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Was ist der demokratische Verfassungsstaat?

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Der demokratische Verfassungsstaat, im Laufe von vielen Jahrhunderten in der Auseinandersetzung mit Autokratien unterschiedlichster Couleur entstanden, ist eine spannungsreiche Synthese aus zwei Traditionslinien: der demokratischen (Volkssouveränität, Gleichheit) sowie der konstitutionellen (Rechtsstaat, Freiheit). Er stellt den Widerpart zu allen Formen des Extremismus dar.1

Spannungsreich ist die Synthese deshalb, weil die Elemente sich nicht nur ergänzen, sondern auch widerstreiten. Die Volkssouveränität kann zum Rechtsstaat ebenso in ein Spannungsverhältnis geraten wie Freiheit und Gleichheit. Die Konkurrenztheorie der Demokratie, die auf der Legitimität unterschiedlicher Interessen basiert, lehnt das Verständnis von Demokratie als Identität von Regierenden und Regierten (siehe auch Soll eine Gesellschaft pluralistisch oder homogen sein?) ab.

Mit dem plötzlichen Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ Ende der 1980er Jahre ist die Zahl diktatorischer Regierungssysteme zurückgegangen. Aber es hat in den letzten Jahren auch gegenläufige Entwicklungen gegeben.2 Der demokratische Verfassungsstaat ist kein ein für allemal gesichertes Gut, die auf Toleranz basierende pluralistische Ordnung ein kostbares wie fragiles Gebilde.

Gegner des demokratischen Verfassungsstaates wollen ihn nicht immer gewaltsam abschaffen. Manche bedienen sich einer sogenannten Legalitätstaktik (siehe auch Was heißt „legalistischer Linksextremismus“?). Vor allem gegen sie hat der Parlamentarische Rat 1949 nach der leidvollen Vergangenheit die streitbare bzw. abwehrbereite Demokratie eingerichtet. Zu ihren Kennzeichen gehören die Wertgebundenheit, die Abwehrbereitschaft und die Vorverlagerung des Demokratieschutzes. Die Wertgebundenheit schreibt einen unabänderlichen Verfassungskern fest, wie er in Art. 79 Abs. 3 GG verankert ist (Menschenwürde und die Staatsstrukturprinzipien Demokratie, Bundesstaat, Rechtsstaat und Sozialstaat). Die Abwehrbereitschaft schließt die Möglichkeit von Verboten ein. So gibt es entsprechende Vorschriften gegen Vereinigungen, gegen extremistische Agitation und gegen Parteien. Diese können ausschließlich durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden (Parteienprivileg). Mit der Vorverlagerung des Demokratieschutzes ist ein Eingreifen gegen Extremismus bereits möglich, ohne dass ein konkreter Gesetzesverstoß (etwa Gewaltanwendung) vorliegt.

Die Devise des demokratischen Verfassungsstaates kann nicht lauten: „Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“, weil so verkannt würde, dass selbst Feinde der Demokratie ebenso der Freiheit bedürfen. Aber sie lautet auch nicht: „Gleiche Freiheit den Feinden der Freiheit“, denn dadurch macht sich die Demokratie schutzlos, relativiert die eigenen Prinzipien. Für die streitbare Demokratie lautet die richtige Forderung: „Keine Freiheit zur Abschaffung der Freiheit“.

Der demokratische Verfassungsstaat bezieht seine Legitimation nicht in erster Linie aus dem Kampf gegen antidemokratische Bestrebungen, sondern begründet sich wesentlich positiv mit dem Engagement für die eigenen Werte. Wer die Universalität der Menschenrechte bejaht, ist vor Menschheitsbeglückung ebenso gefeit wie vor kulturrelativistischem Gerede, wonach jede Gesellschaft lediglich an den eigenen Maßstäben zu messen sei.

 

Eckhard Jesse

 


Vgl. Uwe Backes, Liberalismus und Demokratietheorien – Antinomie und Synthese. Zum Wechselverhältnis zweier politischer Strömungen im Vormärz, Düsseldorf 2000.

Vgl. Manfred G. Schmidt, Demokratietheorien. Eine Einführung, 5. Aufl., Opladen 2010.

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Felix Neumann

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