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Ermöglichte die DDR-Planwirtschaft einen hohen Lebensstandard?
DDR-Mythen
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Auf dem V. Parteitag der SED 1957 verkündete Walter Ulbricht das Ziel für die nächsten vier Jahre: das Erreichen des westdeutschen Lebensstandards. „Überholen ohne einzuholen“ lautete die Devise. Die Überlegenheit des Sozialismus sollte bewiesen werden. Tatsächlich blieben Versorgungsschwierigkeiten bis zum Ende der DDR ständiger Begleiter im Alltag.
Aber es war eine eigene sozialistische Konsumkultur entstanden, anders, als sich das die SED-Führung ausgemalt hatte: Das Schlangestehen vor den Geschäften gehörte ebenso dazu wie der Tauschhandel, die Eigenversorgung mit allem, was der Kleingarten hergab, und die Verschwendung hoch subventionierter Lebensmittel als Tierfutter wie zum Beispiel Brot, das billiger war als die Erzeugnisse der volkseigenen Futtermittelproduktion.
Die Mangelwirtschaft war das Markenzeichen von 40 Jahren Wirtschaftsentwicklung in der DDR. Auf eine Wohnung mussten Familien in der Regel fünf Jahre lang warten, auf ein Telefon zehn Jahre, auf einen PKW, Modell „Wartburg“, 15 Jahre. Genussmittel wie Schokolade oder Südfrüchte waren entweder überteuert oder gar nicht zu haben. Eine Möglichkeit, die DDR-Mangelwirtschaft zu umschiffen, war GENEX. Diese Einrichtung des DDR-Außenhandels verkaufte gegen ausländische Währung DDR-Waren an DDR-Bürger. Auf diese Weise ließen sich die langen Jahre des Wartens auf einen „Trabbi“ auf wenige Wochen reduzieren, und er kostete 1977 auch nur 4.934 bis 5.102 West-Mark statt 8.500 Ost-Mark.
Zusätzlich existierte im Arbeiter-und-Bauern-Staat ein System der Sonderversorgung für bestimmte privilegierte Personengruppen. So gab es in größeren Betrieben und Behörden Verkaufsstellen von Handelsorganisation (HO) und Konsum, die besser beliefert wurden (HO Wismut, Militär-HO). Für hohe SED-Funktionäre und Generäle der Nationalen Volksarmee (NVA) boten Sonderverkaufsstellen (in Wandlitz und Strausberg) auch Westwaren zu billigen Ostpreisen an. Um den Kaufkraftüberhang der eigenen Bevölkerung abzubauen, wurden Ende der 1960er Jahre Geschäfte eröffnet, in denen Mangelwaren und gelegentlich auch Westimporte zu sehr hohen Ostpreisen angeboten wurden: „Delikat“ für Lebensmittel und „Exquisit“ für Textilien und Schuhe. Im Sommer 1974 gab die SED-Führung dem „Devisendrang“ nach und legalisierte für die DDR-Bevölkerung das Einkaufen in den „Intershops“, die ursprünglich als Duty-free-Geschäfte für durchreisende Ausländer mit „harter“ Währung gedacht waren. Damit erfolgte die Spaltung der Gesellschaft in Menschen mit und ohne DM.
Zur Förderung der Systembindung erlangte die praktische Sozialpolitik im Sinne „sozialistischer Errungenschaften“ mehr und mehr Bedeutung. So baute die SED das kollektive Versorgungs- und Sicherungssystem in den 1970er und 1980er Jahren großzügig aus und versuchte damit, den Legitimationsmangel der eigenen politischen Herrschaft zu kompensieren. Aber gerade diese Sozialgeschenke beschleunigten den wirtschaftlichen Ruin. Am 31.10.1989 legte der DDR-Planungschef Gerhard Schürer dem Politbüro der SED ein Geheimgutachten vor, aus dem hervorging: Die DDR ist pleite. „Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahre 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25 bis 30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen.“