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Länderberichte

Israels regionale Außen- und Sicherheitspolitik

von Dr. Beatrice Gorawantschy, Lina Michelsen

Im Spannungsfeld innenpolitischer Volatilität, regionaler Friktionen und externer Bedrohungen

Nur wenige Tage nachdem Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog in einer Rede vor dem US-Kongress den Bestand der Demokratie in Israel gegenüber der Biden-Administration rückversichert und die Bedeutung der bilateralen Beziehungen zu den USA gepriesen hatte, verabschiedete die Knesset kurz vor der parlamentarischen Sommerpause Ende Juli einen Teil der umstrittenen Justizreform. Die Auseinandersetzungen um diese Reform, die von ihren Gegnern als Gefahr für die demokratische Verfasstheit des Staates bewertet wird sowie die Proteste unterschiedlicher Gruppierungen haben die gesellschaftliche Polarisierung in Israel in den letzten Monaten deutlich verschärft.

Sicherheitsexperten warnen zudem vor Risiken für Israels innere und äußere Sicherheit und sahen sich bestätigt, als im Laufe der letzten Wochen immer mehr Reservisten erklärten, ihren Dienst – als Protest gegen die Vorhaben der Regierung – zu verweigern. Die Befürchtungen einer fortschreitenden Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und damit schwindender nationaler Resilienz – in der israelischen Wahrnehmung ein existenzieller Bestandteil innerer und äußerer Sicherheit – finden in der angespannten Sicherheitslage an Israels Nordgrenze, einer Eskalationsspirale der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern, einer aggressiveren Siedlungspolitik unter der gegenwärtigen Regierung sowie verschlossenen Türen für Benjamin Netanjahu in Washington und am arabischen Golf aktuell ihre außen- bzw. sicherheitspolitische Entsprechung.

Israels Regierungschef – dem in der Vergangenheit von Anhängern wie Gegnern als „Mr. Security“ ein exzellentes außen- und sicherheitspolitisches Gespür bescheinigt worden war – hat sich auch in diesem Bereich in eine Zwangslage katapultiert; daran tragen seine politischen Hardliner-Koalitionspartner einen nicht unerheblichen Anteil. Ein Überblick über die aktuellen regionalen außen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen zeigt die unterschiedlichen Spannungsfelder auf.

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Abraham Abkommen – Wege zu neuem regionalen Pragmatismus?

Die im September 2020 geschlossenen Abraham Abkommen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain, gefolgt von Marokko und Sudan – haben sich in den letzten Jahren als eine neue, richtungsweisende Dynamik in der Region erwiesen. Gab es in Netanjahus Wahlkampf 2022 noch Ankündigungen über eine mögliche Ausweitung dieses außenpolitischen Prestigeprojektes, das er einst als „Deal des Jahrhunderts“ gepriesen hatte, sind die Beziehungen – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – seit seinem Amtsantritt jedoch merklich abgekühlt. Provokante Aktionen und extreme Äußerungen seitens Finanzminister Bezalel Smotrich und dem Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, führten in den letzten Monaten zu Absagen von geplanten Handelsgeschäften und Treffen. Zuletzt wurde Außenminister Eli Cohens Besuch in Bahrain verschoben, nachdem Ben Gvir zum wiederholten Male den Tempelberg/Haram al-Sharif aufgesucht und somit den fragilen Status Quo der heiligen Stätten herausgefordert und die arabische Welt erneut provoziert hatte. Es wäre der erste offizielle Besuch des Außenministers in einem der Unterzeichnerländer gewesen. Auch das für März geplante Ministertreffen des Negev-Forums wurde im Juni von Marokko abgesagt, nachdem es im Vorfeld mehrfach vertagt worden war.[1] Als Gründe galten u.a. die Ankündigung neuer Siedlungen sowie der groß angelegte israelische Militäreinsatz in Jenin im Juli. Darüber hinaus stehen offizielle Treffen zwischen Netanjahu und seinen Counterparts der Unterzeichnerstaaten bis dato aus.

Obgleich die Unterzeichnung der Abraham-Abkommen einen Paradigmenwechsel markierte, der Israels Anerkennung durch arabische Staaten nicht mehr zwingend an eine Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt knüpfte,[2] fällt es Israels neuen Partnern angesichts einer eskalierenden Gewaltspirale und intensivierter israelischer Militäreinsätze im Westjordanland sowie einer verschärften Politik gegenüber den Palästinensern auf beiden Seiten der grünen Linie zunehmend schwer, sich öffentlich zu Beziehungen mit Israels rechter Regierung zu bekennen. Dies schlägt sich auch in der öffentlichen Kritik und Verurteilungen von Israels Vorgehen in den besetzten Gebieten in internationalen Foren nieder.[3] Darüber hinaus zeigen Umfragen, dass die Zustimmung zu den Abkommen bzw. zur Normalisierung mit Israel in der Bevölkerung der arabischen Unterzeichnerländer in den letzten beiden Jahren stagniert oder gar abgenommen hat.[4]

Trotz schwelender Spannungen zwischen Israel und seinen Partnern setzt sich die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit – zweifelsohne der Kern der Abkommen – unvermindert fort, wenn auch auf niederschwelliger Ebene. So trat beispielsweise dieses Frühjahr das Freihandelsabkommen zwischen Israel und den VAE in Kraft. Darüber hinaus fand die erste Sitzung des marokkanisch-israelischen Lenkungsausschusses für Verteidigungszusammenarbeit in Rabat statt. Auf diplomatischer Ebene setzen sich die Arbeitsgruppen des Negev-Forums und der I2U2 Group (Indien, Israel, UAE, US) fort. Darüber hinaus institutionalisierte die Eingliederung Israels in das US-CENTCOM die regionale Zusammenarbeit der israelischen Streitkräfte bspw. in Form von gemeinsamen Militär- und Marineübungen und bietet Mechanismen für die Kommunikation und Zusammenarbeit Israels mit Staaten ohne diplomatische Beziehungen.

Die „Geduld“ vor allem der Golfstaaten beruht weitestgehend auf der Tatsache, dass Israel ein wichtiger Teil eines größeren strategischen Kalküls ist, um Wirtschaftswachstum, Stabilität und Sicherheit in der Region zu gewährleisten sowie den wahrgenommenen amerikanischen Rückzug aus der Region abzufedern.[5] Zwar gab es in den letzten Monaten israelische Stimmen, die ein mögliches Auseinanderbrechen der Abkommen befürchteten, dies scheint jedoch ein höchst unwahrscheinliches Szenario, da für die Golfstaaten die strategische Logik hinter den Abkommen weiterhin vorrangig ist. Gleichwohl sind Israel und seine regionalen Partner, entgegen den anfänglich geäußerten Bestrebungen, von einer institutionalisierten Sicherheitskooperation noch weit entfernt. Auch die israelische Lesart der Abkommen als “Bündnis gegen den Iran“ wird von Abu Dhabi, Manama (und Riad) dezidiert nicht geteilt. Die jüngsten Annäherungen der VAE und Saudi-Arabien mit Iran haben den israelischen Hoffnungen auf ein solches Bündnis ohnehin eine klare Absage erteilt; an einer möglichen militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran haben die Regionalmächte kein Interesse.

Die Bestrebungen Netanjahus, sein außenpolitisches Prestigeprojekt auszuweiten und zu vertiefen, scheinen in naher Zukunft nicht zu dem erwarteten Erfolg zu führen. Dafür gewähren ihm seine Koalitionspartner bisher nicht den nötigen Handlungsspielraum. Um das neu gefundene Paradigma “Peace-for-Peace”, statt “Land-for-Peace”, wie es noch die Arabische Friedensinitiative vorsah, am Leben zu halten, versucht Israel, den „Circle of Peace“ zu erweitern und nicht-arabische, aber mehrheitlich muslimische Staaten in seiner „Peripherie“[6] in die Abkommen einzugliedern.

 

Normalisierung mit Saudi-Arabien?

Diskussionen über ein mögliches Normalisierungsabkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien haben in den letzten Wochen deutlich an Fahrt aufgenommen, was sich auch in der medialen Berichterstattung niederschlägt. Diese Entwicklung scheint insbesondere durch die Regierung Joe Bidens befeuert, die vor den Präsidentschaftswahlen 2024 großes Interesse an einem außenpolitischen Erfolg hat. Zudem soll Chinas wachsender Einfluss in der Golfregion, zuletzt eindrucksvoll demonstriert durch Beijings Vermittlung zwischen Saudi-Arabien und Iran, entgegengewirkt werden. Auch der innenpolitisch angeschlagene Netanjahu hat großes Interesse daran, Diskussionen über eine mögliche Normalisierung am Leben zu halten.

Riad indes scheint eine Verstetigung der ohnehin existierenden „verdeckten“ Kooperation – ohne die politischen Kosten einer „offiziellen“ Normalisierung tragen zu müssen – vorzuziehen. Trotz einer gewissen Aufweichung der Position der saudischen Regierung – unter anderem im Bereich der Verteidigungszusammenarbeit und der Öffnung des Luftraums für den israelischen Luftverkehr, hält Saudi-Arabien weiterhin an seinem Engagement für die Arabische Friedensinitiative von 2002 fest. Die Regierung hat in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel nur nach Zugeständnissen an die Palästinenser möglich sei und die israelische Regierung vermehrt für ihr Vorgehen kritisiert. Aus innen- wie regionalpolitischen Legitimationsgründen bzw. auf der Grundlage von Riads Führungsanspruch in der arabischen Welt, deren Bevölkerung eine Normalisierung mit Israel weiterhin in mehrheitlich ablehnt, ist die Politik der saudischen Führung eine Art Balanceakt zwischen Wahrung von Eigeninteressen und Bemühungen um Ausgleich im israelisch-palästinensischen Konflikt. So hat Saudi-Arabien jüngst einen Botschafter für die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) ernannt – quasi ein Zugeständnis an die Solidarität der arabischen Welt mit den Palästinensern und eventuell eine Geste um einen möglichen Normalisierungsprozess zu legitimieren. Die Einrichtung einer diplomatischen Mission in Jerusalem für die PA wird von Israel allerdings vehement abgelehnt.

Riad knüpft eine Normalisierung mit Israel an hohe Forderungen an die USA – u.a. verstärkte Sicherheitsgarantien, Hilfe bei der Entwicklung eines zivilen Atomprogramms und weniger Beschränkungen für Rüstungsimporte aus den USA – und es gibt Anzeichen, dass Washington bestrebt ist, die Verhandlungen voranzutreiben. Jüngst gab auch Israels nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi bekannt, dass Israel – entgegen seiner jahrzehntelangen offiziellen Haltung – ein ziviles Nuklearprogramm in Saudi-Arabien nicht kategorisch ablehnen würde. Dies widerspricht jedoch Einschätzungen aus israelischen Sicherheitskreisen, die eine solche Entwicklung weiterhin äußerst kritisch sehen und eine Nuklearisierung des Nahen Osten ablehnen, um den eigenen militärischen Vorsprung in der Region nicht zu gefährden.

 

Ausstrahlung des Nahostkonflikts auf die Region

Die Sackgasse, in der sich Israels Beziehungen zu seinen arabischen Nachbarn befindet, unterstreicht, wie sich aktuell die israelische Politik gegenüber den Palästinensern zu einem Hindernis für regionale Normalisierungsbemühungen entwickelt hat. Die israelische Annahme, die Palästinenser gänzlich aus ihren Annäherungen mit der arabischen Welt ausklammern zu können, wird damit ad absurdum geführt.

Die Eskalationsspirale der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern ist keine neue Entwicklung. In den letzten Monaten kam es allerdings zu einer Intensivierung der Gewalt; umstrittene Anti-Terror Maßnahmen, wie Erleichterungen bei der Vergabe von Waffenlizenzen, der massive Ausbau von Siedlungen und die Legalisierung „illegaler“[7] Außenposten haben dabei nicht gerade mäßigend gewirkt. Zudem ist ein signifikanter Anstieg extremistischer Siedlergewalt, oft noch befeuert durch Hardliner innerhalb der Regierungskoalition festzustellen.[8] Israelische Sicherheitsbehörden warnen mittlerweile vor einer möglichen Spirale der Rache und beklagen den nahezu rechtsfreien Raum für Siedler im Westjordanland.[9]

Selbst die von Netanjahu einst geprägte Formel des “Konfliktmanagements”, das die Sicherheit der Israelis weitestgehend garantieren sollte, insbesondere durch die Sicherheitskooperation mit der Palästinensischen Autonomiebehörde - allerdings ohne politische Zugeständnisse an die Palästinenser und ohne Zugeständnisse beim Siedlungsbau - scheint unter der neuen Regierung gänzlich aufgegeben. Nachdem 2022 das tödlichste Jahr im Westjordanland seit der zweiten Intifada markierte, wird die Zahl der getöteten Palästinenser und Israelis diese Marke in diesem Jahr noch überschreiten. Regionale Versuche, durch kurzfristig einberufene Treffen mit israelischen und palästinensischen Regierungsvertretern in Aqaba und Sharm El-Sheikh im Februar und März diesen Jahres, die Situation zu deeskalieren sowie die PA zu stärken und Israel zu Zugeständnissen bspw. im Siedlungsbau zu bewegen, wurden von Netanjahus rechten Koalitionspartnern prompt untergraben und blieben erfolglos. Minister Smotrich, der selbst radikaler Siedler ist und 2017 mit seinem „Unterwerfungsplan“[10] für die Palästinenser für Schlagzeilen sorgte, wurden inzwischen neue Befugnisse in zivilen Angelegenheiten in weiten Teilen des Westjordanlands, bspw. dem Siedlungsbau zugesprochen – eine Entwicklung, die Beobachter als gefährliches Element einer schleichenden Annexion des Westjordanlandes bewerten, letztlich die Zweistaatenlösung ad absurdum führt und Israels Ansehen in der internationalen Gemeinschaft schadet.[11]

Aus israelischer Sicht besonders beunruhigend sind die sich verstärkenden iranischen Aktivitäten im Westjordanland. Iran und seine regionalen Verbündeten sehen den israelisch-palästinensischen Konflikt zunehmend als eine Erweiterung ihrer eigenen Konfrontation mit Israel. So unterstützt die Regierung in Teheran die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Jihad (PIJ) sowie kleinere bewaffnete Gruppen in Städten wie Jenin und Nablus durch finanzielle Mittel und Schusswaffen; letztere spielten jüngst eine entscheidende Rolle bei Anschlägen und Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee.[12]

 

Gefahr eines Mehrfrontenkriegs?

Israelische Sicherheitsbehörden und Analysten warnen vermehrt vor einer Umzingelung durch Irans “Achse des Widerstands”. Im April wurden gewalttätige Auseinandersetzungen auf dem Tempelberg – als Folge einer Razzia israelischer Sicherheitskräfte im Al Aqsa Komplex während des Ramadans – mit Raketensalven aus dem Gazastreifen, dem Libanon und Syrien beantwortet; der Raketenbeschuss aus dem Libanon war der schwerste seit dem Krieg 2006. Die Eskalation demonstrierte die konvergierenden Dynamiken wie bspw. der israelisch-iranischen Rivalität mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Israel sieht sich zunehmend mit einer Verschmelzung von zuvor begrenzten Konfliktgebieten – Hamas und PIJ im Gazastreifen, Hisbollah im Libanon, bewaffnete palästinensische Gruppen im Westjordanland und iranische Stellvertreter in Syrien – konfrontiert. Verteidigungsminister Yoav Gallant warnte in diesem Zusammenhang, dass sich die israelischen Streitkräfte auf einen Mehrfrontenkrieg mit verschiedenen Stellvertretern Irans vorbereiten müssten.

In den letzten Wochen lässt sich in israelischen Sicherheitskreisen Nervosität bezüglich der Provokationen durch die Hisbollah an der Blauen Linie erkennen. Beobachter sehen in Aktionen wie dem Aufstellen zweier Zelte mit bewaffneten Kämpfern in einem umstrittenen Grenzgebiet sowie Sabotageakten entlang des Grenzzaunes auch einen Beleg für die abnehmende israelische Abschreckungswirkung in Folge der aktuellen innenpolitischen Krise. Israels nationaler Sicherheitsberater befürchtet, dass die Krise über die Justizreform die Hisbollah zu neuen Operationen ermutigen könnte.[13] Auch Iran hat in den letzten Monaten mehrfach versucht, mit verschiedenen Cyber-Kampagnen die Spaltung in der israelischen Gesellschaft noch zu verstärken. Dies ist als Ausdruck des andauernden israelisch-iranischen Schattenkrieges zu bewerten.

Doch Hassan Nasrallah, der Anführer der libanesischen Hisbollah-Miliz und die iranische Führung sind sich durchaus bewusst, dass die momentane Krise in Israel de facto innenpolitischer Natur ist und im Land weiterhin ein überwältigender Konsens bezüglich externer Bedrohungen, insbesondere was Iran und seine Stellvertreter betrifft, besteht. Ein aggressiveres Vorgehen der „Feinde“ Israels hätte naturgemäß eine Stärkung der Einheit der israelischen Gesellschaft und der Streitkräfte zur Folge. Es ist wahrscheinlicher, dass Iran und die Hisbollah die innenpolitische Krise Israels weiterhin als Möglichkeit für eine sorgfältig kalibrierte Eskalation nutzen, ohne die Protestbewegung zerschlagen oder einen Krieg auslösen zu wollen. Hier ist Israel gefordert, die nötige Balance zu wahren und eine Eskalation, die auch für Israel verheerende Auswirkungen haben würde, zu verhindern.

Die Ausweitung des israelisch-iranischen Schatten- und Stellvertreterkriegs stellt eine gefährliche Dynamik für die gesamte Region dar. Obgleich die Region in den letzten drei Jahren durch eine Vielzahl von Annäherungen und die Öffnung lange verschlossener diplomatischer Kanäle geprägt ist, haben sich die Fronten in Konflikten wie zwischen Israel und Iran sowie zwischen Israelis und Palästinensern weiter verhärtet. Die zunehmende Konvergenz dieser Konflikte birgt daher die Gefahr einer weiteren Verschärfung sowie fortschreitender regionaler Destabilisierung.

 

Fazit

In Israel stehen nationale Sicherheit und Widerstandsfähigkeit in engem Zusammenhang mit der äußeren Sicherheit des Landes und der Glaubwürdigkeit gegenüber den internationalen Partnern. Sicherheit war eines der entscheidenden Themen, mit dem sich Benjamin Netanjahu im Wahlkampf präsentierte. Analysten werfen ihm nun vor – gerade vor dem Hintergrund der Justizreform – das Land stattdessen in die permanente Unsicherheit geführt zu haben und sehen Zeichen für Netanjahus zunehmende Bereitschaft, die Sicherheit Israels zur Festigung seiner eigenen Position zu gefährden. Die Pfeiler, die Israels Sicherheit nachhaltig garantieren, sind alle ins Wanken geraten – die Streitkräfte, die um ihre Reservisten bangen müssen; der nationale Zusammenhalt, der bröckelt; die Wirtschaft, die schwächelt und die Beziehungen zu den USA, die gelitten haben. Netanjahu hätte es in der Hand, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, bevor die Feinde Israels weiter versuchen, Vorteile aus der vermeintlichen Schwäche des Landes zu ziehen bzw. zusätzliche Konsequenzen für den Nahostkonflikt, die regionale Integration und das internationale Ansehen drohen. 

 

 

[1] Benannt nach dem im März 2022 erstmals stattfindenden Treffen zwischen den Außenministern Israels, der VAE, Bahrains, Marokkos sowie Ägyptens und den USA in der Negev Wüste, Israel. Man einigte sich auf eine Fortführung des Formats und auf eine Zusammenarbeit in Bereichen Gesundheit, Wirtschaft, Klimawandel, Wasser und Sicherheit.

[2] Abkehr von der lange geltenden „Land for Peace“-Forderung der Arabischen Friedensinitiative von 2002.

[3] mei.edu/publications/slowing-down-israel-arab-relations-under-netanyahu-government

[4] washingtoninstitute.org/policy-analysis/arab-public-opinion-arab-israeli-normalization-and-abraham-accords

[5] Bisher hat sich nicht bestätigt, dass sich die USA aus dem Nahen Osten zurückziehen werden. Dennoch herrscht in der Region der Eindruck vor, sich weniger auf Sicherheitsgarantien der USA verlassen zu können.

[6] Außenminister Cohen soll sich um eine Normalisierung mit bspw. Mauretanien, Somalia und Indonesien bemühen. Mit zentralasiatischen Staaten wie Aserbaidschan und Turkmenistan wurde die Zusammenarbeit ausgebaut.

[7] Illegal” ist hier eine israelische Kategorie. Völkerrechtlich sind alle Siedlungen und Außenposten im besetzten Gebiet illegal.

[8] ochaopt.org/content/increase-settler-violence-remarks-provided-press

[9] al-monitor.com/originals/2023/08/israels-extremist-settlers-control-government-netanyahu-dismisses-warningst

[10] jpost.com/opinion/article-744547

[11] timesofisrael.com/smotrich-handed-sweeping-powers-over-west-bank-control-over-settlement-planning/

[12] jpost.com/middle-east/article-740105

[13] mei.edu/publications/iran-gleefully-eyes-protests-israel-looking-weaknesses-exploit

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26. Juli 2023
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