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Mike Blake, Reuters

Auslandsinformationen

Editorial

„Uns ist sehr wichtig, dass wir gemeinsam eine starke Antwort auf das Coronavirus finden. Es kennt keine Grenzen, es kennt keine Nationalitäten.“ So äußerte sich die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Anfang 2020 haben der Ausbruch von COVID-19 und die ­daraus folgende anhaltende Corona-Pandemie weltweit ein neues Maß an Ausnahmezuständen hervorgerufen. Dazu zählt auch, dass innerhalb der Europäischen Union Grenzen geschlossen und Grenzkontrollen eingeführt wurden.

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Bedrohungs- und Krisennarrative können wie während der Corona-Pandemie Populisten in die Hände spielen. Politische Akteure, die die Zugehörigkeit zu einer Nation bzw. einem Staat an Abstammungsmerkmalen festmachen, nutzen solche Situationen für die Rationalisierung von Ausgrenzung und Abschottung. Nationalismus kann selbstverständlich auch andere Ausprägungen annehmen. So kann die Vorstellung einer nationalen Einheit innerhalb einer Gesellschaft grundsätzlich auch als kohäsives, im positiven Sinne identitätsstiftendes Element dienen.

Nationalisten und Populisten, die die Idee einer nationalen Einheit überhöhen, stellen jedoch vor allem für demokratische Staaten eine Herausforderung dar. Sie suchen Sündenböcke, präsentieren vermeintlich einfache Lösungen – ein altbekanntes Muster. Auch in Europa befinden sich schon seit Längerem vielerorts rechtspopulistische und europakritische Parteien im Aufwind, auch wenn sie sich gerade mit Blick auf ihre Position hinsichtlich der EU zuweilen unterscheiden. Diese Parteien erhalten in den Landesparlamenten und im Europaparlament immer mehr Sitze. Die Ursache für diese Entwicklung ist vielschichtig – und nicht allein mit der Zunahme der Migration nach Europa 2015 zu erklären. Ein Blick auf die spezifischen Situationen in den Ländern ist wichtig. Die Popularität dieser Parteien in Europa stellt dabei eine Bedrohung für die demokratische Entwicklung vieler Mitgliedstaaten der EU dar, schreibt Wilhelm Hofmeister.

Die Ausprägung der von Abschottung und Ausgrenzung geprägten Politik ist weltweit unterschiedlich. Nicht selten äußert sie sich in der fehlenden Beachtung von Minderheitenrechten. Indigene Völker werden in demokratischen wie undemokratischen Ländern häufig nicht ausreichend politisch repräsentiert und genießen keinen staatlichen Schutz. Vor allem in Lateinamerika leiden indigene Völker unter einem vielfach schwachen Rechtsstaat und mangelhafter Infrastruktur. Georg Dufner analysiert in diesem Heft die Hindernisse beim Ausgleich von Repräsentations- und Autonomiedefiziten indigener Bevölkerungen in der Region.

Zuweilen können unterschiedliche nationale Narrative innerhalb eines Landes eine Rolle spielen. In Belarus finden sich aufgrund seiner geografischen Lage und Geschichte sowohl prorussische als auch proeuropäische Strömungen. Diese zu vereinen wird eine Herausforderung für das identitätspolitisch gespaltene Land, wie Jakob Wöllenstein herausstellt. Ethnische und religiöse Zugehörigkeiten können innerhalb einer Gesellschaft ein Gemeinschaftsgefühl stiften. Sie besitzen jedoch auch das Potenzial für Spannungen – nicht zuletzt in Staaten, die von einer heterogenen Bevölkerung geprägt sind. Dieses Phänomen beschreibt La Toya Waha am Beispiel von Südasien.

Die Entwicklung hin zu nationalistischen Konzepten zeigt sich auch zunehmend in Kontexten, in denen diese Form der Identitätsbildung bisher eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Das lässt sich in den Staaten im Arabischen Golf beobachten. Religion und Stammeszugehörigkeit sind nun nicht mehr die alleinigen sinn- und gemeinschaftsstiftenden Faktoren in der Region, wie Fabian Blumberg schreibt.

Nationalismus ist und bleibt ein globales Phänomen – sowohl in demokratischen als auch in nichtdemokratischen Staaten. Gerade bei der Bewältigung grenzüberschreitender Herausforderungen wie der Corona-Pandemie scheinen einige Staaten Einzellösungen als Option in Betracht zu ziehen. Multilaterale Institutionen wie die WHO stehen in der Kritik und werden als zu unflexibel für die erfolgreiche Handhabung der Probleme wahrgenommen. Auch die Europäische Union hat sich mit einem gemeinsamen Krisenmanagement Zeit gelassen, ist nun aber stärker um eine „gelebte europäische Solidarität“ bemüht. Letztlich zeigt sich in der aktuellen Krise, dass nur eine gemeinsame, internationale Herangehensweise zum Erfolg führen wird. Solidarische Aktionen wie die Bereitstellung von medizinischen Hilfsgütern oder die Behandlung von Corona-Patienten aus Nachbarländern zeigen ebenso wie die vernetzte Zusammenarbeit bei der Erforschung möglicher Behandlungsmethoden das Potenzial gemeinschaftlicher Lösungen in diesen Zeiten. Es bleibt zu hoffen, dass die Erfahrungen aus der derzeitigen Krise zukünftig für eine noch engere multilaterale Abstimmung und einen globalen Austausch genutzt werden.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr

Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Euro­päische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).

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