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IMAGO / Rolf Zöllner

Antisemitismus an Berliner Hochschulen

An deutschen Hochschulen nehmen die antisemitischen Vorfälle zu. Besonders eindrücklich war die Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität. Jüdische Studenten fühlen sich nicht mehr sicher. Sie werden bedroht, das Vertrauen in die Hochschulleitung ist erschüttert.

Die Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Berliner Humboldt-Universität durch gewaltbereite Antisemiten hat uns vor Augen geführt, dass es in Deutschland wieder Orte gibt, an denen Juden Angst haben müssen.

Seit Herbst vergangenen Jahres haben Berliner Hochschulen immer wieder mit israel- und judenfeindlichen Vorfällen von sich reden gemacht. Die Stimmung auf den Campus ist aufgeheizt, es kam zu spontanen Kundgebungen, Veranstaltungen wurden gestört. Im Dezember 2023 wurden Eingänge und Hörsäle besetzt, jüdische Studentinnen und Studenten den Zugang zu ihren Lehrveranstaltungen verwehrt. Großes Aufsehen, auch international, erregte der Abbruch einer Podiumsdiskussion mit der israelisch-jüdischen Verfassungsrichterin und Jura-Professorin Daphne Barak-Erez. Sie fand am 8. Februar 2024 in der Humboldt-Universität statt und wurde von propalästinensischen Aktivisten so massiv gestört, dass man sich genötigt sah, die Veranstaltung zu beenden. Anfang Februar 2024 wurde an der Freien Universität ein jüdischer Student von einem propalästinensischen Kommilitonen angegriffen und krankenhausreif geschlagen.

Bisheriger – trauriger – Höhepunkt antisemitischer Vorfälle an Berliner Hochschulen: die Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität am 22. und 23. Mai 2024. In Anbetracht der vorherigen Eskalationen und vieler ähnlicher Vorfälle an US-amerikanischen Universitäten war die Besetzung an sich nicht allzu überraschend. Umso verstörender erschien allerdings das Vorgehen des Universitätspräsidiums unter Leitung von Professor Julia von Blumenthal. Nach Beginn der gewaltsamen Besetzung machte sich das vierköpfige Gremium auf den Weg zum Institut, stand vor verschlossenen Türen und signalisierte Gesprächsbereitschaft. Über einen Hintereingang gelang schließlich der Zutritt. Im Ergebnis mehrstündiger Verhandlungen wurde entschieden, die Besetzung bis zum darauffolgenden Tag 18:00 Uhr zu dulden. Die Besetzer sagten zu, keine weiteren Personen ins Gebäude zu lassen und keine weiteren Straftaten zu begehen. Doch sie hielten sich nicht an ihre Zusagen. Immer mehr Menschen betraten das Gebäude, Schlafsäcke wurden noch am Tag des verabredeten Besetzungsendes ins Haus geschafft, Büroräume wurden verwüstet und mit antisemitischen Hetzbotschaften beschmiert. Nahost-Forscher wurden mit dem Hamas-Dreieck auf ihren Türschildern als Angriffsziele markiert. Das Zeichen taucht seit der Besetzung an immer wieder neuen Stellen in der Universität oder in ihrer Nähe auf. Jede Zerstörung, jede Hetzbotschaft wurde von den Besetzern in den sozialen Netzwerken veröffentlicht und triumphal gefeiert.

„Während die Besetzer von der Unileitung geduldet und mit Gesprächsformaten hofiert wurden, konnten Lehrende nicht lehren, Forschende nicht forschen und Studierende nicht studieren.“

Dustin Müller

Der Universitätspräsidentin von Blumenthal stand die Überforderung während ihrer öffentlichen Stellungnahmen und der auf Anweisung des Berliner Senats veranlassten Räumung des Institutsgebäudes ins Gesicht geschrieben. Während die Besetzer von der Unileitung geduldet und mit Gesprächsformaten hofiert wurden, konnten Lehrende nicht lehren, Forschende nicht forschen und Studierende nicht studieren. Julia von Blumenthal schien nach den zahlreichen Sitzblockaden, dem geschilderten Veranstaltungsabbruch und der Welle antisemitischer Gewalt weder willens noch in der Lage, den Universitätsbetrieb aufrechtzuerhalten,  einen sicheren Ort für alle Angehörigen der Hochschule zu schaffen und die Sicherheit der jüdischen Studentinnen und Studenten zu gewährleisten. Der CDU-geführte schwarz-rote Senat schritt folgerichtig ein und beendete die Besetzung.

Auf Jüdinnen und Juden und jeden unvoreingenommenen Beobachter wirkte das Ganze wie eine Abfolge von Albträumen. Die Universitätsleitung versäumte es, sich an die Seite der Schwachen zu stellen und die Universität als Hort der offenen Debatte, gegen Gewalt und antisemitische Hetze zu verteidigen. Im Gegenteil: die ausgestreckte Hand galt denen, die nicht am Dialog interessiert waren, sondern nur an Hass, Hetze, Gewalt und Spaltung.

Ein unverzeihlicher Fehler und ein notwendiger Neustart

Es war ein unverzeihlicher Fehler. Und der muss aufgearbeitet werden. Es braucht einen Neustart. Um der Hilflosigkeit ein Ende zu setzen und gegen das Klima der Angst.

Wenn jüdische Kommilitonen verkünden, Deutschland nach ihrem Studium verlassen zu wollen, dann bricht es mir das Herz. Das widerspricht allem, woran ich geglaubt habe: Dass Jüdinnen und Juden, denen Deutschland mit dem Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus so unermessliches Leid angetan hat, hier ohne Angst als gleichberechtigte Bürger leben können.

privat

Dustin Müller (20), studiert Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, ist nebenberuflich seit vier Jahren im Deutschen Bundestag tätig und sitzt dem Ring christlich-demokratischer Studenten (RCDS) an seiner Universität vor.

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