militärische Auseinandersetzung zwischen Argentinien und Großbritannien um die Malwinen/ Falklandinseln im Jahr 1982 zum 40. Mal. Der Krieg trug zum Zerfall der Militärdiktatur 1983 in Argentinien bei. Bis heute reklamiert Argentinien jedoch die Inseln für sich.

Vom 16. März bis zum 18. Mai 2022 wird eine Volkszählung in Argentinien durchgeführt, der sogenannte „Censo 2022“. Die letzte Volkszählung fand 2010 statt. Aufgrund der Pandemie konnte der nächste Zensus hingegen nicht wie geplant 2020 vorgenommen werden.

› Trivia: Die argentinische Fußballmannschaft hat sich für die Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 qualifiziert. Das Team um Kapitän Lionel Messi ist seit 31 Spielen ungeschlagen. Im Vorfeld der Auslosung für die Gruppenphase bestand Angst vor einer möglichen „Todesgruppe“ mit Deutschland. Doch Fußballfans von Argentinien konnten aufatmen: In der ersten Runde spielt der zweifache Weltmeister in Katar Ende 2022 gegen Saudi-Arabien, Mexiko sowie Polen.

 

© Fotos: Canva, Unsplash, Pexels

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Leiter des Auslandsbüros Chile

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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

Susanne Käss

Susanne Käss bild

Leiterin des Auslandsbüros Argentinien / Leiterin des Auslandsbüros Brasilien (kommissarisch)

susanne.kaess@kas.de +54 11 4326-2552