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Der sichtbare Linksextremismus: Linksextreme Agitation und Parolen im Stadtbild

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„Nieder mit Deutschland!“ Diese Parole an einer Hauswand ist Teil des sichtbaren Linksextremismus. Nicht jeder versteht die Botschaften, manch einem fallen sie gar nicht auf. Nichtsdestotrotz existieren solche Kampfansagen. Im Straßenbild vieler Städte sind sie präsent. Mit Graffiti und Aufklebern werden sie verbreitet. Was verbirgt sich hinter den Codes der Szene und welcher Formen der Vermittlung bedienen sich die Linksextremisten?

 

Was soll durch die massenhaft verbreiteten Parolen bezweckt werden?

Sie sollen anklagen, sie sollen provozieren, sie sollen drohen. Die Parolen an den Wänden verkünden einen Machtanspruch im öffentlichen Raum.1 Zugleich sollen unser Werte-, und Rechtssystem, der Staat, seine Institutionen und die Wirtschaftsordnung nachhaltig in Verruf gebracht werden. Eine solche Strategie wurde schon in der Weimarer Republik von Nationalsozialisten und Kommunisten betrieben und sollte zum Vertrauensverlust in die Demokratie führen. Die verbreiteten Parolen sind oft an den politischen Gegner adressiert und enthalten Drohungen. Autonome zeigen so: Wir beanspruchen die Vorherrschaft gegenüber dem Rechtsstaat. Politisch Andersdenkende, insbesondere „Faschisten“, aber auch „Bullenschweine“, haben mit gewalttätigen Übergriffen zu rechnen (siehe auch Wie stehen Linksextremisten zur Gewalt als Mittel der Politik? und „Gewalt ist ein legitimes Mittel.“).

 

Wie gehen die Macher der linksextremistischen Propagandabilder vor?

Autonome wollen bestimmte Zielgruppen ansprechen und ihre Parolen mit einem urbanen Lebensstil verschmelzen lassen. Sie platzieren ihre Botschaften an den Hauswänden, auf Transformator-Kästen, an Laternen und Verkehrsschildern. Um ihre Parolen in das Sichtfeld der Menschen zu bringen, verwenden sie verschiedene Techniken. Auf einschlägigen Internetseiten werden Vorlagen und Sprühschablonen für die Verbreitung der Parolen in allen Regionen des Bundesgebietes bereitgestellt. Die Motive der Schablonen werden einerseits mit Sprühdosen direkt auf Hauswände aufgebracht. Andererseits werden Aufkleber, die für den Versand von Paketen gedacht sind, entwendet, besprüht oder mit Propaganda beklebt und dann für die Verbreitung der Parolen genutzt. Diese Aufkleber können in Heimarbeit gefertigt werden, um sie dann massenhaft zu verbreiten. Darüber hinaus werden Schablonen für die Herstellung von Abziehaufklebern im Internet veröffentlicht. Diese Propagandamaschinerie arbeitet weitgehend dezentral, und doch finden sich von Hamburg bis München nahezu identisch gestaltete Parolen zu den jeweils aktuellen Topthemen der Szene.

 

Welche Form hat autonome Agitation?

Moderne Agitation von Autonomen hat ein schickes Layout und kommt oft in englischer Sprache daher. Sie verwenden Ausdrucksformen und Stile, die eine junge, intellektuelle Klientel ansprechen sollen. Häufig werden junge Frauen als Revolutionärinnen dargestellt. Neben simplen Schmierereien kommen auch Graffiti, japanische Manga-Comics, Sprühschablonen (Stencils), Plakate und Aufkleber zum Einsatz. Beliebt sind verfremdete Markensymbole großer Konzerne, die mit neuem Inhalt versehen werden. Beispielsweise im Stil einer bekannten Cola-Marke: Enjoy Anti-Capitalism (= „Genieße (den) Antikapitalismus“).

Diese künstlerisch daherkommende Kapitalismuskritik, die mit Kritik am System BRD einhergeht, ist wesentlich attraktiver für die Zielgruppe als Handzettel mit ausführlichen Textauszügen von Marx oder Lenin (siehe auch Falsche Vorbilder: Wladimir Iljitsch Lenin). Die Botschaft wird extrem plakativ und assoziativ verkürzt und mit einem „hippen“ Design versehen. Aufrufe zu gewalttätigen Handlungen erhalten ein zeitgemäßes ästhetisches Aussehen. Was entsteht, ist ein Mix kreativer Designs mit linksextremer Propaganda. Es fällt kaum auf, dass die Inhalte manchmal aus der stalinistischen Agitation der 1930er Jahre stammen.

 

Verknüpfung von Personenkult und Parolen

Eine Strategie der Autonomen ist die Nutzung der Bekanntheit von historischen Persönlichkeiten oder aktuellen Kultfiguren. Einerseits werden die Konterfeis bekannter Ikonen der linken und linksextremistischen Szene (Rudi Dutschke, Rosa Luxemburg) verwendet (siehe auch Falsche Vorbilder: Rosa Luxemburg).

Andererseits werden die Konterfeis von Stars aus Hollywood wie Arnold Schwarzenegger oder die Figur Yoda aus Star Wars mit den Parolen der Autonomen versehen. Politischer Extremismus soll über diese Ausdrucksformen Akzeptanz erhalten, profitiert also vom Geschmack des Durchschnittsbürgers. Die Extremisten verwenden Symbolfiguren der Filmindustrie Hollywoods, des Symbols für Geld und Wohlstand, um „Kapitalismus“ und „Faschismus“ zu bekämpfen (siehe auch Was ist Faschismus?).

Linksextremisten greifen mit ihren Parolen Themen auf, welche die Menschen bewegen. Sie stellen sich als Teil einer intellektuellen Gegenkultur dar, um die Nähe zu nicht extremistischen Bewegungen zu betonen. Ökologische und emanzipatorische Bewegungen werden so instrumentalisiert, als seien sie untrennbar mit gewalttätigem Aktionismus verknüpft. Auch sollen Jugendliche aus anderen Szenen (Skater, Tier- und Umweltschützer) angesprochen werden, die sich gewöhnlich nicht mit den Zielen der Autonomen identifizieren können.

 

Was sind die wichtigsten Themen der linksextremen Parolen?

Aktuell wichtigstes Themenfeld der linksextremen Propaganda ist der „Antifaschismus“2 (siehe auch Was bedeutet „verordneter Antifaschismus“?). Autonome verstehen darunter nicht nur den Kampf gegen Rechtsextremismus (siehe auch Was ist Rechtsextremismus?), sondern auch gegen einen angeblich zwingenden Zusammenhang von bürgerlicher Demokratie und marktwirtschaftlicher Ordnung mit Rassismus und Faschismus (siehe auch Was ist Rassismus?). Das Aufkommen des gewalttätigen Rechtsextremismus in den frühen 1990er Jahren erschien Linksextremisten als Bestätigung dieser Vorstellungen. Autonome und Anhänger des DDR-Sozialismus inszenieren sich nunmehr als Bollwerk gegen die „faschistische Bedrohung“ in der Bundesrepublik. Autonome und andere Linksextremisten fordern: „Naziaufmärsche blockieren statt ignorieren“. Sie fordern damit, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit für Rechtsextremisten aufzuheben ohne selbst darauf verzichten zu wollen.

Anlässlich einer geplanten Demonstration von Rechtsextremisten am Leipziger Völkerschlachtdenkmal wurden Plakate und Aufkleber mit der Aufschrift verbreitet: „Turn Left, Smash Völki! (= „Nach links wenden, Völkerschlachtdenkmal zertrümmern“) Die Nazikundgebung am 20. August zum Desaster machen!“

Wie dieses Desaster aussehen soll, kann man auf einem anderen Aufkleber lesen und sehen: „Ein bisschen wie in Belfast – Nazi Kundgebung verhindern.“

„Nazi sein heißt Probleme kriegen.“ Autonome rufen eine „Antifa Area“ (= „Antifaschistisches Gebiet“), d.h. einen von ihnen kontrollierten Bezirk3, aus (demonstrativ verbreiten sie Bilder, auf denen vermummte Autonome durch die Straßen marschieren oder Brandsätze und Steine werfen).

Mit den Aufrufen „Smash Fascism“ („Faschismus zerschmettern“), „Faschisten angreifen“ oder „Nazis aufs Maul!“ animieren Autonome zu körperlicher Gewalt gegen Rechtsextremisten. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gilt nicht für den politischen Gegner. „Wir bleiben sportlich“ steht unter dem Bild eines vermummten Aktivisten, der einen Golfschläger in der Hand führt. Diese zynische Drohung ist gekoppelt mit der Überschrift: „Nazi sein heißt Probleme kriegen“. An anderer Stelle heißt es unter einem Paar drohender Manga-Augen: „better run nazi scum“ („Renn lieber weg Nazi-Abschaum“) und „Wir sind in Form wie noch nie“. Als Beweis der äußersten Entschlossenheit präsentiert man auf einem Aufkleber die Nahaufnahme eines blutverschmierten, mutmaßlichen Rechtsextremisten. Das Foto ist mit der Aufforderung versehen: „Nazis auf‘s Maul – wer nicht hören will muss fühlen“.

Linksextremisten und Autonome greifen häufig tatsächliche gesellschaftliche Probleme auf, um sie dann für ihre Zwecke zu missbrauchen: „Natürlich gegen Nazis“ steht auf einem Aufkleber geschrieben, neben dem Symbol der Anti-AKW-Sonne. Die Botschaft der Autonomen ist: Militanter Antifaschismus und ökologische Orientierung gehören unmittelbar zusammen.

Häufig sind so genannte „antideutsche“ Parolen zu sehen: Nach Vorstellung in einem Teil der autonomen Szene führt ein vereintes Deutschland zwangsläufig zur Entstehung eines „Vierten Reiches“. Der deutsche Staat und seine Politik sollen als gewalttätig, imperialistisch, als faschisierend dargestellt werden; angebliche Ähnlichkeiten zu den Terrororganisationen des Dritten Reiches werden betont. Graffiti konstruieren eine Kontinuität von Hitlers SS-Leibstandarte zu heutigen Polizeibeamten: „Polizei-SA-SS“ - diese bis heute gängige Parole wurde schon in den 1960er Jahren von Linksextremisten gerufen. Darum könne es „keine Versöhnung mit Deutschland“ geben. Es wird gefordert: „Nieder mit Deutschland!“

Die Konsequenz für Linksextremisten: „Deutschland muss sterben – damit wir leben können“4. Extremisten sind in solchen Wahngebilden gefangen. Von Deutschland sehen sie nur ein Schreckensbild: ein mit der Sprühschablone aufgetragenes Graffiti zeigt bewaffnete Polizisten umgeben von Mauer, Stacheldraht und Kameras. Darüber die Überschrift: „This is what democracy looks like“ („So sieht Demokratie aus“). Die Botschaft lautet: „Deutschland – ein KZ.“

Die friedliche Euphorie für das deutsche Team während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland wird als Vorstufe zum Nationalsozialismus dargestellt, jeglicher Patriotismus wird als faschistisch deklariert (siehe auch Was ist Nationalsozialismus?). Die Reaktion der Extremisten: „More Fouls for Krauts“ („Mehr Fouls gegen Deutsche“). Für sie ist klar: „Deutschland – eine Zumutung“.

Ein erheblicher Teil autonomer Agitation richtet sich gegen den „Unrechtsstaat BRD“ (siehe auch War die DDR ein Unrechtsstaat?): Der Staat insgesamt muss erbittert bekämpft werden, weil er den Vorstellungen von Anarchie entgegensteht (siehe auch Was heißt Anarchismus?). Was mit dem Staat zusammenhängt, gilt Autonomen automatisch als „Repression“. Im Rahmen von Antirepressions-Kampagnen findet man Parolen wie „Freiheit für alle politischen Gefangenen – reißen wir die Mauern ein, die uns trennen“ (siehe auch Zentrale Aktionsfelder von Linksextremisten). Damit wird suggeriert, der „Unrechtsstaat BRD“ inhaftiere Oppositionelle aus politischen Gründen. Was Linksextremisten ignorieren, ist, dass es politische Gefangene in Deutschland nicht gibt. Ein Aufstand zur Befreiung strafrechtlich verurteilter „Genossen“ ist aus ihrer Perspektive gerechtfertigt. Aktionen gegen den Rechtsstaat werden als Notwehr deklariert: „Der Staat zielt auf die Köpfe, wir zielen auf Solidarität.“

Autonome Agitation enthält häufig Drohungen bzw. Verunglimpfungen von Polizeibeamten. Den Schlachtruf „A.C.A.B./All Cops Are Bastards“ („Alle Polizisten sind Bastarde“) teilen sich Autonome mit Neonazis und Hooligans. In den Städten wird diese Parole über Aufkleber und Graffitis verbreitet, in Tätowierungen zur Schau gestellt. Ein A.C.A.B.-Aufkleber mit der Nahaufnahme eines Polizeibeamten und dem Schriftzug: „Wir vergessen nie!“ soll Polizisten einschüchtern. Auf einem anderen A.C.A.B.- Aufkleber wird, unter dem Bild eines zerstörten Polizeiautos, das Motto ausgegeben: „Love Antifa – Hate Police“ („Liebe die Antifa – hasse die Polizei“). Linksextremisten bringen damit ihre Militanz, die Bereitschaft zu physischer Gewalt und ihren Anspruch auf Kontrolle des öffentlichen Raums zum Ausdruck. Die Parole A.C.A.B. hat Eingang in milieutypische Musik gefunden und wird auf T-Shirts, Mützen und Postern vertrieben. Der Hass auf Staatsbedienstete soll zum Lebensstil erhoben werden. Polizeibeamte werden zum absoluten Feindbild erklärt; den „Bullenschweinen“ werden menschliche Eigenschaften und Menschenwürde schlicht abgesprochen.

Bestandteil des „Kampfes gegen das Schweinesystem“ sind unterschiedliche Formen des „Sozialkampfes“, oft auch als Alltagsmilitanz oder Widerstand bezeichnet. Über dem Bild eines jungen Mädchens steht geschrieben: „I love Riot“ („Ich liebe Aufstand“). Der mit einem Kreis umrahmte Buchstabe A ist dabei die äußerst verkürzte Parole für Anarchie. In verschiedenen Formen werden revolutionäre Umstürze romantisierend dargestellt: „Revolte heißt Leben“, heißt es auf einem Aufkleber. „Viva la Revolucion!“ („Lang lebe die Revolution!“) wird unter dem Konterfei des kubanischen Revolutionärs Che Guevara angemahnt (siehe auch Falsche Vorbilder: Ernesto „Che“ Guavara). Dass nach kommunistischer und auch anarchistischer Vorstellung Revolutionen in der Regel immer blutig verlaufen und mit der Vernichtung der unterlegenen Klasse enden, wird nicht thematisiert. Auch der „Class War!“ („Klassenkrieg“) wird gefordert. „Enough is Enough („Was zu viel ist, ist zu viel“) – Klassenkampf organisieren“ heißt es an anderer Stelle. Damit propagiert die extreme Linke den Bürgerkrieg zwischen Arm und Reich, im Sinne einer verkürzten marxistischen Interpretation sozialer Probleme.

Ein Unterfall dieses „Sozialkampfes“ ist der Widerstand gegen die Gentrifizierung.5 Autonome solidarisieren sich mit den Initiativen von Anwohnern gegen die Modernisierung und Aufwertung von bisher vernachlässigten Wohnvierteln. Sie beschränken sich jedoch nicht auf rechtsstaatlichen und friedlichen Protest. Unter einem Bild, das vermummte Steinewerfer zeigt, heißt es: „Das Viertel bleibt dreckig – auf die Straße gegen Gentrifizierung“. Der zivilgesellschaftliche Protest gegen Stadtentwicklungspolitik soll militarisiert werden. Statt eines normalen Interessenkonfliktes machen Linksextremisten einen „Klassenkampf“ aus, bei dem die „Armen“ durch die „Kapitalisten“ vertrieben werden. Sie müssten sich gegen diese „Übergriffe“ zur Wehr setzten. Sie behaupten, sich im Kampf „Klasse gegen Klasse“6 zu befinden; sie verüben Brand- und Farbbeutelanschläge gegen neu eingerichtete Geschäfte („Yuppie-Läden“), gegen teure Autos und aufwendig sanierte Wohnungen. Besonders das „Abfackeln von Bonzen-Karossen“ wird als Erfolg des Widerstands gefeiert.

 

Jan Roedel

 


Diese Ansinnen brachte vor 15 Jahren eine Kampagne britischer und amerikanischer Linksextremisten und Globalisierungsgegner mit dem Titel „Reclaim the Streets“ („Gewinnt die Straße zurück“) plakativ zum Ausdruck.

Manfred Agethen/Eckhard Jesse/Ehrhart Neubert, Der missbrauchte Antifaschismus. DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken. Freiburg (im Breisgau) 2002.

Wahlweise auch: Antifa Zone, Zona Antifa, Antifa- Nazi FREE ZONE Zona Anfifaschista“.

Die Parole geht auf einen Songtitel der Anarcho-Punk-Band Slime aus den 1980er Jahren zurück.

Darunter werden verschiedene soziale und wirtschaftliche Veränderungen in einer Stadt zusammengefasst. Beispielsweise steigende Immobilienpreise, die Ansiedelung neuer Mieter und Geschäfte und städtebauliche Umstrukturierungen. Die Erschließung eines Viertels durch finanzkräftige Investoren stößt oft auf Widerstand von Bürgerinitiativen Denn in diesem Stadtteil profitierten die Menschen bisher von den niedrigen Mieten in unsanierten Altbauten und den ungenutzten Freiflächen. Proteste richten sich dementsprechend gegen den Anstieg der Mieten und die Veränderung des Charakters des Viertels.

Die Parole „Klasse gegen Klasse“ stammt aus der Politik der stalinistischen KPD der 1930er Jahre und schloss – was ihren heutigen Protagonisten durchaus bekannt ist – gewaltsames Vorgehen nicht nur gegen die NSDAP, sondern auch gegen die demokratischen Parteien der Weimarer Republik ein.

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Felix Neumann

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