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Superwahljahr 2022: Wahlsystem

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Das brasilianische Wahlsystem greift je nach Mandatsart auf das Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht zurück. Das Mehrheitswahlrecht findet Anwendung bei der Bestimmung der Exekutiven, das heißt, bei der Wahl des Präsidenten, der Gouverneure der Bundesstaaten und Bürgermeister, ebenso wie bei den Senatoren. Der Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereint, erhält das jeweilige Mandat. Ungültige Stimmen oder leere Wahlzettel werden dabei nicht berücksichtigt. Sollte der Kandidat keine absolute Mehrheit erreichen, kommt es zu einer Stichwahl. Amtsinhaber die für ein anderes politisches Amt kandidieren, müssen ihr aktuelles Mandat im Vorfeld niederlegen. Für die Nominierung ist außerdem die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei erforderlich. Diese kann in einem während des so genannten Wechselfensters in einem Zeitraum von 30 Tagen sieben Monaten vor den Wahlen geändert werden. Bei der Wahl der Abgeordneten und Stadträte werden die Ämter gemäß dem Verteilungsschlüssel des Verhältniswahlrechts vergeben. Die Parteien und Parteiverbände treten dabei in der Regel mit einer Kandidatenliste an. Den Personen, die am meisten Stimmen auf sich vereinen, gelingt dabei der Einzug in das Abgeordnetenhaus beziehungsweise den Stadtrat.

Das brasilianische Parlament besteht aus zwei Kammern, nämlich dem Senat und dem Abgeordnetenhaus. Im Senat sind die 26 Bundesstaaten sowie den Stadtstaat Brasilia durch jeweils drei Senatoren für jeweils acht Jahre vertreten. Dem Rotationsprinzip zufolge werden alle vier Jahre zwei beziehungsweise ein Drittel des Senats erneuert. 2022 werden 27 der insgesamt 81 Senatoren, also ein Drittel der Mandatsträger, neugewählt. Das Abgeordnetenhaus wiederum setzt sich aus 513 Volksvertretern der 27 Wahlkreise zusammen. Jedem Bundesstaat sind zwischen acht und 70 Sitze garantiert. Diese Begrenzung sowie die seit 1994 ausstehende Anpassung der Proportionen an die Bevölkerungszahl führt dazu, dass der bevölkerungsreichste Bundesstaat São Paulo unterrepräsentiert ist, wohingegen andere Staaten wie Acre überrepräsentiert sind. Ein entsprechender Korrekturversuch des Obersten Wahlgerichts TSE von 2013 wurde vom Obersten Gerichtshof STF aufgrund eines verfassungswidrigen Verfahrensfehlers gekippt. Des Weiteren müssen die Parteien seit 2018 eine 1,5 %-Hürde in mindestens neun Bundesstaaten überwinden. Diese soll bis 2030 auf drei Prozent gesteigert werden. Sie hat zum Ziel die Anzahl der Parteien im Parlament zu reduzieren und den Zugang zum Parteifond und den Sendezeiten im Fernsehen zu regulieren. Außerdem wurde 2017 angesichts des Verbots der Unternehmensspenden ein Wahlkampagnenfond eingeführt, um Korruption vorzubeugen. 30 Prozent des Fonds steht dabei den Kandidatinnen zu. Nicht verwendete Mittel zurückgegeben werden. Im Jahr 2022 beläuft sich der Wahlkampagnenfond für die 32 beim TSE registrierten Parteien auf 4,97 Milliarden Reais (zirka 987 Millionen Euro). Der União Brasil stehen dabei 782 Millionen Reais (zirka 155 Millionen Euro) zu, gefolgt von der Arbeiterpartei PT mit 503 Millionen Reais (zirka 99 Millionen Euro), der Zentrumspartei MDB mit 363 Millionen Reais (zirka 72 Millionen Euro) und der sozialdemokratischen Partei PSD mit 349 Millionen Reais (zirka 69 Millionen Euro).

Brasilianer zwischen 18 und 70 Jahren sind zum Wählen verpflichtet und müssen sich im Vorfeld der Wahl registrieren. 1996 fand erstmals eine elektronische Wahlurne auf der Ebene der Kommunen Anwendung. Seit 2000 wird diese landesweit eingesetzt. Auch bei der diesjährigen Stimmabgabe soll das Verfahren für die Wahl der Parlaments- und Regierungsvertreter angewendet werden, unter Berücksichtigung von Kriterien wie Inklusion, Sicherheit, Transparenz und Agilität. Die Ergebnisse werden Dank dieser Technologie noch am selben Tag der Wahl bekanntgegeben. Seit 2021 zweifeln Anhänger der Bolsonaro-Regierung die Sicherheit und Zuverlässigkeit dieses Wahlsystems an, nicht zuletzt beim Botschafter-Treffen am 18. Juli, obwohl das System im Vergleich zu konventionellen Methoden nachweislich betrugssicher ist und kontinuierlich verbessert wird. Die elektronische Wahlurne wird inzwischen auch in anderen Ländern wie Argentinien, Ecuador, Mexiko, Paraguay und in der Dominikanischen Republik eingesetzt. Auch Deutschland bekundete Interesse an dem System.

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