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Tobias Piller

#KASkonkret

„Da gibt es viel aufzuarbeiten“

von Maximilian Nowroth

#KASkonkret_10: Wie stellen wir uns der Krise?

Tobias Piller berichtet seit knapp drei Jahrzehnten für die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Rom. In Folge 10 von #KASkonkret sprach er über europäische Solidarität, italienische Pläne und das Feindbild Deutschland.

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Welche Assoziationen haben Sie mit Italien? Pizza, Pasta, Pistazieneis? In den vergangenen Monaten stand das südeuropäische Land vor allem für die dramatischen Folgen des Coronavirus. Die schrecklichen Bilder aus Bergamo, auf denen Militär-Lastwagen mit Leichen durch die Stadt fahren – sie haben sich tief ins kollektive europäische Gedächtnis eingebrannt.

 

 

Mittlerweile ist die gesundheitliche Krise unter Kontrolle, aber das Land liegt wirtschaftlich am Boden. Deshalb will die EU-Kommission Italien mit mehr als 170 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds unterstützen. Was bedeutet das für die europäische Solidarität? Darum ging es in Folge 10 unserer digitalen Veranstaltungsreihe #KASkonkret.

 

Live aus Rom war Tobias Piller zugeschaltet, der seit 1992 aus der italienischen Hauptstadt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung über die Lage im Land berichtet. Zunächst ging es um die Frage, wie sich in der Krise die Stimmung gegenüber Deutschland entwickelt hat. Der Journalist betonte, dass sich Deutschland auch an medizinischen Hilfslieferungen beteiligt habe. „Allerdings wurden diese im Gegensatz zu den anderen Ländern nicht persönlich am Flughafen begrüßt.“

 

Ein Grund dafür sei auch gewesen, dass das deutsche Wirtschaftsministerium die Liste mit Gütern nicht freigegeben habe. „Da sind Leute in Rom verzweifelt, weil sie keine Gelegenheit hatten mitzuteilen, was überhaupt geliefert worden ist.“ Die Folge: Mitte April veröffentlichte die Region Lombardei ein emotionales Video, um den unterstützenden Ländern zu danken. Nur Deutschland war nicht dabei. 

 

Dieses Stimmungslage unterstrich Tobias Piller mit Verweis auf ein Umfrageergebnis: Laut des italienischen Meinungsforschungsinstituts SWG hielten zu dieser Zeit 45 Prozent der Italiener Deutschland für ein verfeindetes Land. Der Wirtschaftskorrespondent sagte, dass Deutschland schon seit vielen Jahren der „Buhmann“ in Italien sei, vor allem wegen der Sparvorgaben innerhalb der EU.

 

„Und es ist auch viel Stimmungsmache dabei, weil man die Themen nie bis in die Tiefe behandelt“, sagte Piller. In Fernsehdiskussionen zum Beispiel gäbe es nie die Gelegenheit, ausführlich über die bilateralen Beziehungen zu reden. „Da gibt’s viel aufzuarbeiten, das geht nicht an einem Tag.“

 

In jüngster Zeit aber scheint sich das Verhältnis verbessert zu haben, immerhin war der italienische Außenminister Luigi Di Maio Anfang Juni in Berlin und dankte Deutschland für die Corona-Hilfen. Gleichzeitig machte er Werbung für sein Land, das Touristen seit dieser Woche wieder offensteht.

 

„Italien braucht jetzt einzelne, große Projekte“

 

Der Tourismus trägt rund ein Achtel zur italienischen Wirtschaftsleistung bei und ist ein Hoffnungsträger des Landes, um sich wieder zu erholen. Ab dem 13. Juni beraten führende Köpfer der italienischen Politik und aus der Wirtschaft, wie das Land aus der Krise kommen und wohin die EU-Milliarden fließen sollen. Tobias Piller fordert vor allem einzelne, große Projekte. Damit meiner er nicht nur Infrastrukturprojekte, „sondern auch Geld für Universitäten oder Sozialprogramme. Auf jeden Fall keine 3.000 kleinen Projekte, die man nicht überschauen und kontrollieren kann.“

 

In einigen Jahren wird man bewerten können, ob diese Krise Europa näher zusammengebracht hat. Georg Schneider, Referent für Wirtschaftspolitik im Bonner Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung, sieht aber schon jetzt zwei wichtige Lehren, die Europa und Italien daraus gezogen haben: „Einerseits die Notwendigkeit des richtigen Zusammenführens von rascher, wirksamer Soforthilfe mit den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft – und andererseits das Bedürfnis nach politisch interessierten Botschaftern zwischen den Kernländern Europas. Es zeigt sich mittelfristig: Politische Bildung ist eben auch systemrelevant.“

 

 

Zum Abschluss des Livestreams kam noch eine Frage aus dem digitalen Publikum bei Facebook: Wie sollte die EU-Kommission in Brüssel darauf achten, dass die Regierung in Rom das Geld auch so verwendet, dass es langfristig nützt? Tobias Piller betonte, dass es in der italienischen Politik durchaus die Absicht gebe, „etwas Sinnvolles aus dem Geld zu machen. Und es nicht nur in Wahlgeschenke und Klientelpolitik umzumünzen.“ 

 

„Brüssel sollte Italien ein bisschen Rechtfertigungsdruck spüren lassen“

 

Nun hänge es davon ab, die Italiener in dieser Absicht zu unterstützen und Geduld zu haben, „wenn sie jetzt ein bisschen lange brauchen, um das Ganze mal in Bewegung zu kriegen“. Gleichzeitig sei es wichtig, die Regierung „auch ein bisschen Rechtfertigungsdruck spüren zu lassen und darauf zu drängen, dem Rest von Europa regelmäßig zu berichten, was geplant ist“.

 

Die Veranstaltung war enorm hilfreich, um unseren Verbündeten im Süden Europas ein bisschen besser verstehen zu lernen. In der kommenden Woche geht es bei #KASkonkret weiter mit der Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen. Am Dienstag, 16. Juni sprechen wir ab 18 Uhr über das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit bei der Rückkehr in die neue Normalität. Wie immer live auf der Facebookseite der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bis dann, wir sehen uns!

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