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Länderberichte

"Vorwahlen in Uruguay am 27. 6. 2004"

Am letzten Junisonntag fanden in Uruguay Vorwahlen statt. Mit der Wahl der Präsidentschaftskandidaten für die Nationalwahlen im Oktober 2004 startete das kleine Nachbarland Argentiniens am Río de la Plata in die erste Wahlperiode seit Beginn des neuen Jahrhunderts. Sie wird erst im Mai 2005 mit den Kommunalwahlen zu Ende gehen. Dabei wird zum zweiten Mal seit der umfassenden Verfassungsreform von 1996 das neue Wahlrecht angewandt.

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War es vor der Reform üblich, dass die Parteien jeweils mit mehreren Präsidentschaftskandidaten auf der Grundlage von sog. sublemas antraten, muss sich jetzt jede Partei auf einen Kandidaten festlegen (candidatura presidencial única), der dann mit dem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten die sog. fórmula der jeweiligen Partei bei den Nationalwahlen bildet.

Die Vorwahlen werden gemeinhin als "parteiinterne Wahlen" (elecciones internas) bezeichnet, was aber in die Irre führt. In Wahrheit kann jeder wahlberechtigte Bürger, sei er nun Parteimitglied oder nicht, denjenigen Bewerber wählen, den er gerne als Präsidentschaftskandidat aufgestellt sähe. Deshalb wird den Vorwahlen auch eine grosse Prognosewirkung beigemessen. Sie sind geheim. Jeder Wähler verfügt über eine Stimme. Anders als bei den Nationalwahlen selbst besteht keine Wahlpflicht.

Als zum Präsidentschaftskandidaten gewählt gilt derjenige Bewerber einer Partei, der von den für seine Partei insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen mehr als 50 % auf sich vereinigen kann. Alternativ genügen auch 40 % der gültigen Stimmen, wenn gegenüber dem nächstplazierten Mitbewerber eine Differenz von mindestens 10 % besteht. Tritt in einer Partei weder der eine noch der andere Fall ein, entscheidet der sog. nationale Parteikonvent (Convención Nacional del Partido) der entsprechenden Partei mit absoluter Mehrheit, wer ihr Präsidentschaftskandidat wird. Die jeweils 500 Mitglieder dieser Parteienkonvente werden ebenfalls am Tag der Vorwahlen gewählt.

Der uruguayische Wähler musste sich am letzten Junisonntag zwischen 11 Parteien mit insgesamt ca. 2300 (!) Untergruppierungen entscheiden. Neben den drei Hauptparteien Partido Colorado, Partido Nacional und Encuentro Progresista - Frente Amplio - Nueva Mayoría standen ferner folgende Splitterparteien zur Wahl: Unión Cívica, Partido Independiente, Partido Intransigente, Partido Liberal, Partido de los Trabajadores, Grupo Acción Comunitaria, Partido Humanista und Democracia Solidaria.

Da die zuletzt genannten acht Parteien insgesamt weniger als 1,00 % der Stimmen erhielten, werden im folgenden lediglich die Wahlergebnisse der drei genannten Hauptparteien dargestellt. Sie stützen sich auf die amtlichen Angaben der Wahlbehörde (Corte Electoral) während der ersten Pressekonferenz nach Abschluss der Wahlen.

Danach erhielt die konservative Traditionspartei Partido Nacional für ihre drei Bewerber insgesamt 429.848 Stimmen (entspricht 41,19 %). 33,60 % davon entfielen auf den früheren Staatspräsidenten Luis Alberto Lacalle, 65,93 % auf den bisherigen Bürgermeister von Paysandú, Jorge Larrañaga, und 0,47 % auf Cristina Maeso. Präsidentschaftskandidat der Nationalpartei ist somit der Jurist Larrañaga (48).

Die derzeitige Regierungspartei Partido Colorado, die dem liberal-konservativen Lager zuzurechnen ist, konnte insgesamt nur noch 14,96 % der Stimmen auf sich vereinigen und ist damit der klare Verlierer der Vorwahlen. Hiervon erhielt Guillermo Stirling 91,06 %, gefolgt von Alberto Iglesias mit 6,75 % und Ricardo Lombardo mit 1,26 %. Folglich geht der Notar und frühere Innenminister Stirling (67) als Präsidentschaftskandidat für die Colorados ins Rennen.

Das erst in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstandene linke Parteienbündnis Encuentro Progresista / Frente Amplio / Nueva Mayoría erhielt insgesamt 449.877 Stimmen (entspricht 43,11 %), also noch etwas mehr als der Partido Nacional. Sie gehen alle auf den einzigen aufgestellten Bewerber, den Arzt und ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt Montevideo Tabaré Vázquez (64). In den Wochen vor den Vorwahlen war oft kritisiert worden, die Linksparteien umgingen durch ihre vorzeitige, wahlunabhängige Festlegung auf Tabaré Vázquez auf unzulässige Weise das verfassungsrechtlich vorgesehene Verfahren der Kandidatenaufstellung.

Die Wahlbeteiligung war für uruguayische Verhältnisse mit 45,70 % relativ niedrig. Wie allgemein erwartet fanden die Vorwahlen in einer störungsfreien, allen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden Atmosphäre statt. Keine Überraschung in Uruguay, das (ähnlich wie Costa Rica) sehr stolz auf seine schon zwei Jahrzehnte währende demokratische Stabilität ist. Allerdings hat das neue Wahlrecht von 1996 den früher oft erzählten Witz kaum relativiert, in Uruguay seien die Wahlen so geheim, dass selbst der Wähler nicht wisse, wen er eigentlich gewählt habe. Das Wahlrecht ist immer noch höchst kompliziert und lässt sich zu allerletzt als bürgernah qualifizieren.

Mit Abschluss der Vorwahlen beginnt in Uruguay die heisse Phase des Wahlkampfs. Der erste Wahlgang (primera vuelta) wird in vier Monaten stattfinden, namentlich am 31. Oktober 2004. Am selben Tag werden auch Parlamentswahlen stattfinden. Es wird sich angesichts des oben dargestellten Kandidatenspektrums um die ersten Wahlen seit dem Tod des legendären Staatspräsidenten Luis Batlle Berres im Jahr 1964 handeln, in denen weder der derzeitige Staatspräsident, Jorge Battle (77), noch sein Vorgänger, Julio María Sanguinetti (68), antreten werden. Schon allein deshalb lässt sich - zumindest für uruguayische Verhältnisse - eine gewisse politische Erneuerung diagnostizieren.

Staatschef wird derjenige, der die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen kann. Sollte dies Ende Oktober niemandem gelingen, werden die Wähler am 28. November 2004 erneut an die Urnen gerufen zur Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erreicht haben (segunda vuelta oder ballotage). In diesem Fall genügt dann die einfache Mehrheit. Der neue uruguayische Staatspräsident wird sein Amt am 1. März 2005 antreten.

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