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Welche Formen von Rechtsextremismus gibt es?

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„Den“ Rechtsextremismus, eine Unterform des Extremismus, zu dem auch Linksextremismus und politisch-religiös ausgerichteter Fundamentalismus (wie z.B. der Islamismus) gehören, gibt es nicht. Er kann sich in vielerlei Formen in der Wirklichkeit niederschlagen.

Wird nach den Zielen unterschieden, lässt sich etwa zwischen neonationalsozialistischen (rassistischen) und deutsch-nationalen (nationalistischen) Strömungen differenzieren, wobei die Grenzen fließend sein können. Jeder Neonationalsozialist ist ein Rechtsextremist, aber nicht jeder Rechtsextremist ein Neonationalsozialist.

Fragt man nach der Art der Mittel, so stehen den Befürwortern strikter Legalitätstaktik, die sich innerhalb der gesetzlichen Ordnung bewegen, am anderen Ende Terroristen gegenüber, die Gewalt nicht nur befürworten, sondern auch anwenden. Dazwischen sind jene Positionen angesiedelt, die Gewalt zwar prinzipiell gutheißen, sie aber z.B. aus taktischen Erwägungen nicht einsetzen.

Wer die jeweilige Aktions- und Organisationsweise berücksichtigt, kommt zu einer vierfachen Differenzierung. Hauptkriterium für die Aktionsform soll die Frage sein, ob die jeweilige extremistische Gruppierung Gewalt anwendet, Hauptkriterium für die Organisationsform, ob ein fester Zusammenschluss besteht:

  1. Der fest organisierte und gewalttätige Extremismus, also etwa der Terrorismus des sich selbst so bezeichnenden „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU),
  2. der nur schwach oder kaum organisierte Extremismus, der Gewalt anwendet; insbesondere „Skinheads“ und „Autonome Nationalisten“ auf der einen Seite, der aktionistische Alltagsrassismus auf der anderen Seite;
  3. der weder fest organisierte noch gewalttätige Extremismus, seien es Intellektuelle von rechtsaußen, die den demokratischen Verfassungsstaat zu delegitimieren suchen, seien es rechtsextremistische Einstellungen (siehe auch Was ist „intellektueller Rechtsextremismus“?). Freilich gibt es eine Reihe von Zwischenformen.

Zu Form 1: Unter diese Rubrik fällt der fest organisierte und planmäßig aus dem Untergrund operierende Rechtsterrorismus, der in Deutschland Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre eine gewisse Rolle gespielt hat. Aufgrund seiner schwachen Logistik und Planungsintensität, die weit hinter der linksextremistischen „Roten Armee Fraktion“ (siehe auch Führt Linksextremismus zu Terrorismus?) zurückblieb, wurde er von den Sicherheitsbehörden schnell „aufgerieben“. Die eingangs erwähnte Zelle des NSU, die zwischen 2000 und 2007 nicht nur für zehn Morde und mindestens zwei Sprengstoffanschläge mit zahlreichen Verletzten, sondern auch für zahlreiche Banküberfälle verantwortlich ist, stellt eine neue Dimension des Rechtsterrorismus dar. Sie hat planvoll Gewalttaten begangen, ohne Selbstbezichtigungsschreiben zu hinterlassen. Nach dem Bekanntwerden der Morde im November 2011 war dies ein Schock für die Gesellschaft. Sie stellt sich der Aufarbeitung und fragt, wie das geschehen konnte – die Mordserie und das Nichterkennen der rassistischen Motive.

Zu Form 2: Hierzu zählen die heute eine deutlich geringere Rolle spielenden „Skinheads“ und die „Autonomen Nationalisten“ (siehe auch „Autonome Nationalisten“), die sich in ihrem Erscheinungsbild den linken Autonomen angleichen. Ihre Aktionen richten sich vielfach gegen „Fremde“ (nicht zuletzt gegen Asylbewerber) und gegen „linke Zecken“. Die Zahl solcher aktionsorientierten Rechtsextremisten war in der ersten Hälfte der 1990er Jahre in die Höhe geschnellt, vor allem in den neuen Bundesländern. Infolge harten staatlichen Vorgehens ging die Zahl der Gewalttaten zurück (auf ca. 1.000 im Jahr). Bei den überwiegend jungen Tätern gab es meistens keinen rechtsextremistischen „Vorlauf“. Häufig lag den kriminellen Handlungen keine langfristige Planung zugrunde. Die Gewaltaktionen sind vielmehr das Produkt einer organisatorisch nicht verfestigten rechtsextremistischen Subkultur. Statistisch erfassbare Unterschiede in der Tatspezifik (z.B. Überwiegen von Landfriedensbrüchen bei den linken Autonomen, zahlreiche Brandanschläge und Körperverletzungen bei Rechtsextremisten) lassen sich zum Teil aus der sozialen Charakteristik der Akteure erklären (z.B. niedriges Durchschnittsalter, niedriger Bildungsstand, Neigung zu körperlicher Gewalt).

Zu Form 3: Träger dieser Form sind unter anderem Rechtsaußenintellektuelle, die – direkt oder unterschwellig – gegen den demokratischen Verfassungsstaat agitieren. Ihre Zahl ist gering: In intellektuellen Milieus sind rechtsextremistische Denkmuster weithin isoliert. Ein Begriff wie „Neue Rechte“ ist schillernd, weil darunter höchst Unterschiedliches, nicht notwendigerweise Verfassungsfeindliches verstanden wird. Oft dient er dazu, Ideen zu charakterisieren, die sich inhaltlich von dem traditionellen übersteigerten Nationalismus absetzen wollen.

Zu dieser Facette rechtsextremistischer Erscheinungsformen zählt auch der soziologische Rechtsextremismus. Er besteht darin, dass Teile rechtsextremistischer Ideologien, sogenannte „Einstellungsmuster“, auch bei Menschen festgestellt werden können, die weder über ein in sich geschlossenes rechtsextremes Weltbild verfügen, noch sich aktiv in rechtsextremistischen Gruppen engagieren. Damit liegen die „Einstellungsmuster“ am äußersten Rand erkennbarer Formen des Rechtsextremismus. Sie müssen gleichwohl als Warnzeichen für Defizite an demokratischer Kultur ernst genommen werden.

Was die Formen des Rechtsextremismus betrifft, so gibt es zwischen ihnen Schnittmengen. Die einzelnen Varianten treten nicht immer in reiner Form auf. Zum Beispiel muss nicht jeder Wähler einer rechtsextremistischen Partei auch Extremist sein: Bei der Entscheidung in der Wahlkabine können z.B. auch Protestmotive und der Wunsch, den Regierenden einen „Denkzettel“ zu verpassen, eine Rolle spielen. Deshalb versteht sich, dass der demokratische Verfassungsstaat bei der Bekämpfung des (Rechts-) Extremismus Liberalität und Entschlossenheit zugleich an den Tag legen muss. Dies ist eine Gratwanderung.

 

Eckhard Jesse

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Felix Neumann

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