Länderberichte
Die Wahlen unterstrichen, dass das Land derzeit politisch in zwei Lager gespalten ist. Eine Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Regierung, aber auch eine beträchtlich starke Minderheit votierte für das Lager des gestürzten Präsidenten Estrada. Mit den Ergebnissen der Wahl kann die Regierungsseite politisch überleben und weiterregieren, wenn auch das erhoffte, starke Vertrauensvotum ausblieb. Wenn die Regierung die nächsten Präsidentschaftswahlen in drei Jahren erreichen und darüberhinaus eine positive Bilanz vorweisen will, müssen allerdings erhebliche Kraftanstrengungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft unternommen werden.
Die in den ersten hundert Tagen von der neuen Regierung eingeleiteten Reformen müssen nun verstärkt fortgeführt und die Bemühungen um grundlegende Verbesserungen erheblich intensiviert werden. Durch die Regierungszeit des Präsidenten Estrada wurden die Reformbemühungen des früheren Präsidenten Ramos gestoppt. Die Entwicklung des Landes wurde für zweieinhalb Jahre unterbrochen. Die Kassen wurden erneut geplündert. Verlorene Jahre für die Philippinen.
Um die tiefgreifenden Probleme der Philippinen zu beseitigen, müssen authentische demokratische Strukturen aufgebaut und durchgesetzt werden, die Wirtschaftsordnung ist neu zu strukturieren, eine neue Verfassung wird benötigt und der Aufbau eines Sozialsystems ist voranzutreiben. Wenn die gravierende Problematik der Armutsbekämpfung nicht durch staatliche Programme und Umverteilungsmassnahmen gelöst wird, kann es zur sozialen Explosion im Lande kommen.
Wahlen in den Philippinen am 14. Mai 2001
Am 14. Mai 2001 waren von den insgesamt 76 Millionen Philippinos, 36,5 Millionen registrierte Wähler (davon 4 1/2 Millionen Erstwähler) aufgerufen, in 226 690 Wahlbezirken zu wählen. Die rund 6 Millionen philippinischen Gastarbeiter konnten ihre Stimme nicht abgeben. Insgesamt wurden durch die Wahlen über 17 000 Positionen neu besetzt: 13 Senatoren wurden gewählt, das gesamte Unterhaus (alle Sitze im Kongress) wurde neu bestellt, alle Gouverneure und Vizegouverneure, alle Bürgermeister und deren Stellvertreter sowie Beigeordnete der Stadtparlamente standen zur Wahl.
Das Wahlverfahren stellte hohe Auforderungen an die Wähler: Jeder musste z.B. aus 36 Kandidaten für den Senat 13 auswählen und die 13 Kandidaten namentlich in die Stimmzettel eintragen. Die namentliche Eintragung galt auch für die Kandidaten des Kongresses und für alle anderen zur Wahl anstehenden Positionen. Das Wahlverfahren stellte auch hohe Anforderungen an die Auszählung und Auswertung der Ergebnisse: Alle handschriftlichen Eintragungen mussten in zeitraubenden Prozeduren ausgewertet und aufsummiert werden.
Der Wahlkampf, der am 28. Februar 2001 begann und 41 Tage dauerte verlief alles andere als freidlich. Knapp 100 Tote waren zu beklagen, die höchste Zahl in den letzten 15 Jahren (bei den Präsidentschaftswahlen 1998 waren es nur 45 Tote; bei den Wahlen 1995 waren 76 Tote zu vermelden) 1.400 Gewehre wurden im Verlauf des Wahlkampfes konfisziert, dazu ungezählte Stichwaffen. Über 16 000 Arreste wurden verfügt.
Die Wahlen wurden einerseits als Referendum angesehen: Ein positiver Wahlausgang für die Kandidaten der Regierungsseite galt als Zustimmung zur Politik der Regierung von Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo. Ein negativer Wahlausgang hätte natürlich den Argumenten der Regierungsgegner um den inhaftierten Expräsidenten Estrada erheblich mehr Gewicht verliehen und der Regierung die Amtsgeschäfte erschwerten.
Ganz konkrete Auswirkungen auf die Regierungsgeschäfte wurden andererseits natürlich durch die Neuzusammensetzung von Senat und Kongress erwartet: Die Regierung von Präsidentin Arroyo würde sich schwer tun, geeignete Gesetze durch die Legislative zu bringen, wenn Kongress und Senat von Regierungsgegnern beherrscht würden.
Die Wahlen wurden in einem politisch bewegten Klima durchgeführt. Das Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren Präsidenten Estrada im Dezember 2000 polarisierte die Lager. Die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die neue Präsidentin nach der sogenannten "People Power Revolution" im Januar 2001 und die Anklage gegen den Expräsidenten mit der Gefangennahme im April 2001, liessen die Emotionen hochschlagen. Das wirkte sich auch auf die Wahlbeteiligung aus: Rund 85 % der eingeschriebenen Wähler, also rund 30 Millionen Wähler gingen zu den Urnen.
Wegen der Umbrüche im Machtgefüge und wegen der politischen Unruhen mit Demonstrationen und Gegendemonstrationen, waren einige der Wahlbeobachter der Meinung, dass es bereits als Erfolg für die Demokratie zu bewerten sei, dass die Wahlen überhaupt stattfanden.
Laut Umfrage eines Meinungsforschungsinstitutes glaubte ein Drittel der Wahlberechtigten an Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung, Durchführung und Auszählung der Wahlen.
Vor den Wahlen bildeten sich zwei politische Blöcke. Schon während des Impeachmentverfahrens gegen den früheren Präsidenten Estrada, formierte sich eine "United Opposition" aus der christdemokrtratischen Partei Lakas NUCD und kleineren oder Regionalparteien wie Reporma, Aksyon Demokratiko und Promdi. Diese United Opposition gab sich nach der "People Power Revolution" und dem Sturz Estradas zu Beginn des Jahres 2001 den Namen People Power Coalition (PPC). Die Anhänger Estradas formierten sich unter dem Koalitionsnamen Puwersa ng Masa (PnM), was soviel heisst wie Macht des Volkes.
Ausgewählte Ergebnisse
Die Auszählung der Wahlergebnisse erfolgte in einem umständlichen und zeitraubenden Verfahren: Das National Movement for Free Elections (NAMFREL), eine angesehene private NGO, begleitete und beobachtete die Wahlen, meldete Unregelmässigkeiten im Wahlverlauf und bei der Auszählung und zählte selber aus. Die ersten Wahlergebnisse und Tendenzen wurden von NAMFREL veröffentlicht. Nach Abgabe aller Stimmen und der Sammlung der Wahlurnen an zentralen Plätzen begann die offizielle Auszählung durch die Commision on Elections (Comelec). Erst rund drei Wochen nach dem Wahltag standen die Endergebnisse fest.
Die Abstimmungsergebnisse zeigten regional ausgewertet einige Besonderheiten. Der nördliche Teil der Philippinen (Luzon und Visayas) wählte mehrheitlich die Kandidaten der People Power Coalition. Mindanaos Wähler votierten mehrheitlich für die Kandidaten der Opposition. Allerdings ist auch in Mindanao zu differenzieren: Die christliche Bevölkerungsmehrheit der Insel bevorzugte das Lager von Estrada, während die Bevölkerung in muslimischen Gebieten mehrheitlich für PPC votierten.
Wiederum bezogen auf das ganze Land, waren aber auch die christlichen Wähler in zwei Lager gespalten. Die Anhänger der katholischen Amtskirche tendierten eher zu den Kandidaten der PPC, während die beiden sektenähnlichen Glaubensgemeinschaften El Shaddai (rund 5 Millionen Anhänger) und Iglesia ni Cristo (ebenfalls rund 5 Millionen Anhänger) mehrheitlich das Lager Estradas bevorzugten.
Bezogen auf Einkommen und sozialen Status zeigte das Wählerverhalten ebenfalls markante Unterschiede. Stabil geblieben ist die Tendenz in den Philippinen, Wahldynastien zu bilden, in welchen der Sohn den Vater beerbt, wenn dessen Wiederwahl gesetzlich nicht mehr möglich ist oder der Vater den Sohn in der politischen Position ablöst. Sind beide Möglichkeiten ausgeschöpft, wird auch die Ehefrau oder die Tochter ins Rennen geschickt. Die Osmeñas in Cebu, die Romualdez in Leyte, die Josons in Nueva Ecija, die Ortegas in La Union, die Singsons in Ilocos del Sur und die Dys in Isabella sind Beispiele für Familien, die ihre Wahlkreise nach Belieben beherrschen und gewinnen.
Wahlen zum Senat (Oberhaus)
Für die Fortführung der Regierungsgeschäfte durch das Kabinett der Präsidentin Arroyo waren insbesondere die Wahlen für den Senat (Oberhaus) und für den Kongress (Unterhaus) von Bedeutung, da diese beiden Kammern Gesetze einbringen können und Gesetzesvorlagen der Regierung zustimmen müssen.
Die 24 Senatoren in den Philippinen werden für einen Zeitraum von sechs Jahren gewählt. Zeitversetzt wird alle drei Jahre die Hälfte der Senatoren erneuert. Bei den Wahlen am 14. Mai 2001 standen 13 Senatsposten zur Neuwahl an, da Senator Teofisto Guingona seinen Sitz aufgab, um die Position des Vizepräsidenten des Landes einzunehmen. 11 Senatoren wurden 1998 gewählt. Diese haben noch einen festen Sitz bis zum Jahr 2004 (siehe dazu Tabelle 1). 36 Kandidaten bewarben sich um die 13 neuen Senatsposten.
Jeder der 36 Kandidaten hatte einen landesweiten Wahlkampf zu führen, der mit immensem finanziellem Budget verbunden ist. Aus den Ergebnissen der Senatswahlen war auch die Gewichtung und die Zustimmung zu den politischen Blöcken (PPC versus PnM) abzulesen.
Noli de Castro ein unabhängiger Kandidat, der durch seine Fernsehsendungen im ganzen Land bekannt war, erreichte mit Abstand die meisten Stimmen. Auf den nächsten Plätzen folgten acht Kandidaten der Regierungskoalition (PPC) und vier Kandidaten der Opposition (PnM). Nicht für die demokratische Reife eines Teiles der Wähler spricht, dass ausgewiesene, antidemokratische bzw. korrupte Kandidaten, wie Honasan (Putschversuche), der Polizeichef Estradas, Lacson (Menschenrechtsverletzungen, Revolte), sowie die Frau Estradas, Luisa Ejercito (verwickelt in den Korruptionsskandal), in den Senat gewählt wurden.
Die Wahlen zum Senat ergaben somit folgende Gewichtung der politischen Blöcke: Zum Zuge kamen ein unabhängiger Senator, acht Senatoren der Regierungskoalition und vier Senatoren der Opposition (siehe dazu die Tabelle 2).
Im neuen Senat (allesamt Personen, mit einem Vermögen von mehr als einer Million DM), für die Periode 2001-2004, werden somit elf Senatoren der Regierungskoalition neun Senatoren der Opposition gegenüberstehen (siehe dazu die Tabelle 3). Vier unabhängige Kandidaten bieten sich für Koalitionen an. Nach allen Erfahrungen dürften sich die unabhängigen Kandidaten bei den anstehenden Koalitionsgesprächen eher der Regierungskoalition annähern, so dass die Regierung von einer funktionsfähigen Mehrheit im Senat ausgehen kann.
Da die Senatoren über landesweite Listen und nicht aus den Regionen gewählt werden, kommt es oft zu Ungleichgewichten zwischen den Regionen. Von den elf Senatoren, die noch bis 2004 im Amt sind, stammen acht aus Luzon, einer ist aus Visayas und zwei sind aus Mindanao. Von den neu gewählten dreizehn Senatoren stammen elf aus Luzon, zwei kommen aus Visayas, keiner kommt aus Mindanao. Visayas und Mindanao sind damit im neuen Oberhaus völlig unterrepräsentiert. Diese Ungleichgewichtung zwischen den Regionen ist ein weiteres Argument für einen föderalen Aufbau der Philippinen, der auch eine Neustrukturierung des Senats vorsieht.
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Wahlen zum Kongress (Unterhaus)
Das philippinische Unterhaus kann im Höchstfalle aus über 260 Kongressmitgliedern bestehen. 209 Kongressabgeordnete werden in 209 Wahlkreisen nach dem Mehrheitsprinzip gewählt. Durch ein Party-List-System werden mit landesweiten Listen bis zu 52 Sitze vergeben. Das Party-List-System, seit 1987 in der Verfassung verankert, soll marginalisierten und unterrepräsentierten Sektoren der Gesellschaft zu stärkerer Repräsentanz im Kongress verhelfen.
In einem komplizierten System werden die Sitze vergeben: Eine politische Gruppierung erhält einen Sitz im Kongress, wenn wenigstens 2% der Stimmen erreicht werden, die beim Party-List-System abgegeben wurden. Ein weiterer Sitz wird vergeben, wenn 4 % erreicht werden, ein dritter, wenn 6% der Stimmen erreicht werden. Mehr als drei Sitze können nicht von einer politischen Gruppierung erreicht werden. Bei den Wahlen am 14. Mai 2001 erreichten nur neun Gruppierungen mehr als 2% der Stimmen. Damit wurden die 52 Sitze im Kongress bei weitem nicht ausgeschöpft.
Die grossen Mehrheiten der Kongressabgeordneten werden allerdings durch die Wahl der Abgeordneten in den 209 Wahlkreisen bestimmt. Die christdemokratische Partei Lakas-NUCD gewann in der Mehrzahl der Wahlkreise das Direktmandat und erreichte über 90 der 209 Sitze. Zweitgrösste Gruppierung wurde die Nationalist People's Coalition mit rund 50 Sitzen, während früher starke Parteien wie die LPD (Laban ng Demokratikong Pilipino) mit 20 Sitzen und die LP (Liberal Party), ebenfalls mit 20 Sitzen, weniger stark abgeschnitten haben.
Durch das starke Abschneiden der christdemokratischen Partei Lakas-NUCD, dürfte der nächste Sprecher des Kongresses von dieser Fraktion gestellt werden. Der Sprecher leitet die Sitzungen, lenkt die Debatten und bereitet die Entscheidungen vor. De Venecia, der schon während der Regierung Ramos dieses viertwichtigste Amt im Staate innehatte, wird wohl auch der Sprecher des neu gewählten Kongreses sein. Durch die relative Mehrheit der Christdemoktraten im Kongress, die sicher mit kleineren Gruppierungen koalieren werden, ist im Unterhaus ebenfalls eine tragfähige Mehrheit für die Regierung der Präsidentin Arroyo gegeben.
Nach den Wahlen; Regierung Arroyo vor großen Herausforderungen
Die Regierung von Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo hat ein schweres Erbe übernommen. Skandale und Probleme während der Regierungszeit von Präsident Estrada, haben die ohnehin labile wirtschaftliche Situation in den Philippinen noch verschärft: Insidergeschäfte an der Börse haben im vergangenen Jahr zu einem Kursverfall an der Börse und zu einer Kapitalflucht ins Ausland geführt.
Neuinvestitionen sind im letzten Jahr dramatisch zurückgegangen. Kriegerische Auseinandersetzungen in Mindanao haben hohe Summen für die Armee verschlungen und Teile der dortigen Wirtschaft lahmgelegt. Touristen sind ausgeblieben wegen der Kriegshandlungen in Mindanao und wegen der Entführungen von Touristen durch Terroristengruppen. Das Haushaltsdefizit, ein anderes Erbe der Regierungszeit von Estrada, beläuft sich auf die Rekordhöhe von 140 Milliarden Peso.
Präsidentin Arroyo hat in ihren ersten hundert Tagen der Regierungszeit einige Weichen gestellt, um diese drängenden Probleme anzugehen:
- Die innenpolitische Situation konnte durch gute Beziehungen zum Militär gefestigt werden;
- durch vertrauensbildende Massnahmen konnte der Peso stabilisiert werden;
- Friedensverhandlungen mit den Rebellen in Mindanao (MILF) und mit kommunistischen Untergrundbewegungen wurden eingeleitet;
- durch Ausgabenkürzungen wurde das Budgetdefizit in Grenzen gehalten.
Um die kurzfristigen Probleme zu lösen, ist es nun dringend notwendig, ein attraktives Klima für Neuinvestitionen zu schaffen, das staatliche Budget durch verstärkte Steuereinnahmen auszugleichen, um damit die Basis für weitere notwendige Staatsausgaben zu schaffen und durch den Tourismus Einkommen zu erzielen, um Devisen zu erwirtschaften.
In engem Zusammenhang damit ist auch zu sehen, wie die Anklage gegen den früheren Präsidenten geführt wird, und ob es zu einer Verurteilung kommt. Die Verhandlung gegen Estrada wird zeigen, wie ernst es den Gerichten und der Regierung is t, wirklich mit allen verfügbaren Mitteln gegen die wuchernde Korruption vorzugehen und dabei rechtsstaatliche Grundsätze anzuwenden.
Längerfristige Perspektiven für die Regierung
Neben der Lösung kurzfristiger Probleme stehen in den Philippinen gewaltige längerfristige Problembereiche zur Lösung an:
Aufbau authentischer demokratischer Strukturen
Die demokratische Fassade der Philippinen kann kaum verhüllen, dass Patronage, familiäre Beziehungen, Familienclans die politische Richtung bestimmen. Persönlicher Reichtum ist die unverzichtbare Grundlage im Kampf um wichtige politische Ämter. Sie werden dazu genutzt, den vorhandenen Reichtum zu mehren. Eine echte Demokratie mit breiter Beteiligung des Volkes an den Entscheidungen steht noch aus.
In diesem Sunne muss die Regierung Arroyo folgende Ziele anstreben:
- Ein funktionierender Rechtsstaat mit echter Gewaltenteilung und parlamentarischer Kontrolle muss aufgebaut werden.
- Politische Parteien mit inhaltlichen Programmen müssen gestärkt und zu Interessenvertretungen der Bürger weiterentwickelt werden.
- Eine Verfassungsänderung ist vorzubereiten, um mit einem parlamentarischen System die Macht des Präsidenten zu kontrollieren und mit einem föderalen Aufbau den Regionen mehr Eigenständigkeit, Bürgernähe und Selbstverantwortung zu geben.
- Polizei und Militär müssen in einer demokratischen Ordnung ihre wichtigen Rollen zugewiesen werden. Diese Institutionen sind zu modernisieren und mit Finanzmitteln auszustatten, damit Korruption z.B. für den einzelnen Polizeibeamten nicht mehr überlebensnotwendig ist.
- Das Bildungs- und Gesundheitssystem ist zu reformieren und fitzumachen für die enormen Aufgaben im 21. Jahrhundert.
- Insgesamt ist die öffentliche Verwaltung neu zu ordnen und zu demokratisieren. Sie ist an den Bedürfnissen der Bürger auszurichten und nicht wie heute üblich, als Möglichkeit anzusehen, eigenes Vermögen anzuhäufen un zu mehren.
Wirtschaftsordnung neu strukturieren:
Schon in ihrer Regierungserklärung hat die Präsidentin angekündigt, dass mehr Wettbewerb und größere Chancengleichheit am Markt geschaffen werden soll. Das würde Neuinvestitionen beflügeln und jungen Unternehmen die Chance geben, am Markt zu bestehen, um veraltete Strukturen aufzubrechen und zu überwinden. Soziale Marktwirtschaft müsste ein Schlüsselwort für die kommenden Jahren werden. Durch Mitbestimmung und Teilhabe von Arbeitern und Angestellten, könnte die Wirtschaftsdemokratie ausgeweitet und darüberhinaus auch ein Verteilungsaspekt eingelöst werden.
Das traditionell geringe Wirtschaftswachstum in den Philippinen müsste stark beschleunigt werden, um neue Verdienstmöglichkeiten und Arbeitsplätze zu schaffen und breite Bevölkerungsschichten mit billigen Konsumartikeln zu versorgen.
Neue Verfassung mit föderalem Aufbau und parlamentarischem System:
Die gegenwärtige zentralistische Präsidialverfassung der Philippinen gewährt den Regionen, Provinzen und Kommunen nur wenig Entscheidungsspielraum. Probleme mit Minderheiten, wie den Muslimen und Lumads in Mindanao, wird eine solche Verfassung nicht gerecht, da keine Mitsprache, Mitbeteiligung oder Selbstbestimmung gewährt wird. Permanente Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen sind eine Folge dieser Zentralisierung der Macht. Das Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren Präsidenten Estrada, legte auch die Schwäche des Präsidialsystems in den Philipinnen offen. Unkontrollierte Machtfülle öffnet Tür und Tor für Machtmissbrauch und Korruption. Eine neue Verfassung müsste den Staatsaufbau neu strukturieren, die Zentralisierung politischer und wirtschaftlicher Macht in Manila reduzieren, das Regierungs- und Justizsystem modernisieren und ein System der sozialen Marktwirtschaft festschreiben.
Umverteilung und Aufbau eines Sozialstaates:
Nach der offiziellen Statistikverfügen die reichsten Philippinos über ein jährliches Einkommen, das 35 mal so hoch ist, wie das Einkommen der untersten Einkommensgruppe und die ohnehin bestehenden beträchtlichen Einkommensunterschiede vergrössern sich damit weiter. Der Auf- und Ausbau eines sozialen Netzes könnte zumindest helfen zu verhindern, dass Arbeitslose, Alte und Kranke ins soziale Elend stürzen. Die Durchsetzung eines funktionierenden und progressiven Steuersystems, könnte nicht nur das Steueraufkommen insgesamt erhöhen und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, sondern auch die finanzielle Grundlage schaffen für Programe zum Ausgleich der Disparitäten.
Bekämpfung der Armut:
Über 35% der Menschen in den Philippinen, das sind knapp 30 Millionen Mitbürger, leben in extremer Armut. In einigen Gebieten Mindanaos sind es über 55%. Die Regierung Estrada versprach, bis zum Ende der Amtszeit eine Minderung der Armut von 35% auf 24% zu erreichen. Doch schon im vergangenen Jahr kritisierte die Asian Development Bank, dass die Regierung Estrada kein ernsthaftes Programm zur Armutsbekämpfung aufgelegt und somit die Zielsetzung verfehlt habe, auf die Bedürfnisse dieser Bevölkerungschicht einzugehen und deren Probleme zu lösen.
Gezielt den Armen zu helfen heisst:
- ihnen den Zugang zu Land, Kapital, Krediten, Gesundheitsprogrammen und Bildung zu ermöglichen;
- ihnen im Fall von Krankheiten, Naturkatastrophen und dem Verlust des Arbeitsplatzes durch Sozialprogramme zu helfen;
- ihnen die politische Macht und die wirtschaftliche Möglichkeit zu geben, ihre Situation zu ändern.
Voraussetzungen für das Gelingen solcher Programme sind allerdings:
- der politische Wille bei den Reichen und Mächtigen des Landes geeignete Maßnahmen (effektives Steuersystem, Sozialversicherung etc.) auch wirklich durchzusetzen;
- aber auch Opfer zu verlangen und zu bringen, um eine Umverteilung zu ermöglichen.
Entwicklung des ländlichen Raumes:
In den ländlichen Regionen ist der Anteil der armen Bevölkerung besonders hoch. Durch die Entwicklung des ländlichen Raumes könnten mehrere Ziele erreicht werden, darunter die Selbstversorgung mit Lebensmitteln, die Armutsbekämpfung und die bessere Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Produkte. Gezielte Programme für den ländlichen Raum würden die Abwanderungstendenzen verringern und den Zustrom in die ohnehin problematischen Ballungsräume begrenzen. Programme, die den ländlichen Raum betreffen, müssen insbesondere auf die Modernisierung der veralteten landwirtschaftlichen Produktionsstrukturen zielen und die Infrastruktur verbessern.
Die Elektrifizierung des ländlichen Raumes ist noch lange nicht abgeschlossen, Bewässerungssyteme sind auszuweiten, der ländliche Strassenbau ist voranzutreiben. Auch muss der Transport von Agrargütern zu den Märkten im In- und Ausland verbessert werden. Die bisher halbherzig begonnenen Ansätze der Agrarreform müssen neu formuliert und das zuständige Ministerium mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um die Aufgaben ausführen zu können.
Bevölkerungsentwicklung:
Das Bevölkerungswachstum der Philippinen ist mit jährlich 2,3% weltweit eines der höchsten. Der Zuwachs der Bevölkerung von derzeit 76 Millionen beträgt jährlich über 1,7 Millionen,das bedeutet auch jährlich über eine Million zusätzliche Schulanfänger (derzeit gibt es bereits 20 Millionen schulpflichtiger Kinder) und natürlich jährlich eine Million Menschen zusätzlich auf dem Arbeitsmarkt.
Für die Regierung ist das schon heute eine unlösbare Aufgabe. 40% der philippinischen Bevölkerung sind derzeit unter 15 Jahren alt. Wenn diese nachwachsende Generation, wie ihre Eltern, drei bis vier Kinder haben werden, ist mit einer weiteren raschen Bevölkerungszunahme in wenigen Jahren zu rechnen. (Im Jahr 2025 könnten es bereits über 140 Millionen Menschen sein.) Eine drastische Zunahme der Verarmung in den Philippinen wäre dann unausweichlich.