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„Sozialistische Demokratie“ am Beispiel der DDR
DDR-Mythen
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Obwohl das politische System der DDR zwar formal Elemente einer bürgerlichen Demokratie enthielt, war es von Anfang an ein Staat, der sich als Diktatur des Proletariats verstand und eine sozialistische Gesellschaft nach sowjetischem Modell zu verwirklichen suchte. Sowohl der Staatsaufbau als auch die Parteien und die Massenorganisationen folgten den Prinzipien des „demokratischen Zentralismus“. Die eigentliche Macht lag bei der kommunistischen Partei, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
Besagtes Führungsmonopol, das in Art. 1 der DDR-Verfassung von 1968 verankert war, leitete die SED von ihrem Selbstverständnis ab. Sie ging davon aus, mit dem Marxismus-Leninismus im Besitz der Wahrheit zu sein und die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte zu kennen. Eine von der SED unabhängige freie Meinungsbildung und kritische Öffentlichkeit oder andere zivilgesellschaftliche Elemente waren im Arbeiter-und-Bauern-Staat nicht vorgesehen. Printmedien, Hörfunk und Fernsehen wurden zensiert und kontrolliert, politisch Andersdenkende litten unter Repressionsmaßnahmen.
Neben der SED gab es die vier kleineren sog. Blockparteien: Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU), Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). Jede von ihnen war im Staatsrat und im Ministerrat sowie in den örtlichen Staatsorganen vertreten. Allerdings waren sie politisch nahezu einflusslos. Darüber hinaus waren fünf gleichfalls von der SED abhängige Massenorganisationen in der Volkskammer vertreten: Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB), Freie Deutsche Jugend (FDJ), Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), Kulturbund der DDR und Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB). Da der Arbeiter-und-Bauern-Staat weder einen Regierungswechsel noch einen Wettbewerb der politischen Parteien zuließ, war die Verteilung der Mandate und Ämter auf die Parteien und Organisationen von den Wahlen unabhängig und blieb über lange Zeit festgeschrieben. Obwohl die SED in der Volkskammer der ehemaligen DDR keine absolute Mehrheit der Mandate besaß, brauchte sie um ihren Einfluss nicht zu fürchten: Viele Abgeordnete der Massenorganisationen waren Mitglieder der SED.
Der eigentliche Wahlvorgang bestand in einer Bestätigung der von der SED geprüften und genehmigten „Einheitsliste“. Da es weder Nein-Stimmen noch Stimmenthaltung gab, waren große Überraschungen nicht möglich. So waren die Ergebnisse zur vorletzten Volkskammerwahl 1986 (Wahlbeteiligung: 99,74 Prozent, Zustimmung zur vorgeschlagenen Liste: 99,94 Prozent) auch „normal“. Unter demokratischen Bedingungen wären derartige Resultate jedoch nicht möglich.