Dabei lief alles so gut an: Bereits Ende Januar veröffentlichte das panamaische Gesundheitsministerium einen Präventionsplan zu COVID-19, Schulungen wurden durchgeführt und epidemiologische Überwachungsmaßnahmen von Reisenden implementiert, doch bis zur zweiten Märzwoche nahm die Bevölkerung diese Vorkehrungen allenfalls am Rande war. Obwohl bereits einige andere Länder in Lateinamerika erste Fälle verzeichnet hatten, schien es, als sei der Ernst der Lage in Panama noch nicht angekommen.
Am 9. März meldete Panama den ersten bestätigten Fall. Es handelte sich um eine Panamaerin, die zwei Tage zuvor aus Spanien eingereist war. Über das hochfrequentierte Drehkreuz des internationalen Flughafens von Panama-Stadt hatte das Virus aber offenbar schon wesentlich früher Panama erreicht und konnte sich insbesondere während der Karnevalstage unbemerkt verbreiten.
Strenge Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie
Mit dem ersten bestätigten Fall war COVID-19 schlagartig in allen Medien und der Öffentlichkeit präsent. Die Empfehlungen internationaler Gesundheitsorganisationen wurden nun schnell umgesetzt. Der Präsident rief bereits am 13. März den landesweiten Ausnahmezustand aus, der mit einer Reihe von Sofortmaßnahmen einherging: Alle Grenzen wurden geschlossen, der gesamte nationale und internationale kommerzielle Flug- und Personenschiffsverkehr eingestellt. Die Einreise nach Panama war (und ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts) nur Panamaern und ausländischen Einwohnern erlaubt, die sich unmittelbar nach Ankunft 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben müssen. Sämtliche Veranstaltungen mussten abgesagt werden, der Schul- und Universitätsunterricht wurde im gesamten Land ausgesetzt. Alle Einkaufszentren und Geschäfte wurden geschlossen, nur Supermärkte, medizinische Einrichtungen, Apotheken und Tankstellen sind geöffnet. Die meisten kommerziellen Betriebe wurden temporär geschlossen, für alle Büros Home Office empfohlen. Der Präsident ordnete am 18. März zunächst eine partielle, seit dem 25. März dann eine komplette Ausgangssperre an, zu der die Maßnahmen in Deutschland nahezu spielerisch wirken: Je nach Endzahl des Personalausweises (bei Ausländern des Reisepasses) dürfen Frauen montags, mittwochs und freitags für zwei Stunden das Haus verlassen, aber auch nur, um Lebensmitteleinkäufe zu tätigen oder pharmazeutische Produkte zu erstehen. Männer wiederum dürfen dienstags und donnerstags ihre zwei Stunden nutzen. Am Wochenende herrscht absolute Ausgangssperre. Bis 8. Mai war zudem der Kauf von Alkoholika komplett verboten. An vielen strategischen Punkten der Hauptstadt und entlang der Panamericana wird streng kontrolliert und es gibt empfindliche Strafen bei Nichteinhaltung der festgesetzten Ausgangszeiten. Die Polizeipräsenz wurde stark angehoben, nachdem es in den ersten Nächten der totalen Ausgangssperre zu Ausschreitungen mit brennenden Reifen und Plünderungen von kleineren Geschäften gekommen war. Obwohl die meisten Panamaer die Maßnahmen der Regierung akzeptieren, gibt es nach acht Wochen Ausgangssperre immer mehr Menschen, die das Ausgangsverbot missachten.
Transparente Informationspolitik der Regierung
Die Regierung von Präsident Laurentino „Nito“ Cortizo glänzte in den ersten Wochen der Krise durch eine ausgesprochen transparente Informationspolitik. Seit dem Auftreten des ersten Coronafalles findet allabendlich um 18:00 Uhr eine über Fernsehen und Radio übertragene Pressekonferenz statt, in der die Regierung über die aktuellen Entwicklungen und neuen Maßnahmen informiert und sich auch den Fragen der Medien stellt. Einberufen und geleitet werden diese Konferenzen in der Regel von Gesundheitsministerin Rosario Turner, aber auch Präsident Cortizo selbst nimmt immer wieder teil, vor allem bei der Verkündung wichtiger Maßnahmen oder neuer Entwicklungen. Das strikte Regierungshandeln zur Eindämmung der Pandemie hat durchaus seinen Grund: Bei einer Einwohnerzahl von ca. vier Millionen Menschen waren am 15. Mai 9.286 positive Fälle registriert, davon 2.922 aktive und 266 Todesfälle. 46.898 Proben wurden durchgeführt. Damit ist Panama im Vergleich zur Einwohnerzahl das mit Abstand am stärksten betroffene Land in Zentralamerika.
Die seit Juli 2019 amtierende Regierung von Präsident Cortizo gewann aufgrund ihres transparenten, konsequenten, aber stets moderaten Vorgehens große Anerkennung in weiten Teilen der panamaischen Bevölkerung.
Korruptions- und Kollusionsvorwürfe belasten die Regierung schwer
Den totalen Einbruch der Beliebtheitskurve brachte dann der Abend des 24. April, an dem der unabhängige Journalist Mauricio Valenzuela der investigativen Journalistengruppe Focopanamá ein Video auf Instagram veröffentlichte. In diesem Video zeigte Valenzuela ein vom Vizeminister des Präsidialministeriums unterzeichnetes Schreiben mit einer Kaufanordnung von 100 mobilen Klimaanlagen für das neue Krankenhaus, das auf dem Gelände des nationalen Flughafens in nur vier Wochen als Notfallhospital mit 100 Betten errichtet worden war. Das Pikante an diesem Kaufauftrag bestand in der genauen Angabe des Herstellers und des Gerätetyps zum Preis von knapp 49.000 USD pro Einheit (!) und damit dem Kaufvolumen von knapp fünf Millionen US-Dollar. Die Journalisten von Focopanamá recherchierten daraufhin im Internet und konnten für das genannte Gerät keinen höheren Preis finden als etwas über 5.200 US-Dollar.
Am Folgetag berichteten sämtliche Medien von dieser Veröffentlichung, und die Bevölkerung reagierte mit einer Art stillen Schockzustandes. Kleine Details wie der Umstand, dass das Gesundheitsministerium in keiner Weise in dieses Kaufvorhaben eingebunden war, wurden von den Bürgern nur als weitere Bestätigungen für das korrupte Verhalten verantwortlicher Regierungspolitiker gewertet. Die Rufe in den sozialen Netzwerken, die den Rücktritt von Vizepräsident José Gabriel Corrizo (#gabyrenuncia) als dem verantwortlichen Minister forderten, wurden immer lauter. Die Verlautbarung Carrizos während seines Besuchs am 27. April im neuen Hospital, in der er den Wert von Transparenz und Ehrlichkeit in Zeiten der Krise hervorhob, wurde dann auch eher mit Hohn in den sozialen Netzen aufgenommen. Daran änderte auch der am selben Tag erklärte Rücktritt von Vizepräsidialminister Juan Carlos Muñoz, der den Kaufauftrag für die portablen Klimaanlagen unterzeichnet hatte, nichts. Auch die Erklärung von Präsident Cortizo zum Rücktritt von Muñoz, in der er feststellte, "Juan Carlos spielte eine Schlüsselrolle bei der Sicherstellung der Versorgung mit medizinischer Ausrüstung und Zubehör auf die richtige Art und Weise, unter den gegenwärtigen Bedingungen und der globalen Nachfrage" , war hier wohl eher kontraproduktiv. Und in der Tat: Die Büchse der Pandora war geöffnet.
In nur wenigen Tagen wurden immer mehr Fälle von überzogenen Preisen und Vetternwirtschaft aufgedeckt und füllten die Zeitungen. Gegen den ehemaligen Vizeminister Muñoz wurde beim Ministerium für öffentliche Angelegenheiten (Ministerio Público) Beschwerde durch den Anwalt der Firma Security Equipments Inc. eingelegt, weil er gegen das öffentliche Vertrauen gehandelt und seine Befugnisse überschritten habe, nachdem in den sozialen Netzwerken berichtet worden war, dass die Firma Security Equipments Inc. Gesichtsmasken für 12,4 Millionen Dollar angeboten habe. Das Zahlungsverpflichtungsschreiben vom 25. März 2020 sei von Muñoz unterzeichnet worden. Tatsächlich soll die Firma einen Preis von 4,4 Millionen Dollar für ihre Dienstleistungen angeboten haben, so der Beschwerde einlegende Anwalt des Unternehmens.
Gleichermaßen traf es erneut Vizepräsident Carrizo. Am 28. April veröffentlichte die angesehene Tageszeitung La Prensa einen Bericht, wonach dieser im August 2019 und im März 2020 zwei Aufträge für Dienste im Rahmen der strategischen Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in der Gesamthöhe von 2,6 Millionen US-Dollar an die Firma Mercadeo Integral vergeben hatte. Der Eigentümer, Carlos Guillermo De Ycaza Córdoba, wurde im August 2019 nach Ratifizierung durch das Parlament von der Regierung zum Mitglied des Vorstandes der Nationalbank von Panama ernannt, gleichzeitig führt er aber seine Firma bis heute weiter. Dass die Aufträge zudem ohne Ausschreibung oder Einholung weiterer Angebote vergeben wurden, entschuldigte der Vizepräsident mit dem Hinweis auf die prekäre Situation aufgrund der Pandemie.
Nicht nur diese Enthüllungen belasten die Regierung schwer. Auch in den eigenen Reihen der mitte-links ausgerichteten Regierungspartei PRD (Partido Revolucionario Democrático) herrschen Zwietracht und Konkurrenzgerangel. Die Partei, die als politische Hauptstütze des Militärdiktators Manuel Noriega (1983-89) fungierte, ist in verschiedene Flügel gespalten, die sich weniger durch inhaltliche Kontroversen, sondern vor allem über die jeweiligen Akteure und ihre Klientele definieren. So stellte der ehemalige Staatspräsident Ernesto Pérez Ballardes (1994-99) von der PRD fest, dass es den derzeitigen Hauptakteuren in seiner Partei, die vor allem aus aktuellen und ehemaligen Parlamentsabgeordneten bestehen, in erster Linie um eigene Interessen gehe und dabei das Kollektiv völlig außen vor bleibe. Diese personellen Auseinandersetzungen führten im April zu tumultartigen Auseinandersetzungen während einer Parlamentssitzung zwischen der PRD-Abgeordneten Kayra Harding und ihrem Parteikollegen Jairo Salazar, der diese mit übelsten Schimpfworten belegte und nahezu handgreiflich wurde. Die Partei sei, so der Ex-Präsident, zudem von „trojanischen Pferden“ durchsetzt, die sich in keiner Weise mit den Zielen der PRD identifizierten, sondern diese nur als Sprungbrett für eigene Karriereambitionen nutzten. Darüber hinaus gebe es nahezu keine regelmäßige Kommunikation, geschweige denn politische Koordination zwischen dem Präsidentenpalast und der PRD-Fraktion im nationalen Parlament, was die Krise der PRD nur noch verschärft und Medienvertreter dazu veranlasst hat, die PRD als stärkste Opposition zur eigenen Regierung zu bezeichnen. Ein Abgeordneter der PRD ging so weit, die Zustände in seiner Partei als „desaströs“ zu bezeichnen. Präsident Cortizo scheinen die Führungszügel aus der Hand zu gleiten.
Die eigentliche politische Opposition wiederum wird in der Öffentlichkeit kaum sichtbar. Einzig der neue Parteiführer der vorherigen Regierungspartei Partido Panameñista und Kandidat für die Präsidentschaft im vergangenen Jahr, José Isabel Blandón, kommentierte die aktuelle Situation und stellte sachlich fest, dass der Konsens, den es zu Beginn der Coronakrise gegeben habe, nicht mehr existiere - zum einen aufgrund des Korruptionsskandals und zum anderen wegen der ausbleibenden Unterstützung für die ärmeren Bevölkerungsschichten.
Ausbleibende Unterstützung treibt Bevölkerung auf die Straße
Die Aufdeckung des korruptionsverdächtigen Verhaltens von Regierungsmitgliedern steigerte den wachsenden Unmut insbesondere der armen Bevölkerung über das Ausbleiben der von Präsident Cortizo bereits am 18. März angekündigten Unterstützungsleistungen im Rahmen des Regierungsplans Panamá Solidario. Der mit einem Umfang von 50 Millionen US-Dollar ausgestattete Soforthilfeplan sieht vor, dass die bedürftigen Panamaer (insbesondere im informellen Sektor Tätige und Arbeitslose) eine vorerst einmalige Zahlung von 75 bis 100 US-Dollar und einem Nahrungsmittelpaket erhalten sollten. Bis Anfang Mai hatte jedoch noch kein Panamaer Geld oder Sachleistungen erhalten. Dies und der wachsende Unmut über die extreme Ausgangssperre führten in Panama-Stadt, der bevölkerungsreichen Vorstadt San Miguelito und in verschiedenen Provinzen zu Protesten und damit einhergehenden Straßensperrungen durch die Polizeibehörden. Der Präsident versprach daraufhin die sofortige Umsetzung des Plans. Bis Mitte Mai sollen laut Präsidialpalast über 300.000 Panamaer die Unterstützungsleistungen empfangen haben.
Panamas Wirtschaft und Haushalt unter Druck
Doch nicht nur Korruptionsvorwürfe, innerparteiliche Auseinandersetzungen und die steigende Unzufriedenheit in der Bevölkerung belasten die Regierung, deren Handeln in jüngster Zeit von hastig einberufenen, dem spontanen Umwerfen bisheriger Pläne und Strategien und gegenseitigen Schuldzuweisungen, Beschwerden und Beschimpfungen geprägt zu sein scheint. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Landes gerät ebenfalls zusehends unter Druck.
Dank des Kanals, des Standortes Panama-Stadt als Bankenzentrum und der größten Kupfermine der Welt, ist Panama wirtschaftlich und steuerlich besser aufgestellt als manch anderes Land der Region. Die von COVID-19-verursachten Folgen für die Wirtschaft, der ohnehin mit 3,5 bis 4 Prozent das schwächste Wachstum seit 2009 prognostiziert wurde, sind dennoch prekär. Das Haushaltsdefizit wird sich nach aktuellen Schätzungen des IWF durch COVID-19 um ca. 3,7 Mrd. US-Dollar erhöhen und nachdrücklich in der Staatsverschuldung niederschlagen, die allein im Jahr 2019 um 5 Milliarden Dollar auf insgesamt 31 Milliarden Dollar angestiegen war. Die Inflationsrate liegt stabil bei etwa null Prozent.
Die Kupfermine an der Karibikküste ist Eigentum der Canada`s First Quantum Minerals Ltd. und gilt mit über sechs Milliarden US-Dollar als die größte ausländische Investition in der Geschichte Panamas. Sie nahm im vergangenen Jahr die Produktion auf und soll bei voller Betriebsauslastung rund drei Prozent des Bruttosozialprodukts erwirtschaften. Nach dem ersten Corona-Todesfall eines Minenarbeiters am 4. April kündigte Präsident Cortizo zwei Tage später auf Druck der Gewerkschaften die vorübergehende Schließung der Mine an.
Im April gewährte der IWF Panama einen Kredit von 515 Mio. US-Dollar für Sofortmaßnahmen. Weitere umfangreiche Kredite wurden von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (300 Millionen US-Dollar) und der Weltbank (41 Millionen US-Dollar) zugesagt. Kurz danach emittierte Panama Staatsanleihen in Höhe von 2,5 Mrd. US-Dollar mit einem Zinssatz von 4,5 Prozent und einer Laufzeit bis 2056 auf dem internationalen Markt, autorisierte die Entnahme von einer Milliarde US-Dollar aus dem panamaischen Sparfonds und kündigte eine Neustrukturierung des Staatshaushaltes zur Einsparung weiterer zwei Milliarden US-Dollar an. Noch unbeantwortet ist die Frage, ob die Korruptionsvorwürfe Auswirkungen auf die Gewährung der Kredite durch die internationalen Banken haben werden.
Ausblick
Am 11. Mai veröffentlichte die panamaische Regierung ihre COVID-19-Exitstrategie, die allerdings bis auf eine Ausnahme noch keine konkreten Termine beinhaltet. Die verschiedenen produzierenden Gewerbe und Dienstleistungssektoren wurden dabei je nach ihrer Bedeutung in sechs Blöcke eingeteilt. Im ersten Block, der am 13. Mai wieder zugelassen wurde, finden sich der Elektronikhandel, Werkstätten und Ersatzteilhandel, technische Dienstleistungen wie Elektrik und Sanitärinstallation sowie die industrielle Agrarproduktion und die Kleinfischerei. Der internationale Flughafen Tocumen von Panama-Stadt soll am 22. Juni wieder in Betrieb gehen
Wie viele andere Präsidenten vor ihm versprach auch Cortizo bei seiner Amtseinführung, die endemische Korruption in Panamas Regierungs- und Wirtschaftskreisen bekämpfen zu wollen. Zudem waren seine Reden während der ersten Wochen der Coronakrise stets geprägt von Aufrufen zur Solidarität und zum gemeinsamen Handeln, um die Pandemie überwinden zu können. Hauptziel des Präsidenten und seiner Regierung muss es nun sein, durch konsequentes und transparentes Handeln wie zu Beginn der Coronakrise das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen und nach acht Wochen der totalen Ausgangssperre die Rückkehr zur Alltagsnormalität einerseits zügig, andererseits aber mit aller gebotenen Vorsicht und Prävention umzusetzen.
Bereitgestellt von
Regionalprogramm Allianzen für Demokratie und Entwicklung mit Lateinamerika
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