Ausgabe: 3/2019
Es ist Symptom einer neuen Großmachtpolitik, die das internationale System zunehmend prägt. Dazu trägt Russland durch den Aufbau von Mittelstreckenraketen ebenso bei wie China, das Jahr für Jahr seine Rüstungsausgaben steigert und sich in einigen Bereichen schon jetzt auf Augenhöhe mit den USA bewegt. Von neueren Gefahren durch einen Rüstungswettlauf im Cyber- und Weltraum oder Massenvernichtungswaffen in den Händen von nichtstaatlichen Akteuren, sprich: Terroristen, ganz zu schweigen.
Damit wachsen auch die Aufgaben für uns Europäer. Wir können die Verantwortung für unsere Sicherheit angesichts solcher Herausforderungen nicht länger an andere abtreten; wir müssen einen stärkeren sicherheitspolitischen Beitrag leisten und eigene Antworten auf die strategischen, militärischen und technologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts finden. Das betont auch Carlo Masala in seinem Zwischenruf zu dieser Ausgabe. Die Europäische Union müsse ihre Strategische Autonomie deutlich ausbauen, ohne dabei ihre transatlantischen Bündnispartner zu entfremden. Dies ist gerade in Zeiten wichtig, in denen sich bewährte Formen der Rüstungskontrolle auflösen. Philipp Dienstbier analysiert in seinem Beitrag die Gründe für das Scheitern des INF-Vertrages zwischen Russland und den USA. Zu befürchten ist, dass wir vor einer neuen Aufrüstungsspirale stehen.
In anderen Regionen hat Aufrüstung bereits jetzt destabilisierende Folgen. Ein Beispiel liefern Romina Elbracht und Ann-Margret Bolmer in ihrem Beitrag zur indischen Rüstungspolitik. Pakistan wird seit Jahrzehnten als eine der zentralen Bedrohungen für die indische Sicherheit wahrgenommen. Nun entwickelt sich auch China zum wichtigen Player und bringt sich gerade auch militärisch in der Region stärker ein. Das hat nicht nur auf die indische Handelspolitik massive Auswirkungen, sondern auch auf das Wettrüsten vor Ort. Der Beitrag zeigt eindrücklich, dass die globalen Konfliktlinien schon lange nicht mehr entlang der Allianzen einzelner Länder mit den USA und Russland verlaufen.
Russland ist weiterhin um den Ausbau weltweiter Rüstungspartnerschaften bemüht. Insbesondere in Afrika südlich der Sahara knüpft Putins Russland an ehemalige sowjetische Beziehungen zu afrikanischen Staaten an, wie Benno Müchler in seinem Beitrag schreibt. Dabei hat Russland nicht unbedingt nur den Zugriff auf afrikanische Märkte im Blick, sondern versucht auch, den europäischen Zugang zu afrikanischen Ressourcen zu beschränken.
Auch in der unmittelbaren europäischen Nachbarschaft ist Russland aktiv. Der Verkauf eines russischen Flugabwehrsystems an die Türkei wird hinlänglich als Versuch gewertet, das Land aus den bestehenden NATO-Strukturen zu lösen. Michael Doran und Peter Rough argumentieren, dass es der Türkei bei dem Waffenkauf darum geht, sich alle Kooperationsoptionen offenzuhalten und Druck auf die USA auszuüben. Hierbei gilt es für die USA, aber auch für Deutschland, trotz aller Schwierigkeiten, die Türkei als einen wichtigen Verbündeten im Nahen und Mittleren Osten nicht zu verlieren.
Jenseits klassischer Rüstungsthemen sollte nicht übersehen werden, dass die Fortschritte im Bereich der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz auch für Waffentechnologien eine immer größere Rolle spielen werden. Hier verschränken sich technische mit ethisch-moralischen und rüstungskontrollpolitischen Fragen. Frank Sauer argumentiert dabei im Interview, dass der Mensch bei Diskussionen um das Für und Wider neuer Technologien nicht aus der Verantwortung genommen werden darf, moralisch informierte Entscheidungen über Leben und Tod zu fällen.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Ihr
Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).