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Länderberichte

Peru mit neuer politischer Landkarte

Der Gewinner der Regional- und Kommunalwahlen in Peru heisst Alan García. In 12 von insgesamt 25 Regionen stellt seine Partido Aprista Peruano, APRA, den Regionalpräsidenten. Außerhalb der Hauptstadt Lima haben die Sozialisten damit den stärksten politischen Einfluß gewonnen. Für Perú Posible, die Regierungspartei von Präsident Alejandro Toledo, fiel nur eine einzige Region ab. Den Christdemokraten unter dem Dach der Unidad Nacional erging es nicht besser. Bis auf den überraschenden Sieg ihres Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Lima konnten sie keine Erfolge feiern.

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Bei der Abstimmung am 17.November sollten die Peruaner einen kühlen Kopf behalten; bereits ab dem Vortag durfte im ganzen Land kein Alkohol mehr verkauft werden. Die Teilnahme an der Regionalwahl war für alle 15 Millionen Stimmberechtigten obligatorisch. Wer nicht erschien, zahlt eine Geldbuße. Zur Sicherheit blieben Museen und Geschäfte trotzdem geschlossen. Bis auf einige wenige Zwischenfälle, bei denen einzelne Wahllokale verwüstet wurden und Anhänger konkurrierender Lager aufeinander losgingen, sprechen die Beobachter aus dem In- und Ausland von einer fairen Abstimmung ohne starke Behinderungen und Unregelmäßigkeiten.

Mit vorläufigen Ergebnissen auch aus entlegenen Regionen im Amazonas-Flachland und in den Anden ging die staatliche Wahlbehörde, ONPE, bereits am frühen Sonntagabend an die Presse. Viel änderte sich danach nicht mehr.

Die politische Karikatur für die Montagsausgabe der zweitgrößten Zeitung des Landes, La República, war deshalb rasch gezeichnet. Sie zeigt ein Siegertreppchen mit nur zwei Stufen für den ersten und den zweiten Platz. Oben steht der strahlende Alan García im APRA-T-Shirt. An der Schnur hält er einen Luftballon mit der Aufschrift „Regionalwahlen“. Auf dem unteren Platz freut sich Luis Castañeda, der künftige Bürgermeister von Lima, über seinen Pokal. Neben dem Siegertreppchen die Vorsitzende der Unidad Nacional, Lourdes Flores Nano. Vom Boden aus muss sie sich kräftig emporrecken, um Castañeda zu umarmen. Trotzdem reicht sie ihm nur bis zur Hüfte. Im Hintergrund ein enttäuschter Präsident Alejandro Toledo.

Zunächst Toledo. Die Dezentralisierung und die Stärkung der Regionen hatte er den Peruanern 2001 im Präsidentschaftswahlkampf versprochen. Die Menschen in den Provinzen forderten mehr Mitbestimmung. Toledos Vorgänger Fujimori hatte ihren politischen Einfluss nahezu auf Null reduziert. Was im Land ging und machbar war, entschied sich in Lima und nur dort.

Mit dem Versprechen, Kompetenzen an die Regionen zu übertragen, hob sich Toledo nicht sonderlich von seinen Herausforderern ab. Über die Frage besteht parteiübergreifend Konsens, seit sich Fujimori unter dem Vorwurf der Korruption gezwungenermaßen nach Japan abgesetzt und damit sein autoritäres Regime ein jähes Ende gefunden hatte. Am Ende gewann Toledo die Wahl und genoss mit 70 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung einen soliden Vertrauensvorschuss.

Die gesetzlichen Regelungen zur Dezentralisierung inklusive der Festlegung auf die Regionalwahlen am 17. November ging der neue Präsident nach seinem Sieg im Eiltempo an. So schnell, dass nicht nur politische Gegner von Flickwerk und weitreichenden Regelungslücken sprechen. Niemand aber kann Toledo vorwerfen, sein Wahlversprechen nach der Amtsübernahme vergessen zu haben. Die Regionalwahlen sind Beleg dafür. Und Toledo hat alles unternommen, seinen Eifer in Szene zu setzen. Das vorerst letzte Gesetz zur Regelung der regionalen Kompetenzen unterzeichnete er noch am Abend vor der Wahl vor laufenden Kameras. Aber die Rechnung ging weder für die Regierungspartei Perú Posible (PP) noch für den Präsidenten auf.

Die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes sind so drückend, dass die Vorbereitung eines auf die Zukunft gerichteten, komplexen Projektes wie der Dezentralisierung für sich genommen noch keine Verbesserung der Lage bedeutet. Kurzfristige Erfolge mit spürbaren Auswirkungen für den einzelnen Bürger hat Toledo nach seiner Amtsübernahme nicht erzielen können.

Die Zustimmung für den Präsidenten in der Bevölkerung ist deshalb auf spärliche 20 Prozent gesunken. Zwischenzeitlich lag sie noch niedriger. Und bei den Regionalwahlen gewannen die Kandidaten der PP von allen 25 Regionen nur das kleine Callao nördlich von Lima. Auf der darunter liegenden Provinz- und Distriktebene holte PP in keiner Region die Mehrheit.

Vergleichbar verlief die Abstimmung für das christdemokratische Wahlbündnis Unidad Nacional. Bei den Regionen blieb die UN außen vor. Bei den Provinzen und Distrikten verfehlte sie in den Regionen ebenfalls die Mehrheit.

Ein Überraschungserfolg gelang ihr in Lima. In der Hauptstadt stellt der UN-Kandidat Luis Castañeda künftig den Bürgermeister. Mit 39,8 Prozent lag er bei Abstimmungsschluss deutlich vor dem lange favorisierten Amtsinhaber Alberto Andrade von Somos Perú.

Die Vorsitzende der Unidad Nacional, Lourdes Flores Nano, bemühte sich nach Kräften, den Sieg ihres Kandidaten als Erfolg des Wahlbündnisses darzustellen. Nunmehr am Ziel, stellt der die Rolle der UN und ihrer Vorsitzenden allerdings keineswegs in den Mittelpunkt.

Castañeda ist kein Mitglied der christdemokratischen Partido Popular Cristiano. Sie bildet gewissermaßen den Kern der Unidad Nacional. Um die PPC herum haben sich in der UN eine ganze Reihe politischer Bewegungen zusammengeschlossen, darunter Castañedas Solidaridad Nacional.

Ob und wie stark sich der neue Bürgermeister von Lima mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2006 in die Arbeit der Unidad Nacional einbringen wird, hängt vor allem davon ab, ob die PPC und die Splittergruppen sich alsbald zu einer einheitlichen Partei umwandeln lassen.

Das funktioniert nur mit Unterstützung der PPC unter ihrem derzeitigen Vorsitzenden Antero Flores Aráoz. Ihm wird bereits seit Monaten nachgesagt, für die Christdemokraten bei der Wahl 2006 ins Rennen um die Präsidentschaft gehen zu wollen. Lourdes Flores, die für die Unidad Nacional schon 2001 angetreten war, hat ihre Kandidatur unmittelbar nach den Regionalwahlen bereits angekündigt. In einem offenen Machtkampf aber hätte Flores Aráoz gegen Lourdes Flores kaum Aussichten auf Erfolg. Um seine Position zu wahren, liebäugelt der PPC-Chef deshalb mehr oder weniger unverhohlen mit der Abspaltung seiner Partei aus der Unidad Nacional. Ohne die PPC wäre die UN mit ihrem sehr breiten Spektrum an politischen Bewegungen kaum mehr steuerbar.

Eine Abspaltung der PPC würde allerdings nicht zwangsläufig das Ende der Unidad Nacional bedeuten. Lourdes Flores ist ebenfalls Mitglied der PPC. Nach der Regionalwahl hat die UN-Vorsitzende deutlich gemacht, sich bei der turnusgemäßen Abstimmung für den Posten des Parteivorsitzenden (voraussichtlich März 2003) bewerben zu wollen. Es kann also innerhalb der PPC zur Kampfabstimmung kommen. Sollte es Lourdes Flores gelingen, sich gegen Flores Aráoz an die Spitze der christdemokratischen Partei zu setzen, wäre klar, dass sie 2006 als Präsidentschaftskandidatin antreten wird. Als PPC-Chefin hätte sie gleichzeitig alle Fäden in der Hand, die christdemokratischen Kräfte erneut zu bündeln und in einer ordentlichen Partei - entweder in der PPC oder der Unidad Nacional - zusammenzufassen.

Praktisch alle Regionen entlang der peruanischen Küste werden ab Beginn des nächsten Jahres von Vertretern der Partido Aprista Peruano regiert. Auf der Ebene der Provinzen konnten sich die Sozialisten auch im nördlichen Hinterland durchsetzen. Nahezu den gesamten Rest des Landes teilen sie sich mit Vertretern unabhängiger Gruppierungen. Deren ideologische Ausrichtung und Programmatik unterscheidet sich teilweise deutlich. Von einer einheitlichen politischen Kraft kann insofern keine Rede sein.

Damit hat APRA auch in der Hauptstadt künftig ein gewichtiges Wort mitzureden. Den Erfolg verdankt die Partei allen voran Alan García. Erst die Aufhebung eines Haftbefehls gegen ihn hatte dem Vorsitzenden vor nicht einmal zwei Jahren die Rückkehr aus dem Exil erlaubt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2001 konnte sich der „Illusionskünstler“ und begnadete Redner gegen Alejandro Toledo jedoch nicht durchsetzen. Der Erfolg bei den Regionalwahlen aber stärkt die Ausgangsposition der APRA für 2006 deutlich.

Völlig vergessen scheint, dass García als Präsident der Jahre 1985 bis 1990 alles unternommen hatte, Peru an den Rand des politischen und wirtschaftlichen Chaos zu führen. Mit geschickter Polemik präsentiert er sich seit seiner Rückkehr als moderner Sozialdemokrat nach dem Vorbild eines Tony Blair oder Bill Clinton. Zielsicher wusste er die allgemeine Enttäuschung über die Regierung Toledo in den Regionen für die APRA zu nutzen.

Angesichts des eigenen Mißerfolges bei der Abstimmung vor einer Woche wird Toledo nicht umhinkommen, die Sozialisten unter García in die politische Entscheidungsfindung auf nationaler Ebene einzubeziehen. Noch hat APRA keine konkreten Forderungen gestellt; die Aufnahme der Partei in eine erweiterte Koalition und die Beteiligung der Sozialisten an der Regierungsverantwortung aber sind kein unwahrscheinliches Szenario.

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In der verwaltungspolitischen Struktur Perus sind die 25 Regionen direkt unterhalb der zentralstaatlichen Ebene angesiedelt. Die Grenzen für die Regionen wurden in Anlehnung an die bisherigen Departamente neu festgelegt. Auf der darunter liegenden Ebene ist das Land in 180 Provinzen unterteilt, darunter in ca. 1800 Distrikte. Der Vergleich mit den deutschen Bundesländern, Kreisen und Gemeinden drängt sich auf, kann wegen zahlreicher Besonderheiten allerdings nur der sehr groben Veranschaulichung dienen. Die Hauptstadt Lima beispielsweise ist eine Provinz mit Bürgermeister. Das direkte Umland ist die Region Lima mit Regionalpräsident und Regionalregierung. Trotzdem untersteht der Provinz-Bürgermeister von Lima-Stadt nicht dem Regionalpräsidenten. Die Provinz Callao im Norden von Lima, faktisch ein großer Stadtteil, wurde zur Region aufgewertet. Der Bürgermeister von Callao ist insfern gleichzeitig ein Regionalpräsident.

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Sebastian Grundberger

Sebastian Grundberger

Direktor Regionalprogramm Parteiendialog und Demokratie /Länderprogramm Uruguay

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