Länderberichte
Im Nachgang lehnte die kroatische Regierung zunächst die Auslieferung an das ICTY ab, verzögerte dann den gesamten Prozess und unterstützte zuletzt den Antrag, Bobetkos Gesundheitszustand überprüfen zu lassen.
Die Regierung konnte auf die Zustimmung der Bevölkerung bauen: Nach einer Meinungsumfrage der Agentur PULS waren 87% der Bürger gegen eine Auslieferung Bobetkos, nur 7%dafür und 54% der Befragten erklärten sogar, man müsse unter Umständen auch Sanktionen durchstehen. Der "Fall Bobetko" wurde langsam zu einer Zerreißprobe für Regierung und Gesellschaft.
Internationale Beobachter befürchteten, dass die Nichtauslieferung Bobetkos an das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal fatale Folgen, wie Sanktionen, Ausbleiben finanzieller Unterstützungen für Kroatien, etc. zur Konsequenz haben würde, vor allem aber eine mögliche und stark erhoffte Aufnahme Kroatiens in die EU dadurch verspielt werden könnte.
Eine unabhängige Ärztedelegation des Tribunals untersuchte den General, der sich inzwischen im Klinikum befand, im Dezember 2002 und kam zum Ergebnis, dass er verhandlungsunfähig sei.
Immer wieder wurde der von Kroatien und der EU gewünschte Integrationsprozess durch die angeblich mangelnde Kooperationswilligkeit Kroatiens mit dem Haager Tribunal beeinträchtigt. Zuletzt hatte das niederländische Parlament den Ratifizierungsprozess des im Frühjahr 2002 unterzeichneten Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommens zwischen der EU und Kroatien ausgesetzt.
Streitigkeiten gibt es nach dem plötzlichen aber nicht unerwarteten Tod Bobetkos jetzt nur noch im Fall Gotovina, dem ebenfalls Kriegsverbrechen im Rahmen der Rückeroberungsaktion „Sturm“ im Jahre 1995 zur Last gelegt werden. General Gotovina, dessen Auslieferung das ICTY von der kroatischen Regierung begehrt, wird mit kroatischem Haftbefehl gesucht, ist aber flüchtig. Ein Teil der internationalen Beobachter wirft der kroatischen Regierung vor, die Angelegenheit nicht mit dem nötigen Nachdruck angegangen zu sein.
Bobetkos Tod bestätigt die Untersuchungsergebnisse der kroatischen und internationalen Ärzte und beendet einen schwelenden Konflikt zwischen der internationalen Staatengemeinschaft und der jungen kroatischen Republik.