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Scharia
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Mit Scharia wird die Gesamtheit des islamischen Gesetzes bezeichnet, des Gesetzes also, das seine Quellen in Koran und Sunna findet und wegen seines göttlichen Ursprungs als unveränderlich gilt. Die Scharia gliedert sich in zwei Grundkategorien: Der erste Bereich (al-ibadat) handelt von der Beziehung zwischen Mensch und Gott und befasst sich mit Fragen der Religionspraxis, wie etwa den Fastenregeln oder den rituellen Waschungen. Der zweite Bereich (al-mu‘amalat) regelt die Beziehungen zwischen Mensch und Mensch und behandelt dabei etwa Fragen des Ehe-, Erbschafts- und Strafrechtes. Da die Scharia in der Auslegung zuweilen große Interpretationsspielräume offen lässt, bildete sich in den ersten islamischen Jahrhunderten die Disziplin der islamischen Jurisprudenz (→ s. fiqh) heraus, die das göttliche Gesetz in Form von Anleitungen und Rechtsgutachten praktikabel macht. Im islamistischen Spektrum wird diese klassische Form der vermittelnden Jurisprudenz zugunsten des direkten Rekurses auf die Altvorderen abgelehnt. Während sich in allen islamischen Staatswesen seit den ersten Jahrhunderten parallel zur Scharia auch ein weltliches Gesetz (qanun) entwickelte, das auf dem Gewohnheitsrecht, Herrscherverordnungen oder in der Neuzeit auf der Grundlage europäischer Vorbilder fußte und sich mit Fragen befasste, die in der Scharia nicht behandelt werden, lehnen islamistische Strömungen die Notwendigkeit einer Ergänzung zur Scharia ab, wird diese doch als allumfassend betrachtet.
Dr. Christian Funke