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Wie unterscheiden sich Rechtsextremisten von rechten Demokraten?

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„Niemand in Deutschland, der noch bei Trost ist“, schrieb der Publizist Jan Fleischhauer 2009, „bezeichnet sich selbst als rechts. Bürgerlich vielleicht oder konservativ, aber selbst das nur mit angehaltenem Atem“.1 Offenbar scheint „rechts“ als politische Richtungsangabe schon fast gleich bedeutend mit „rechtsextrem“. Bezeichnen sich deshalb viele zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus einfach als „Initiativen gegen rechts“? Gibt es überhaupt eine demokratische „Rechte“?

Zunächst einmal: Die Einordnung dessen, was - gemessen an der Mitte - „rechts“ und „links“ ist, hängt nicht zuletzt von der Position des Betrachters ab. Ein Kommunist (siehe auch Was ist Kommunismus?) wird einen traditionellen Sozialdemokraten umstandslos als „rechts“ bezeichnen, während sich dieser durchaus als Bestandteil einer linken Mitte sieht. Abgesehen von diesem Perspektivenproblem scheint es aber auch so, dass die Bezeichnung „politische Rechte“ durch die Verbrechensgeschichte des Nationalsozialismus diskreditiert ist. Tatsächlich stehen sich Rechtsextremismus wie der Nationalsozialismus und demokratisch-rechte Positionen in entscheidenden Punkten geradezu unversöhnlich gegenüber.

Die Scheidelinie ist das Verhältnis zum Grundgesetz und hier insbesondere zu den Grund- und Menschenrechten, den Verfahren und Institutionen des Verfassungsstaates und zum Rechtsstaat (siehe auch Rechtsextremismus und das Grundgesetz).

„Rechten“ wird nicht selten attestiert, sie wehrten sich gegen gesellschaftlichen Wandel, sehnten sich zurück nach vergangenen Zuständen und Sozialordnungen oder sie neigten zu unangemessener Hochschätzung der eigenen Nation. Beides kann man sowohl rechtsextrem wie auch demokratisch ausfüllen.

Wenn Rechtsextremisten sich nach vergangenen Zeiten und Sozialordnungen sehnen, dann meinen sie ein vordemokratisches Regime nach Art des Kaiserreichs oder sogar des NS-Führerstaats. „Konservativ“ im demokratischen Sinne meint, dass man positive Traditionen der Vergangenheit bewahrt und nicht leichtfertig gesellschaftsverändernden Utopien opfern möchte. Damit ist auch ein bestimmtes Bild des gesellschaftlichen Gefüges verbunden, das sich im Allgemeinen bei den konservativen Parteien in Europa auf die christlichen Wurzeln des Kontinents bezieht. Und die stehen nicht im Widerspruch zur Verfassungsdemokratie, sondern sind mit dem Verständnis vom Menschen als ein zugleich eigenverantwortliches wie auch sozial bezogenes Wesen geradezu dessen Grundlage.

Eine demokratische Rechte wird auch nicht nationalistisch sein - dies bedeutete die Überschätzung der eigenen Nation und damit zugleich die Abwertung anderer (siehe auch Was ist Nationalismus?). Sie darf aber patriotisch und stolz auf ihr Land sein. Es hat nichts mit Rechtsextremismus zu tun, wenn man stolz auf Deutschland ist wegen seiner wirtschaftlichen Leistungen (Exportweltmeister), der landschaftlichen Schönheit seiner vielfältigen und kulturell unterschiedlichen Regionen, seiner großen kulturellen Traditionen (z.B. in Wissenschaft, Literatur und Musik), oder wenn man einfach mal seiner Freude über die Leistungen der Fußballnationalmannschaft dadurch Ausdruck gibt, dass man ein Schwarz-Rot-Gold-Fähnchen ans Auto steckt. Denn Schwarz-Rot-Gold sind die Farben der demokratischen Revolution von 1848, und damit symbolisieren sie den Aufbruch der Deutschen in die Demokratie - gescheitert war 1933 der erste Anlauf von 1919, gelungen aber derjenige von 1949 in den westlichen Besatzungszonen und 1990 der des vereinten Deutschlands. Richtig verstandener Patriotismus ist kein Rechtsextremismus - würde man einen Franzosen, der am 14. Juli die „Tricolore“ aufzieht, oder einen Niederländer, der im April den „Koningsdag“ der „Oranjes“ feiert, als Rechtsextremisten oder als Nazi verdächtigen?

Abzulehnen ist es, wenn solche Gelegenheiten in Deutschland mit der Fahne Schwarz-Weiß-Rot gefeiert werden: Sie symbolisiert mit dem Kaiserreich ein vordemokratisches Deutschland, das in der von ihm mit verursachten Katastrophe des Ersten Weltkriegs (1914-18) unterging. Wer sich damit politisch identifiziert, es gar für heute als Vorbild darstellt, der bewegt sich eher im Vorfeld des Rechtsextremismus - und nicht mehr in einer demokratischen Rechten. Denn eine Erbmonarchie wie das Kaiserreich leitete ihre Legitimation nicht vom demokratischen Prinzip ab. Der Verfassungsschutz müsste solche Monarchisten wegen Ablehnung des Prinzips der Volkssouveränität unter „rechtsextremistische Bestrebungen“ verbuchen - damit sind sie juristisch gesehen Rechtsextremisten, aber gemessen an rassistischen Neonazis natürlich eher eine Form der Politsatire. Die NPD bedient sich übrigens der Fahne schwarz-weiß-rot als nicht verbotenes Emblem, um ihre Ablehnung demokratischer Tradition in Deutschland kenntlich zu machen.

Wie diese Beispiele zeigen, sind die Trennlinien zwischen „rechts“ und „rechtsextremistisch“ bisweilen genauso dünn wie zwischen „links“ und „linksextremistisch“. Das ist unvermeidbar, weil in pluralistischen Gesellschaften Durchmischungen aller Arten politischer Orientierungen möglich sind. Jemanden vorschnell und damit fahrlässig als Extremisten zu bezeichnen, verbietet sich nach beiden Richtungen. In Zweifelsfällen sollten auch exponierte, radikale rechte oder linke Auffassungen geduldet werden - wenn sie nicht eindeutig gegen Demokratie, Menschenrechte und den Verfassungsstaat gerichtet sind. Auch dieses Prinzip der Toleranz ist in einer Demokratie Bestandteil eines richtig verstandenen Verfassungs-Patriotismus.

 

Rudolf van Hüllen

 


Jan Fleischhauer, Unter Linken. Von einem, der aus Versehen konservativ wurde, Reinbek 2009, S.15.

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