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Reaktionen aus dem Nahen Osten und Nordafrika auf die US-Wahlen

Hoffnung, Pragmatismus und Besorgnis

Das Ergebnis der US-Wahlen und der Sieg Donald Trumps rief im Nahen Osten und Nordafrika ein gemischtes Echo hervor. Die Reaktionen reichen von Hoffnung über Pragmatismus bis hin zu Besorgnis über die Zukunft der Region. Die Publikation gibt einen Überblick über die Reaktionen der Länder der Region.

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Der Nahe Osten und Nordafrika befinden sich in einer tiefen Krise. Dabei wirkte die Eskalation des Nahostkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern seit dem Terroranschlag der Hamas und anderer palästinensischer Gruppen am 7. Oktober 2023 wie ein Katalysator für schwelende Konflikte und hemmte gleichzeitig regionale Annäherungsprozesse.Angesichts dieser komplexen Sachlage sind die US-Präsidentschaftswahlen und eine daraus resultierende, möglicherweise neue US-Nahostpolitik ein Schlüsselereignis für die Zukunft der Region. Insofern war das Interesse an dem Ausgang der Wahlen in den meisten Ländern der Region groß. Die Publikation gibt einen Überblick über die Erwartungen der einzelnen Länder der Region an die Nahostpolitik der Trump-II-Administration.

 

Eine Region in der Krise und eine Wildcard für die Region?

Der Nahe Osten und Nordafrika befinden sich in einer tiefen Krise. Dabei wirkte die Eskalation des Nahostkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern seit dem Terroranschlag der Hamas und anderer palästinensischer Gruppen am 7. Oktober 2023 wie ein Katalysator für schwelende Konflikte und hemmte gleichzeitig regionale Annäherungsprozesse. Der regional strukturbildende Konflikt, der seine Verheerung bereits weit über die Grenzen Israels und der Palästinensischen Gebiete getragen hat, ist wieder zurück auf der internationalen Tagesordnung. Er zwingt beinahe alle staatlichen und nicht-staatlichen Akteure der Region dazu, sich zu verhalten.

Angesichts dieser komplexen Sachlage sind die US-Präsidentschaftswahlen und eine daraus resultierende, möglicherweise neue US-Nahostpolitik ein Schlüsselereignis für die Zukunft der Region. Insofern war das Interesse an dem Ausgang der Wahlen in den meisten Ländern der Region groß. Was die Reaktionen aus den einzelnen Ländern betrifft, so lassen sich zwei bemerkenswerte Beobachtungen konstatieren.

Erstens dominiert auch in den Staaten, die von der Konflikteskalation am meisten betroffen sind, keineswegs ausschließlich die Besorgnis, Donald Trump werde als neuer US-Präsident zu weiteren Eskalationen beitragen. Vielmehr wird mit Verweis auf Donald Trumps Selbstdarstellung als „Deal-Maker“ auch immer wieder die Hoffnung geäußert, seine Administration könne neue Verhandlungsimpulse in der Region setzen und zumindest zwischenzeitlich das Gewaltniveau senken. Trotzdem wird beispielsweise gerade in den Palästinensischen Gebieten, Jordanien und Libanon die Wahl Trumps mit Sorge betrachtet.

Zweitens zeichnet sich ab, dass Staaten mit Ambitionen zur regionalen Gestaltungsmacht einen demonstrativen Pragmatismus an den Tag legen, der deutlich machen soll, dass man auch – oder gerade mit – einer von Trump geführten US-Regierung (weiterhin) zusammenarbeiten möchte. Dennoch haben sich einige Rahmenbedingungen seit dem Ausscheiden Trumps aus dem Weißen Haus geändert, sodass es zu kurz gegriffen wäre, von einer bloßen Fortsetzung der Nahostpolitik der Trump-I-Administration auf die unmittelbare Zukunft auszugehen.

Dieses breite Spektrum an Reaktionen, Hoffnungen und Befürchtungen inmitten der Krise verweist auf eine auch in Expertenkreisen bislang ungeklärte Frage. Wie wird die Nahostpolitik des designierten US-Präsidenten aussehen? Seine Äußerungen sind teilweise widersprüchlich und seine Signale nicht immer vollständig klar. Die Einschätzung, Donald Trump sei eine unberechenbare Wildcard, ist ebenso verbreitet wie die Sorge vor weiteren Eskalationen. Ob die USA allerdings über die Mittel verfügen, das vielschichtige und eng verwobene Netzwerk aus regionalen Konfliktakteuren entscheidend nach ihren Wünschen zu beeinflussen, bleibt indes abzuwarten.
 

Israel

Bewertung des Wahlausgangs

Der Wahlsieg Trumps wurde in Israel – in der Politik wie auch der breiten Gesellschaft – insgesamt (sehr) positiv aufgenommen. Einer aktuellen Umfrage nach gaben 65 % der Israelis an, dass Trump für Israel der bessere Präsident sei, nur 13 % favorisierten Harris. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Trump während seiner ersten Amtszeit 2017 bis 2021 wird in Israel insgesamt positiv bewertet. Trump gilt bei vielen als „wahrer Freund“ Israels. In der damaligen Amtszeit gab es einige Initiativen, die in Israel äußerst positiv aufgenommen wurden. So beispielsweise die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem 2017, die Anerkennung der israelischen Souveränität über den Golan 2019, die Unterzeichnung der Abraham-Abkommen 2020 oder der vorgelegte Friedensplan „Peace to Prosperity“ von 2020. Während seiner ersten Amtszeit hat Trump auch eine „Politik des maximalen Drucks“ auf den Iran (z.B. Tötung von Qassem Soleimani 2020 in Bagdad) verfolgt. In Israel erhofft man sich (insbesondere auf politischer Ebene) von der zukünftigen Trump-Administration mehr Handlungsspielraum, mehr Rückendeckung sowie weniger Kritik und Restriktionen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Entscheidungen, die internationale Kritik hervorrufen könnten wie beispielsweise die Rafah-Offensive im Februar 2024), unter einer zukünftigen Trump-Administration schneller getroffen würden. Die Wahl Trumps gilt dabei als Premierminister Netanyahus Wunschvorstellung. Am Wahltag selbst ist Netanyahu mit der Entlassung von Verteidigungsminister Gallant ein hohes Risiko eingegangen, was mit dem Sieg Trumps jedoch belohnt wurde. Nach der Entlassung eines starken parteiinternen Kritikers wird Netanyahu nun zukünftig in seiner Regierung mehr Handlungsspielraum haben. Besonders interessant und herausfordernd wird aus israelischer Sicht nun die Übergangszeit zwischen der Biden- und Trump-Administration bis Ende Januar 2025: Biden hat sich mehrfach kritisch zu Netanyahu geäußert und muss seine Handlungen und Äußerungen nun nicht mehr aufgrund eines bevorstehenden Wahlkampfes abwägen.

Erwartete Auswirkungen und Entwicklung der israelisch-amerikanischen Beziehungen

Die Beziehungen und Zusammenarbeit Israels und der USA werden sich vermutlich unter einer Trump-Administration insgesamt eher verbessern und vertiefen (auch unabhängig davon, welche Regierung in Israel dann regiert), da diese insgesamt eher als „Israel-freundlich“ gilt und es bei den Republikanern keinen israelfeindlichen Parteiflügel gibt (siehe IIhan Omar oder Rashida Tlaib bei den Demokraten). Herausfordernd könnte die mehrfache Ankündigung Trumps sein, Kriege wie den im Nahen Osten oder der Ukraine umgehend zu beenden. Bereits im Wahlkampf sagte Trump, er erwarte, dass der Krieg in Gaza bis zum 20. Januar beendet sei. Hier könnte Druck auf Israel entstehen bzw. das Land bei einer Fortdauer des Krieges zu Zugeständnissen gezwungen werden. Gleichzeitig wird in Israel gehofft, dass Trump seine Politik der „maximalen Härte“ gegenüber dem Iran fortsetzt. Nach dem zweiten iranischen Raketenangriff forderte Trump bereits Anfang Oktober, dass Israel die iranischen Atomanlagen angreifen solle (wohingegen Biden forderte, die israelische Antwort soll „verhältnismäßig“ sein). Erwartbar wären bei einer Trump-Administration vermutlich härtere Sanktionen gegen den Iran oder im Falle eines erneuten iranischen Angriffs auch ein militärisches Einsteigen seitens der USA.

Berichte in sozialen Medien und Aussagen relevanter Entscheidungsträger

Verschiedene Aussagen und Statements verdeutlichen dabei diese Annahmen. So betonte Trump mehrfach bei Wahlkampfveranstaltungen: “I’m not going to start a war. I’m going to stop wars”. Ähnlich äußerte sich auch der designierte US-Vizepräsident Vance: „Stop fighting stupid wars in the Middle East“. Zum Teil wurde Netanyahu auch von Trump in ungewohnt scharfer Weise kritisiert bzw. gewarnt („the killing has to stop“). Nach Wahlausgang war Netanyahu einer der ersten, der mit Trump länger telefonierte und ihm gratulierte. Auf X schrieb er: “Your historic return to the White House offers a new beginning for America and a powerful recommitment to the great alliance between Israel and America.” Aus der gesamten israelischen Regierung wurden viele Gratulationen und Hoffnungen artikuliert. Rechtsextreme Hardliner wie der Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir versprechen sich von der Wahl Trumps eine Durchsetzung ihrer Forderungen. Ben Gvir forderte in der Knesset: "Jetzt ist die Zeit für Souveränität, die Zeit für den totalen Sieg. Die Zeit, um die Todesstrafe für Terroristen hier in Israel zum Gesetz zu machen. Alle Arten von Gesetzen, bei denen ich keinen Zweifel habe, dass der US-Präsident sie so sieht wie wir." Die Glückwünsche an Trump kamen dabei zudem fraktionsübergreifend, auch Oppositionsführer Yair Lapid gratulierte Trump zu seinem „historischen Comeback“.

 

Palästinensische Gebiete

In der Wahlnacht von Dienstag auf Mittwoch sind die Fenster der Wohnblöcke im Westjordanland hell erleuchtet vom Licht der Fernseher – sowohl in den palästinensischen Städten und Dörfern als auch in den israelischen Siedlungen – denn die Wiederwahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten könnte tiefgreifende Auswirkungen für Israelis und Palästinenser, auf den Krieg im Gazastreifen und die Zukunft des Nahostkonflikts haben.

Palästinensische Medien berichteten ausführlich über die US-Wahlen, sowohl vor als auch nach dem Wahltag, da bereits im Wahlkampf beide Kandidaten Positionen zum Nahostkonflikt bezogen. In vielen Meinungsbeiträgen nach dem Sieg von Donald Trump wird der Nahostkonflikt als einer der Gründe gesehen, warum die Harris-Kampagne ihre Wählerschaft nicht mobilisieren konnte oder sogar vereinzelt Stimmen an die Republikaner verlor.

Die Mehrheit der Palästinenser war vom Ergebnis nicht überrascht. In Diskussionen sind sich viele jedoch uneinig darüber, welche Konsequenzen die Wahl von Donald Trump haben könnte – eine Verstetigung des Status Quo oder ein Freifahrtschein für die Regierung Netanyahu? Dabei ist eine Mischung aus Besorgnis, Unsicherheit und vorsichtiger Hoffnung spürbar.

Stimmung unter Palästinensern

Ähnlich wie in den USA durchzieht nicht nur die amerikanisch- und palästinensisch-arabische Bevölkerung in der Diaspora, sondern auch die palästinensische Gesellschaft eine Trennlinie hinsichtlich der Aussichten auf die kommende Trump-Präsidentschaft. Vor allem Palästinenser im Westjordanland befürchten den Ausbau von israelischen Siedlungen, eine mögliche Annexion von Territorium, Kürzungen US-amerikanischer Hilfsgelder, eine Zunahme israelischer Siedlergewalt und ein Ende der Zweistaatenlösung. Für andere, insbesondere Palästinenser im Gazastreifen, könnte die Wahl Donald Trumps ein kleiner Hoffnungsschimmer sein, dass das Leid im Gazastreifen enden und ein US-verhandelter Deal zwischen Israelis und Palästinensern den Konflikt beruhigen könnte. Einige Palästinenser halten sich an Trumps früherer Aussage fest, regionale Konflikte mit einem einzigen Anruf beenden zu können.

Weniger in schriftlichen Beiträgen als in Alltagsgesprächen besteht daher auch eine schwache Hoffnung, dass Trump den Krieg im Gazastreifen einstellen und ein neues Friedensabkommen vorschlagen könnte, was zwar zu Ungunsten der Palästinenser ausfallen, aber wenigstens das Sterben in Gaza beenden würde. Die Erwartungen auf einen größeren Wandel hin zu besseren Zeiten sind jedoch sehr gering, vor allem mit Blick auf die US-Politik gegenüber Israel während der letzten Trump-Administration.

Einigen palästinensischen Analysten zufolge sollte der Wahlausgang zu einer stärkeren „Emanzipation“ der palästinensischen Führung von diplomatischer, finanzieller und politischer Unterstützung anderer Staaten, insbesondere der US-Politik, führen und dazu, nicht länger auf „amerikanische Lösungen“ zu warten. Experten erwarten außerdem stärkeren Druck der neuen US-Regierung auf arabische Regierungen zur Normalisierung der Beziehungen mit Israel. Das Königreich Saudi-Arabien hatte dagegen den eigenen Standpunkt, dass eine Normalisierung nur infolge einer Lösung für die Palästinenser erfolgen könnte, jüngst bekräftigt.

Manche Palästinenser befürchten auch eine zunehmende Eskalation der Sicherheitslage im Westjordanland, da die Übergangszeit in den USA bis zur Amtseinführung von Trump zu einem Machtvakuum führen und sich Premierminister Netanyahu durch den Sieg von Trump gestärkt sehen könnte. Als Beispiel hierfür werden die Entlassung von Yoav Gallant als Verteidigungsminister und jüngste Annexions-Pläne des israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich herangezogen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) scheint in Anbetracht der eigenen Notlage ihren Boykott von Donald Trump beendet zu haben. Präsident Abbas gratulierte dem künftigen US-Präsidenten und wünschte ihm viel Erfolg. Abbas äußerte seine Hoffnung, mit Präsident Trump für Frieden und Sicherheit in der Region zusammenzuarbeiten und betonte das Engagement des palästinensischen Volkes für Freiheit, Selbstbestimmung und einen eigenen Staat auf der Grundlage internationalen Rechts. „Wir bleiben fest in unserem Bekenntnis zum Frieden und sind zuversichtlich, dass die Vereinigten Staaten unter Ihrer Führung die legitimen Bestrebungen des palästinensischen Volkes unterstützen werden.“

Die Terrororganisation Hamas forderte Donald Trump auf, „auf die Stimmen zu hören, die seit mehr als einem Jahr aus der amerikanischen Gesellschaft gegen die Aggression im Gazastreifen erhoben werden, die die Besatzung und den Völkermord an unserem Volk ablehnen und sich gegen die Unterstützung und Parteilichkeit der USA gegenüber Israel wenden“.

Friedensbringer Trump? Eine Rückschau

Ob sich Präsident Trump im Nahen Osten als Friedensbringer feiern lassen kann, bleibt abzuwarten, doch ein Blick auf die Politik der US-Administration unter seiner Präsidentschaft zeichnet ein eindrückliches Bild hinsichtlich des Nahostkonflikts, in dem Präsident Trump mit vielen traditionellen Positionen der US-amerikanischen Politik brach.

Im Dezember 2017 erkannten die USA Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels an. Kein halbes Jahr später zog die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin um. Die Entscheidung brach mit einer jahrzehntelangen parteiübergreifenden US-Politik und wurde von Teilen der internationalen Gemeinschaft, allen voran der arabischen und muslimischen Welt, mit großer Empörung aufgenommen. Palästinenser bestehen darauf, dass Ost-Jerusalem die zukünftige Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden soll und der Status der Stadt zwischen ihnen und Israel ausgehandelt werden muss. Ein Jahr später mussten die Palästinenser ihre diplomatische Vertretung in Washington D.C. schließen.

Im Frühjahr 2019 erkannte die Regierung Trump auch die israelische Souveränität über die besetzten Golanhöhen an, die Israel 1967 von Syrien eroberte, besetzte und später annektierte. Seitdem steht die kleine Gemeinde „Trump Heights“ auf den besetzten Golanhöhen. Einige Monate später erklärten die USA, vor dem Hintergrund der „Realitäten vor Ort“ israelische Siedlungen im Westjordanland nicht länger als Verstoß gegen das Völkerrecht zu betrachten. Auch Beschränkungen für den Einsatz öffentlicher, amerikanischer Gelder in Siedlungen wurden gelockert. Trump beendete die amerikanische Entwicklungsfinanzierung in den Palästinensischen Gebieten und erklärte, dass Produkte aus israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland als „Made in Israel“ gekennzeichnet werden sollten. Die Siedlungen sind einer der Hauptstreitpunkte in den Friedensverhandlungen über eine Lösung des Konflikts.

Einen Friedensplan für den Nahostkonflikt präsentierte Donald Trump auch: den von ihm genannten „Deal des Jahrhunderts“. Das 181-seitige Dokument schlug neben einem wirtschaftlichen Investitionsplan eine politische Einigung vor, die Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israel zusprach, das Westjordanland in noch kleinere palästinensische Enklaven einteilte und eine vollständige Entmilitarisierung der Palästinenser vorsah. Das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge wurde ausgeschlossen und das UN-Hilfswerk UNRWA sollte aufgelöst werden. Die palästinensische Führung ebenso wie israelische Siedlerbewegungen im Westjordanland lehnten den Plan ab – für erstere fiel der Plan zu einseitig zugunsten Israels aus, für letztere war die Schaffung eines palästinensischen Staates nicht akzeptabel.

Ende 2020 folgte mit den Abraham Accords, der diplomatischen Normalisierung zwischen Israel und einigen arabischen Staaten, zunächst ein tatsächlicher außenpolitischer Coup – unter Ausklammern der Palästinenser-Frage – wenn auch der Friede bisher ein kalter geblieben ist.

Jenseits der Aussagen von Donald Trump im US-Wahlkampf, er wolle die Kriege in der Welt beenden, erhielten die Palästinenser über die letzten Monate gemischte Signale des kommenden US-Präsidenten. Als Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas Trump nach dem Attentatsversuch auf den Republikaner im Juli einen Brief schrieb, antwortete dieser mit einem Bild des Briefes, auf den er kritzelte: „Mahmoud – so toll – danke – alles wird gut.“

Während Trump die israelische Kriegsführung im Gazastreifen mit den Worten kritisierte, Israel „verliere den PR-Krieg“, bezeichnete er sich als besseren Freund Israels als die Demokraten, die das Land „zerstören“ wollten. Bei der ersten Kandidaten-Debatte im Juni warf Trump Präsident Biden vor, Israel „den Job nicht beenden“ zu lassen und den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu „zurückzuhalten“, die Kriegsziele in Gaza zu erfüllen. Unter vielen Palästinensern wird insgeheim gehofft, dass der nachtragende „Abu Ivanka“ dem israelischen Premierminister Netanyahu bisher nicht verziehen hat, dass dieser bei der letzten Präsidentschaftswahl direkt Joe Biden als neuem Mann im Weißen Haus gratulierte.

 

Libanon

Quer durch die politischen Linien besteht die Erwartung, dass die Trump-Administration auf eine strengere Durchsetzung der Libanon-bezogenen UN-Resolutionen (wie 1559 und 1701) drängen könnte, die die Entwaffnung der Hisbollah und die Stärkung der libanesischen Souveränität beinhalten. Während einige libanesische Fraktionen dies begrüßen (Lebanese Forces, Kataeb, Souveränisten-Camp), sind auch Sorgen zu vernehmen, dass dies die inneren Spannungen erhöhen oder gar zu einem neuen Bürgerkrieg führen könnte. Die Hisbollah lehnt ein solches Ansinnen natürlich ab.

Analysten und politische Akteure äußern Bedenken hinsichtlich erhöhter Instabilität in der Übergangsphase, bevor Trump das Präsidentenamt übernimmt. Diese Phase wird als prekär angesehen, mit Befürchtungen, dass der israelische Premierminister Netanyahu Maßnahmen in Gaza oder gegen den Iran intensivieren könnte, was die Lage für den Libanon verkomplizieren könnte.

Skepsis gegenüber einem tatsächlichen Wandel

Trotz Trumps Wahlversprechen bleiben Analysten vorsichtig und verweisen darauf, dass Trumps versprochene Friedensinitiativen aufgrund der tief verwurzelten politischen und militärischen Komplexitäten im Nahen Osten auf erhebliche Herausforderungen stoßen könnten. In diesem Zusammenhang wird von einigen auch argumentiert, dass die US-Außenpolitik von Prioritäten beeinflusst werde, die über die einzelnen Präsidenten hinausgehen. Diese Perspektive lässt Skepsis aufkommen, dass Trumps Rückkehr wesentliche Veränderungen bringen wird oder durch ihn eine Einschränkung von israelischen Operationen in der Region zu erwarten sei.

Sorge vor Eskalation

Es herrscht eine große Sorge vor einer weiteren Eskalation: Die Übergangszeit vor Trumps Amtsantritt wird als hochgradig prekär angesehen. Diese Phase wird als potenziell eine der gefährlichsten für den Libanon und die Region beschrieben, insbesondere angesichts der jüngsten militärischen Operationen Israels. Dabei wird in der Debatte vor allem auf den Libanon, Gaza, das Westjordanland, Syrien und den Iran verwiesen. Begründet wird diese Sorge auch mit der jüngsten Kabinettsumbildung in Israel: Mit der Ernennung von Hardliner-Ministern wie Yisrael Katz und Gideon Sa'ar könnte sich Israels aggressive Haltung gegenüber Gaza und dem Libanon weiter verschärfen. Libanesische Analysten vermuten, dass Netanyahu die Übergangszeit Zeit nutzen könnte, um militärische Aktionen gegen die Hisbollah und im Libanon zu intensivieren.

Mögliche Veränderungen in den US-libanesischen Beziehungen

  • US-Politikfokus auf Entwaffnung der Hisbollah und Sicherheit Israels: Die Trump-Administration könnte versuchen, die UN-Resolutionen 1559 und 1701 durchzusetzen, die die Entwaffnung von Milizen wie der Hisbollah fordern, um den Sicherheitsinteressen Israels zu entsprechen. Seitens der Hisbollah wird dies abgelehnt. Auch aus Hisbollah feindlich gesinnten Kreisen ist zu vernehmen, dass die Sorge vor einem inner-libanesischen Konflikt um die Waffen Hisbollahs groß ist; andere formulieren die Sorge, dass Hisbollah zwar so geschwächt wird, dass Israels Sicherheit verbessert wird, dass die Organisation aber ihre Kontrolle über den Libanon wieder erlangen kann.
  • Libanons Souveränität und institutionelle Reformen: Einige libanesische Führungspersönlichkeiten und Analysten hoffen, dass die Trump-Administration Reformen unterstützt, die die Souveränität des Libanon stärken, ausländischen Einfluss reduzieren (insbesondere den Irans) und die konstitutionelle Regierungsführung stärken.
  • Diplomatisches und wirtschaftliches Engagement: Libanesische Führer hoffen, dass Trumps Rückkehr die diplomatischen Beziehungen und die finanzielle Unterstützung für den Libanon stärken könnte. Angesichts der wirtschaftlichen Krise des Landes könnte die Unterstützung der USA entscheidend sein, um die Infrastruktur und Wirtschaft des Libanon wieder aufzubauen. Allerdings wird diese Hilfe wahrscheinlich an politische Reformen geknüpft sein, die darauf abzielen, den Einfluss der Hisbollah zu verringern.

Berichterstattung und Analyse in den Medien

  • Mainstream-Medien-Berichterstattung: Libanesische und regionale Medien wie Elnashra, Al Nahhar, MTV Lebanon, Alhurra und SkyNews Arabia bieten eine detaillierte Analyse der potenziellen Auswirkungen von Trumps Politik auf den Libanon. Diese Berichte betonen häufig die Möglichkeit erhöhter Unterstützung der USA für die Souveränität des Libanon und militärische Hilfe, die an die Entwaffnung der Hisbollah gebunden sein könnte. Die Übergangszeit vor Trumps offizieller Amtseinführung wird als risikoreich eingestuft, angesichts erwarteter Veränderungen in den Beziehungen zwischen den USA, Israel und dem Iran.
  • Reaktionen in sozialen Medien: Auf Plattformen wie X (ehemals Twitter) und Facebook diskutieren libanesische Bürger und Kommentatoren die Implikationen von Trumps Wiederwahl und spiegeln dabei politische Affiliationen wider. Pro-US- und Anti-Hisbollah-Gruppen zeigen sich optimistisch und sehen in Trump einen potenziellen Verbündeten gegen die Hisbollah und den iranischen Einfluss im Libanon. Unterstützer der Hisbollah und deren Anhänger hingegen sind kritischer und sehen eine mögliche US-Intervention als direkte Bedrohung für die Autonomie und Sicherheit des Libanon. Der Diskurs in den sozialen Medien zeigt eine polarisierte Reaktion mit anhaltenden Debatten darüber, ob der Regierungswechsel Stabilität oder mehr Konflikte bringen werde. In den sozialen Medien werden Hashtags wie #Lebanon, #TrumpReturns und #Hezbollah genutzt, um sowohl Unterstützung als auch Kritik an Trumps Außenpolitik auszudrücken. Pro-US-Nutzer erwarten eine verstärkte Unterstützung für die Armee und die staatlichen Institutionen des Libanon und hoffen auf wirtschaftliche Erleichterungen durch von den USA unterstützte Reformen. Anti-US-Stimmen warnen, dass Trumps harte Haltung gegenüber dem Iran den Libanon in weitere Konflikte verwickeln könnte und sehen seinen Wahlsieg als Vorwand für einen verstärkten US-israelischen Einfluss im Libanon.

Aussagen libanesischer Entscheidungsträger

Hisbollah-Generalsekretär Naim Qassem erklärte unmittelbar vor den Wahlen, dass ein Sieg von Trump oder Harris keinen Unterschied für die Organisation mache. Der Hisbollah-Abgeordnete Ibrahim al-Moussawi erklärte nach den Wahlen, dass er jede Hilfe begrüße, die die Aggression Israels gegen den Libanon beende und Trump nun mit Taten beweisen müsse, dass er dies wolle.

Der geschäftsführende libanesische Premierminister Najib Mikati gratulierte Trump zum Wahlsieg und sprach von einer großen demokratischen Leistung. Berichten zufolge kommentierte er Trumps Wiederwahl in Anspielung auf dessen libanesisch-amerikanische Familienverbindung durch seinen Schwiegersohn auch mit dem Hinweis: „Glückwunsch, haben Sie Mughli-Süßigkeiten angeboten?“ Mikati ist einerseits nur dank Unterstützung der Hisbollah Premierminister geworden, hat sich andererseits jedoch häufig auch kritisch zu der Organisation geäußert.

Der Vorsitzende der Partei Lebanese Forces (LF), Samir Geagea, gratulierte Trump öffentlich und äußerte Zuversicht, dass dessen Regierung die Souveränität und demokratischen Institutionen des Libanon unterstützen werde. Geageas Aussage spiegelt die Haltung seiner Partei wider, insbesondere in Bezug auf die Eindämmung des Einflusses der Hisbollah.

Der Vorsitzende der Kataeb-Partei, Samy Gemayel, gratulierte Trump ebenfalls und nannte seine Rückkehr ins Weiße Haus „bemerkenswert“. Er fügte hinzu: „Wir hoffen, dass die USA ihr Engagement für den Libanon erneuern und seine Souveränität unterstützen werden, wie Sie [Trump] in Ihrer Botschaft an die libanesisch-amerikanische Gemeinschaft betont haben.“

In seiner Gratulationsnachricht nannte Gebran Bassil, der Vorsitzende des Free Patriotic Movement (FPM), Trumps Rückkehr eine „wertvolle Gelegenheit“ für den Libanon. Bassils Aussage entspricht seiner Vision stärkerer US-libanesischer Beziehungen, die die politische und wirtschaftliche Stabilität des Libanon verbessern könnten. Bassils FPM ist seit 2006 in einer engen politischen Allianz mit der Hisbollah, die seitens FPM jedoch jüngst zumindest deklaratorisch aufgekündigt wurde.

Der Vorsitzende der drusischen PSP-Partei, Walid Joumbaltt, geht nicht davon aus, dass Trump in der Lage sein wird, sein im Wahlkampf gegebenes Friedensversprechen einzulösen. Er erwartet eine weitere militärische Eskalation seitens Israels. Er verweist aber darauf, dass es im Berater- und Unterstützer-Team Trumps auch einige libanesisch-stämmige Amerikaner gibt, die das Land besser verstünden.

 

Golfstaaten und Islamische Republik Iran

Positive Reaktionen aus den Golfstaaten, Gleichgültigkeit in Iran

Von Entscheidungsträgern in Saudi-Arabien und den VAE wird die Wiederwahl Trumps positiv bewertet und mit der Hoffnung auf eine stärkere Zusammenarbeit, insbesondere bei der Beendigung regionaler Konflikte (d.h. in Gaza) sowie im wirtschaftlichen Bereich verbunden. Als einer der ersten weltweit brachte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) im persönlichen Gespräch mit Trump seine Freude über die Wiederwahl zum Ausdruck. Der katarische Emir Tamim bin Hamad, der emiratische Präsident Mohammed bin Zayed (MbZ) sowie der omanische Sultan Haitham bin Tarik gratulierten Trump sogar noch vor dessen offizieller Verkündung als Präsident durch US-amerikanischen Medien. Regierungschef bzw. Staatsoberhaupt in Katar und Saudi-Arabien betonten die strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten und äußerten die Hoffnung, zusammen mit Trump die Stabilität und Sicherheit in der Region voranzutreiben. Der Präsident der VAE hingegen thematisierte in seiner Botschaft (neben der strategischen Partnerschaft mit den USA) nicht die Sicherheitslage im Nahen Osten, sondern stattdessen, dass man mit Washington bei der „Wirtschaft der Zukunft“ zusammenarbeiten wolle. Dies illustrieret die unterschiedlichen Prioritäten der drei Golfstaaten.

Staatsnahe Medien und Accounts in den sozialen Medien aus den Golfstaaten reagieren etwas verhaltener, jedoch auch grundsätzlich positiv. Dass Trump im Wahlkampf dem saudischen Sender Al-Arabiya ein exklusives Interview gegeben hatte, bringt ihm Vorschusslorbeeren ein. Arabischsprachige Medien halten sich bislang mit Prognosen, ob sich die Wahl Donald Trumps positiv auf Stabilität und Konflikte in der Region auswirken könnte, zurück. Stellenweise werden jedoch auch Zweifel geäußert, ob sich Trumps Versprechen, den Nahostkonflikt zu beenden, mit seiner pro-israelischen Haltung vereinbaren ließe. Der saudische Prinz Turki Al Faisal appellierte in seiner an Trump adressierten Kolumne in einer emiratischen Zeitung auf betont positive – fast schmeichelnde – Art und Weise, der neue US-Präsident solle mit MbS zusammenarbeiten, um den Konflikt in Gaza zu beenden. Es wird in golf-arabischen Medien weiterhin erwartet, dass Trump die „Kontrolle“ über den Iran wiederherstellen könnte und dass sein Wahlsieg positive wirtschaftlichen Folgen haben werde. Gleichzeitig werden aber auch die negativen Auswirkungen des von Trump versprochenen Öl- und Gasausbaus auf globale Energiepreise herausgestellt.

In der Islamischen Republik Iran hingegen fiel die offizielle Reaktion gleichgültig aus. In offiziellen Statements wurde betont, der Wahlausgang in den USA habe keinen materiellen Einfluss auf die Islamische Republik, die eigene Politik bliebe gleich und würde sich nicht aufgrund von Personen ändern (ohne Trump namentlich zu erwähnen). Konservative Medien äußerten sich negativ zum Wahlsieg Trumps, insbesondere hinsichtlich dessen Unterstützung für Israel und seiner konfrontativen Politik gegenüber Iran in der Vergangenheit. Reformer äußerten Bedenken, dass die Hardliner im Land Trumps Wahlsieg ausnutzen könnte, um sich gegen Nuklearverhandlungen auszusprechen. Durch das gesamte politische Spektrum hindurch wird die Unberechenbarkeit Trumps hervorgehoben und dass diese sowohl Gefahr als auch möglicherweise eine Chance darstellen könnte.

Mögliche Konsequenzen

In der Summe erscheint es wahrscheinlich, dass sich die Beziehungen zwischen den USA und den Golfstaaten infolge des Trump-Sieges zum Positiven, die zu Iran auf weiterhin schlechtem Niveau entwickeln dürften, obwohl Trump unberechenbar bleibt und es auch Punkte gibt, die beide Seiten spalten könnten.

Die Popularität Trumps am Golf baut auf dessen persönlichen Beziehungen zu den Staatsführern, v.a. zu MbS und MbZ, auf. Vom saudischen Kronprinzen hat der künftige US-Präsident eine hohe Meinung. Regierungen am Golf wiederum glauben, Trump persönlich zu kennen und daher mit ihm gut zusammenarbeiten zu können. Außerdem haben Saudi-Arabien und die VAE enge Beziehungen zu Trumps Familie aufgebaut, insbesondere zu seinem Schwiegersohn Jared Kushner, in dessen Firma der saudische Staatsfonds 2021 – wohl aus politischen Gründen – 2 Mrd. US-Dollar investiert hatte. Am Golf nimmt man Trump als „Businessman“ wahr und hofft mit ihm Geschäfte machen zu können, z.B. durch US-Investitionen, v.a. in Saudi-Arabien, um die dortige Wirtschaftstransformation zu unterstützen (Anm.: in der Vergangenheit angekündigte amerikanische Investitionen, wie die 2017 versprochenen 450 Mrd. US-Dollar, haben sich jedoch als Luftschlösser herausgestellt). Trump wird zudem die Menschrechtslage am Golf hintenanstellen und auch beim Vorgehen der Golfstaaten in regionalen Konflikten mit Kritik sparen, die Erwartung dessen bringt ihm schon jetzt Wohlwollen am Golf ein.

Die größte Hoffnung der Golfstaaten in Bezug auf Trump ist, dass er ein Ende des Nahostkonflikts verhandeln könnte. Man glaubt, Trump sei der Einzige, der dazu in der Lage sei, weil „Netanyahu auf ihn hört“ (Anm.: Trumps dezidiert pro-israelische Haltung, die sich z.B. im erfolglosen Trump Peace Plan 2020 niederschlug, wird dabei häufig außer Acht gelassen). Es ist zu erwarten, dass Trump – wie mehrmals angekündigt – die Ausweitung der Abraham-Abkommen vorantreiben wird, die er als sein persönlichen Prestigeerfolg in der Region ansieht, insbesondere indem er einen Sicherheitspakt mit Saudi-Arabien schmiedet, für den er momentan eine gute Ausgangslage im Senat hätte. Trumps Sichtweise auf die Golfstaaten ist, diese wollen „Schutz gegen Geld“ und er ist bereit, unter dieser Voraussetzung die Kooperation mit der Region zu intensivieren.

Eine Unwägbarkeit ist, wie die USA unter Trump auf die inzwischen weit engeren Beziehungen der Golfstaaten zu China reagieren könnten. Trumps Perspektive ist, dass die Golfstaaten momentan näher an China seien, dies eigentlich „aber gar nicht wollen“. Er könnte einerseits daher versuchen, durch entsprechende Deals die Golfstaaten wieder näher an die USA heranzuführen, andererseits sie aber auch zwingen, sich z.B. bei kritischen Technologien oder Rüstungsgütern zwischen China und den USA zu entscheiden.

Ein weiteres, kleineres Risiko ist, dass Konflikte innerhalb des Golfs aufbrechen könnten, weil Trump entscheidenden Akteuren freie Hand gewährt. Trumps bedingungslose Unterstützung für Saudi-Arabien und die VAE in seiner ersten Amtszeit hat zur Blockade Katars geführt, welche Riad und Abu Dhabi erst im Vorgriff auf den Machtwechsel in Washington zu Präsident Biden wieder aufgelöst hatten. Auch wenn die Ausgangslage heute eine andere ist – Riad und Doha haben sich in den letzten Jahren angenähert – nimmt Katar die Nähe Trumps zu seinen Nachbarn auch als Risiko wahr.

Im Umgang mit Iran dürfte die „Maximum Pressure“-Strategie zurückkehren. Dies ist einerseits daran abzulesen, dass Brian Hook, einer der Architekten der Iran-Politik in Trumps erster Amtszeit wieder eine wichtige Rolle im Wahlkampfteam einnahm, andererseits hat Trump v.a. die Durchsetzung der Iran-Sanktionen im Öl-Sektor und ein Vorgehen gegen die Umschlagplätze für iranisches Öl in Drittländern im Wahlkampf angekündigt. Einen weiteren Fortschritt beim iranischen Atomprogramm wird Trump ebenfalls nicht akzeptieren und dürfte Israel mehr Freiheiten als Joe Biden einräumen dagegen vorzugehen. Dennoch gibt Trump an, er "wolle keinen Regime-Change" im Iran, und führt immer wieder an, es könne auch einen Deal geben (wie auch immer dieser aussehen könnte). Für den Jemen und den Umgang mit den Huthis hat Trump kein erkennbares Konzept, hier hat er wenig Interesse und dürfte daher zunächst dem Pentagon die Fortschreibung der gegenwärtigen Politik gewähren.

 

Ägypten

Die Wiederwahl Donald Trumps zum 47. Präsidenten der USA wurde in Ägypten breit diskutiert und von der Regierung als positive Entwicklung bewertet. Mit dem Tweet „We look forward to working together to (...) achieve peace, main regional stability, and boost the strategic partnership between Egypt and the US and among their friendly peoples (...) which we hope to continue in the delicate circumstances the world is surviving” bewertete der ägyptische Präsident El-Sisi die Wiederwahl Trumps. In Ägypten ist der Hashtag “the US got back with its ex” in den sozialen Medien weit verbreitet. Trotz einiger verbaler Entgleisungen von Donald Trump, beispielsweise im Jahr 2019, als er El-Sisi beim G7-Gipfel in Frankreich als seinen „Lieblingsdiktator“ bezeichnete, kamen die beiden während der ersten Präsidentschaft Trumps gut miteinander aus.

Die Beziehungen zwischen den USA und Ägypten sind seit dem Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten Ende der 1970er Jahre sehr eng und basieren auf Kooperationen in den Bereichen Militärhilfe, Wirtschaft und Bildung. Trotz mancher Kritik wird diese Partnerschaft nach Einschätzung von Experten vor Ort von keiner Regierung aufgekündigt. Menschenrechtsverletzungen, wie sie in Berichten des US-Außenministeriums, von Human Rights Watch oder Amnesty International dokumentiert sind, hätten unter einer demokratischen Präsidentschaft mehr Gehör gefunden und stellten somit ein Risiko für die ägyptische Regierung dar. Angesichts der aktuellen Lage in der Region und der Menschenrechtssituation ist sich die Mehrheit der Kommentatoren in Ägypten jedoch sicher, dass weder Demokraten noch Republikaner die Situation verbessern würden.

Die USA sind ein wichtiger Partner Ägyptens bei der Terrorismusbekämpfung auf der Sinai-Halbinsel und Trump wird die ägyptischen Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus wahrscheinlich weiterhin unterstützen. Der ägyptische Sicherheitsapparat, der zu den größten in der Region gehört, würde unter Trump wahrscheinlich weiterhin starke Unterstützung aus den USA erhalten. Dies könnte militärische Hilfe, den Austausch von Informationen und gemeinsame Operationen umfassen.

Was die Erwartungen der Regierung El-Sisi an die neue Trump-Administration betrifft, so hofft man auf eine Fortsetzung der strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern. Trump hat während seiner ersten Amtszeit eine enge persönliche Beziehung zum ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi aufgebaut, und diese Dynamik wird sich wahrscheinlich fortsetzen. Sisi ist ein wichtiger Verbündeter bei den Bemühungen der USA, den Terrorismus im Nahen Osten zu bekämpfen und die Stabilität in der Region zu erhalten. Unter Trump könnte Ägypten weiterhin die Unterstützung der USA als verlässlicher Partner genießen, insbesondere angesichts der strategischen Position Ägyptens in der arabischen Welt und seiner Rolle für die regionale Sicherheit.

Während der ersten Amtszeit von Donald Trump wurde die US-Militärhilfe für Ägypten fortgesetzt (rund 1,3 Milliarden US-Dollar pro Jahr). Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Militärhilfe unter einer zweiten Trump-Regierung auf diesem Niveau fortgesetzt wird. Trumps Vorliebe für pragmatische Partnerschaften in Menschenrechtsfragen bedeutet, dass Ägypten wahrscheinlich seine umfangreiche Militärhilfe beibehalten würde, ohne unter Druck zu geraten, seine innenpolitische Führung zu ändern.

Trumps „America First“-Ansatz konzentriert sich darauf, die amerikanische Militärpräsenz im Nahen Osten zu reduzieren und gleichzeitig die lokalen Verbündeten zu ermutigen, mehr Verantwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen. Ägypten, ein wichtiger Akteur in der Region, würde wahrscheinlich als wichtiger Verbündeter in dieser umfassenderen Strategie positioniert werden. Die strategische Lage des Landes im östlichen Mittelmeer, seine Kontrolle über den Suezkanal und seine Führungsrolle in der arabischen Welt machen Ägypten zu einem Dreh- und Angelpunkt für die regionalen Interessen der USA. Unter Trump dürfte Ägypten Teil einer breiteren, von den USA unterstützten Koalition von Ländern des Nahen Ostens bleiben, die sich auf die Bekämpfung des iranischen Einflusses und die Aufrechterhaltung der regionalen Stabilität konzentrieren. Insbesondere nach dem zeitweisen Rückzug Katars aus den Verhandlungen während des Gaza-Krieges hat die Bedeutung Ägyptens zugenommen. Allerdings waren auch die bisherigen Initiativen Ägyptens, wie zuletzt die Forderung nach einer zweitägigen Waffenruhe, nicht erfolgreich.

Ägypten versucht, seine Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu anderen Weltmächten wie Russland und China auszubalancieren. Das hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Ägypten könnte seine Beziehungen zu Russland weiter ausbauen, insbesondere im Hinblick auf Rüstungsgeschäfte und militärische Zusammenarbeit und gleichzeitig enge Beziehungen zu den USA unterhalten. Auch Ägyptens Beziehungen zu China könnten sich im Zusammenhang mit der Entwicklung von Infrastruktur und Handel intensivieren, insbesondere im Hinblick auf Chinas Belt and Road Initiative. Trumps Politik dürfte Ägyptens Annäherung an China oder Russland nicht behindern, solange diese Länder die Interessen der USA in der Region nicht in Frage stellen.

Trumps „America First“-Politik legt den Schwerpunkt darauf, ausländische Investitionen anzuziehen und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Ägypten mit seiner wachsenden Wirtschaft und großen Bevölkerung könnte für US-Unternehmen ein attraktiver Markt werden. Trumps Regierung könnte mehr US-Unternehmen ermutigen, in Ägypten zu investieren, insbesondere in Sektoren wie Energie, Infrastruktur und Verteidigung. Dazu könnten auch Bemühungen gehören, Ägyptens Rolle als regionales Energiezentrum und als Wirtschaftspartner in Afrika zu stärken. Der Suezkanal ist für den Welthandel von entscheidender Bedeutung und die Trump-Administration wird wahrscheinlich weiterhin Projekte unterstützen, die Ägyptens Kontrolle und Verwaltung dieser strategisch wichtigen Wasserstraße verbessern. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Ägypten könnte mehr Handel, Joint Ventures und US-Investitionen in die ägyptische Infrastruktur wie Verkehrs- und Energieprojekte umfassen, was die wirtschaftliche Position Ägyptens in der Region weiter stärken würde.

Ägypten versteht sich als Vermittler bei der Bewältigung der Konflikte in Libyen und im Sudan. In Libyen hat Ägypten die Truppen von General Khalifa Haftar im andauernden Bürgerkrieg unterstützt und gleichzeitig bei den Friedensgesprächen vermittelt. Auch in Trumps zweiter Amtszeit dürfte Ägypten eine Schlüsselrolle in diesen Konflikten spielen und sowohl diplomatische als auch militärische Unterstützung für seine Operationen leisten.

Ägypten ist seit langem in Streitigkeiten mit Äthiopien über den Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) verwickelt, der Ägyptens Zugang zu den Wasserressourcen des Nils einzuschränken droht. Während seiner ersten Amtszeit hat sich Trump nicht direkt in diese Angelegenheit eingemischt, aber seine Regierung hat Interesse an einer Vermittlung in diesem Streit bekundet. Eine zweite Amtszeit Trumps könnte zu einem stärkeren Engagement der USA in dieser Frage führen, insbesondere wenn dies mit der Stabilität in der Region und den Sicherheitsinteressen Ägyptens vereinbar ist.

Auch wenn Trump Ägypten nicht zu größeren demokratischen Reformen drängen wird, könnten die USA Ägypten bei der Bewältigung seiner wirtschaftlichen Herausforderungen unterstützen, insbesondere im Hinblick auf Schulden und Inflation. Allerdings würde sich Trump wahrscheinlich eher auf die Förderung von Stabilität und militärischer Zusammenarbeit konzentrieren als auf systemische Wirtschaftsprobleme oder die Förderung von Transparenz und guter Regierungsführung. Auch Ägypten könnte eine wichtigere Rolle in der US-Afrikapolitik spielen, insbesondere im Hinblick auf Terrorismusbekämpfung und regionale Stabilität. Dies könnte eine engere Zusammenarbeit zwischen den USA und Ägypten bei afrikanischen Sicherheitsinitiativen einschließen, was den regionalen Einfluss Ägyptens stärken würde.

 

Jordanien

In Jordanien hat man die US-Präsidentschaftswahlen aufmerksam verfolgt. Zum einen sind die USA historisch und aktuell der wichtigste Verbündete des Landes (mit u.a. mindestens 1,5 Milliarden Euro an jährlichen Finanzhilfen). Zum anderen sind die USA ein Schlüsselakteur im israelisch-palästinensischen Konflikt, der in ein Jordanien als ein existenzielles Thema mit auch innenpolitischen Implikationen betrachtet wird.

Die Erfahrungen der ersten Trump-Präsidentschaft waren für Jordanien in diplomatischer und politischer Hinsicht sehr negativ. In Trumps Plänen („Deal of the Century“) und in Trumps Umfeld, das die Beziehungen zu den Golfstaaten stark bespielte, kam Jordanien praktisch nicht vor. Das weckte die strategische Urangst Jordaniens, dass der Nahostkonflikt letztlich ohne jordanische Mitsprache und stattdessen auf jordanische Kosten gelöst wird. Gleichzeit blieb die strategische Tiefe der bilateralen Beziehungen aber erhalten, also mit Blick auf finanzielle Unterstützung, aber auch die US-Truppenpräsenz im Königreich. Jordanien hat traditionell „bi-partisan support“ in den USA und der König pflegt seit Jahren Beziehungen zu Kongressabgeordneten beider Parteien.

Gleichwohl dominieren in Amman mit Trumps Wahl die Sorgen, gerade angesichts der Eskalation des Nahostkonflikts seit dem 7. Oktober 2023. Man fürchtet, dass im Zuge der US-Wahl bzw. mit Trumps Unterstützung Israel eine expansionistische Politik betreiben könnte, etwa durch eine Annexion des Westjordanlandes oder einer Fortsetzung bzw. Ausweitung des Krieges im Gaza-Streifen, die zur Vertreibung von Palästinensern nach Jordanien führen könnte. Von einem „Albtraum für Jordanien und Palästina“ sprach ein bekannter jordanischer Publizist. Andere Stimmen mahnen vorsichtig, dass sich Amman auf die Realitäten einstellen und möglicherweise seine Rolle als lautstarker Fürsprecher für die Palästinenser überdenken müsse, um die Beziehungen zu den USA nicht zu gefährden.

Insgesamt hat die US-Politik seit dem 7. Oktober 2023 unter der Biden-Administration in Jordanien zu einer Desillusionierung insgesamt auch mit einer demokratisch geführten Administration geführt. „Schlimmer kann es ja eh nicht werden!“, ist eine verbreitete Haltung in der Öffentlichkeit bzw. in den Sozialen Medien. Manche hoffen auch, dass der „Dealmaker“ Trump bzw. die isolationistischen Strömungen innerhalb der neuen Administration zu einer weniger aggressiven US-Politik gegenüber Iran und einer Beendigung der Kriege im Gaza-Streifen und im Libanon führen. In Jordanien fürchtet man nichts mehr als eine (weitere) regionale Eskalation des gegenwärtigen Konflikts.

Der König hat öffentlich zeitnah gratuliert (ohne viel Enthusiasmus) und der Regierungssprecher klargestellt, dass man mit jeder US-Administration zusammenarbeiten werde im Sinne der „strategischen Partnerschaft“ zwischen den beiden Ländern und mit dem gemeinsamen Ziel „regionaler Stabilität“. Ansonsten gibt es kaum öffentliche Äußerungen aus Politik und Parteien, die nun offenbar erst einmal abwarten, wie sich die neue US-Nahostpolitik gestaltet.

 

Türkei

Türkische Stimmen und außenpolitische Beobachter sahen zwischen den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Kamala Harris keine größeren Unterschiede für die US-Türkei-Beziehungen. In der Umfrage MetroPOLL von Oktober 2024 bevorzugten die meisten türkischen Befragten den US-Kandidat Trump vor der Kandidatin Harris. Vor allem Anhänger der DEM-Partei, MHP und AK-Partei favorisierten Trump; Anhänger der Iyi-Partei zeigten einen leichten Vorzug für Harris; CHP-Anhänger waren eher unentschieden. Im Wahlsieg Trumps sehen viele außenpolitische Beobachter das Potenzial zu einer Verbesserung der Beziehungen in geopolitischen Fragen. Die Hoffnung gründet v.a. in den aktuellen Interessenskonstellationen beider Länder, die mehr Raum für eine strategische Neuannäherung geben könnten.

Nach Aussage des türkischen Außenministers Hakan Fidan bestehen aktuell drei kritische Streitpunkte mit den USA: (1) Die US-Unterstützung der syrischen Kurdenmiliz YPG, (2) die mutmaßliche Unterstützung bzw. Beherbergung der Gülen-Bewegung (FETÖ) in den USA, sowie (3) der Ausschluss der Türkei aus dem F-35-Kampjet-Programm und Verhängung der CAATSA-Sanktionen gegen die Türkei. Von der türkischen Regierung sowie türkischen Medien und internationalen Beobachtern wird jedoch eine pragmatische US-türkische Zusammenarbeit in den relevanten außenpolitischen Bereichen (Russland/Ukraine, NATO/Verteidigung, Nordsyrien, Israel/Gaza) erwartet.

Nordsyrien

Die amerikanische militärische Unterstützung der syrischen Kurdenmiliz (YPG) gegen die IS-Terrormiliz löste ab 2015 eine kettenhafte, erhebliche Verschlechterung der US-türkischen Beziehungen aus. Unter der Trump-II Administration wird eine Neubewertung der Syrien-Politik seitens der USA erwartet. Die Türkei hofft auf einen US-Rückzug aus Nordsyrien und das Einstellen der Unterstützung an die YPG. Bereits 2018 äußerte Präsident Trump den Wunsch eines militärischen US-Rückzugs aus Syrien. Für den Fall, dass die USA sich aus Syrien zurückziehen, wäre die Türkei der naheliegendste Verbündete, der das entstehende Sicherheitsvakuum in Syrien füllen könnte. Die Türkei verfolgt das Aufrechterhalten einer Sicherheitszone an der türkisch-syrischen Grenze und das Einhegen kurdischer Autonomiebestrebungen. Ungeachtet taktischer Absprachen mit den russischen Kräften im Land und einer angestrebten pragmatischen Annährung an das syrische Assad-Regime stellt die Türkei ein für die USA möglicherweise sinnvolles Gegengewicht gegen Russland und Iran in Syrien dar.

NATO und Verteidigungspolitik

Aktuell noch ungelöst bleibt der Umgang mit dem 2019 von der Türkei erworbenen russischen Raketenabwehrsystem S400. Infolge des Kaufs hatten die USA unter der Trump-I-Administration die Türkei aus dem F35-Kampfjet-Programm ausgeschlossen und die türkische Verteidigungsindustrie in Anwendung der CAATSA-Gesetzgebung (Countering America's Adversaries Through Sanction Act) mit Sanktionen belegt. Nach vierjähriger Pattsituation sollen Berichten zufolge die USA und die Türkei kurz vor einem Kompromiss stehen, um der türkischen Luftwaffe den Erwerb von 20 Tarnkappenflugzeugen F-35 zu ermöglichen. Allerdings soll die türkische Verteidigungsindustrie nicht mehr am Bau des F-35 beteiligt werden.

Russland und Ukraine

In Russlands Krieg gegen die Ukraine sehen Beobachter das größte Potenzial einer strategischen US-Türkei-Annäherung. Präsident Trump hatte wiederholt angekündigt, die Militärhilfe an die Ukraine zu reduzieren und Russlands Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Die türkische Regierung spricht sich für eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg aus und erhofft sich, von den USA eine wichtige Rolle als diplomatischer Vermittler zu erhalten, da sie zu allen Seiten hochrangige Beziehungen pflegt.

Israel und Gaza

In der Israelpolitik und der aktuellen Krise in Gaza liegt für die Türkei in Zukunft das größte Konfliktpotenzial mit der Trump-Administration. Die türkische Regierung bewertet die palästinensische Hamas als Befreiungsorganisation, unterhält gute Beziehungen zu ihrem politischen Flügel und wirft der israelischen Regierung einen „Genozid“ an den Palästinensern vor. Gleichzeitig bestreitet die türkische Regierung nicht das Existenzrecht Israels und fordert eine Zweistaatenlösung. Die Türkei ist zudem besorgt, dass die neue Trump-Administration Israel dazu ermuntern könnte, iranische Atomanlagen anzugreifen und dadurch einen regionalen Flächenbrand und Destabilisierung der Nachbarschaft befördern könnte.

Stimmung in Medien und sozialen Medien

Die (sozialen) Medien und politischen Beobachter in der Türkei berichten über die Wiederwahl Trumps eher nüchtern-pragmatisch mit verhalten positiven Hoffnungen auf eine Verbesserung der Beziehungen in einigen strategischen Fragen (Syrien, Russland/Ukraine, Rüstungskooperation). Sorge besteht v.a. bei einer möglichen Eskalation mit Iran im Nahen Osten sowie angesichts Trumps teils „erratischer“ und unvorhersehbaren Entscheidungen. Die Wiederwahl Trumps biete der Türkei Chancen wie Herausforderungen. Präsident Erdogan könne die Wahl als Gelegenheit für einen Neustart der Beziehungen nutzen.

 

Marokko

Die Erinnerungen an Donald Trump und seine erste Amtszeit sind gut. Im Dezember 2020 verkündete er die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara. Die US-Wahl fiel zeitlich mit dem 49. Jahrestages des Grünen Marsches zusammen, einem offiziellen Feiertag zur Erinnerung an die Erlangung der marokkanischen Kontrolle über die Westsahara. Daher wurde die Wiederwahl Trumps weitestgehend positiv wahrgenommen, da er gemeinhin als Freund und Unterstützer Marokkos gilt.

In seiner ersten Amtszeit kündigte Trump die Eröffnung eines US-Generalkonsulats in der Westsahara an. Unter Präsident Biden geschah in dieser Angelgenheit wenig, sodass noch immer die Frage nach dem Standort nicht endgültig geklärt ist (Dakhla oder Laâyoune). Mit der Trump-Administration erhofft man sich nun schnelle Fortschritte. Durch die Unterstützung der USA wünscht man sich zudem, dass ein stärkerer Druck auf andere Staaten ausgeübt wird, dem Beispiel zu folgen. Die guten Beziehungen zu Trump werden allerdings nicht kostenlos aufrechterhalten bleiben. So ist durchaus ein Bewusstsein vorhanden, dass Marokko für die guten Beziehungen selbst etwas tun muss. In der ersten Amtszeit war dies die offizielle Normalisierung mit Israel. Mit Blick auf die scharfe Handelsrhetorik von Trump im Wahlkampf befürchtet man negative Auswirkungen auf das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Marokko.

König Mohammed VI gratulierte Trump zu seinem Wahlsieg und erinnerte nicht nur an die historischen Verknüpfungen der beiden Länder, sondern betonte auch die Leistungen Trumps in der Anerkennung der marokkanischen Sahara. Die Regierung unterstützte das Statement des Königs und erhofft sich einen Schub der Investitionen in der Westsahara. In den traditionellen wie auch in den sozialen Medien wurde die Wahl Trumps mit Verweis auf die Diskussionen zur Westsahara äußerst positiv aufgenommen. Die Demokraten und Präsident Biden hatten den Prozess in letzter Zeit zum Erliegen gebracht, sodass man sich nun auf Trumps unkonventionelles Vorgehen freue. Trump wird vielfach als wahrer Freund und Alliierter Marokkos gesehen (nicht erst seit der Anerkennung von Marokkos Souveränität über Westsahara im Jahr 2020).

 

Mauretanien

Der Wahlausgang wird in Mauretanien zwiespältig wahrgenommen. Einerseits konnte Mauretanien während der letzten Trump-Administration seine Beziehungen zu den USA weiter ausbauen, andererseits stößt seine scharfe Rhetorik gegen afrikanische Staaten und sein offensichtliches Desinteresse für die Region auf Besorgnis. So konnte Mauretanien von den Bemühungen um Normalisierungen mit Israel profitieren und dadurch sein Standing gegenüber den USA erhöhen. Dieses Thema wird aber womöglich keine zentrale Rolle mehr spielen, sollte sich Trump vor allem auf innen- und wirtschaftspolitische Dinge fokussieren. Somit überwiegt in Mauretanien die Ungewissheit, inwiefern Trump überhaupt einen Blick für Mauretanien, aber auch die gesamte Region haben wird.

In Trumps erster Amtszeit gab es positive Entwicklungen in der Sicherheitszusammenarbeit, so wurden beispielsweise einige Rüstungsgeschäfte abgeschlossen und es fanden gemeinsame Militärübungen statt. Hier wird vor allem bei der Terrorismusbekämpfung weiterhin eng kooperiert. Dies war auch unter der Biden-Administration der Fall, allerdings wurde dabei gleichzeitig auch das Volumen der Entwicklungszahlungen durch USAID hochgefahren. Mit Blick auf die Entwicklungszusammenarbeit ist aus mauretanischer Sicht ein deutlicher Rückgang zu erwarten. Für eines der ärmsten Länder der Welt wäre dies ein empfindlicher Rückschlag. In der politischen Führungsebene betont man zwar die guten US-Beziehungen, in der breiten Bevölkerung scheint jedoch die Sorge vor einem verringerten Umfang US-amerikanischer Hilfen vorrangig.

Präsident Mohamed Ould Cheikh Ghazouani hat Donald Trump zum Wahlsieg gratuliert und dabei ausgedrückt, dass er sich eine vertiefte Partnerschaft mit den USA wünsche. Ein ähnlicher Tenor ist auch von anderen mauretanischen Führungspersönlichkeiten zu vernehmen. Die traditionellen Medien haben sich eher auf eine nüchterne Darstellung der Wahlergebnisse beschränkt und auf die polarisierende Stimmung in den USA verwiesen, die das Land vor enorme Zerreißproben stelle. In den sozialen Medien gibt es Anerkennung für Trumps Wahlsieg, aber auch viele besorgte Stimmen, die mit Trump eher ein konfrontatives Vorgehen bei weltweiten Konflikten sehen. Zudem sei der Kampf gegen den Klimawandel nun womöglich endgültig gescheitert.

 

Tunesien

Die Reaktionen auf Donald Trumps Wahlsieg in Tunesien sind verhalten und insgesamt finden die US-Wahlen keinen großen Niederschlag in der öffentlichen Debatte. Zudem gab es bislang keine offiziellen Reaktionen des Präsidialamts oder des Außenministeriums auf Trumps Wahlsieg, was vereinzelt als Ausdruck tunesischer Souveränität gelobt wird: Wie die meisten westlichen Staaten, hätten auch die USA die jüngsten tunesischen Präsidentschaftswahlen kaum kommentiert, geschweige denn, dem Wahlgewinner und Amtsinhaber Kais Saied gratuliert, so einige Kommentatoren.

Vereinzelte Beiträge in Zeitungen und im Radio im Vorfeld der Wahlen diskutierten neben den Auswirkungen der Wahlen auf den Nahostkonflikt in Breite und polemisierend die alarmierende gesellschaftliche Polarisierung in den USA – so etwa die Frage, ob die amerikanische Gesellschaft überhaupt bereit sei, erstmals mit Kamala Harris eine Frau in das höchste Staatsamt zu wählen. Gestreift wurde zudem das Thema der illegalen Migration und wie hier unter dem künftigen Präsidenten Trump eine entschiedenere Migrationspolitik mit Abschiebungen und einer stärkeren Sicherung der Südgrenze zu Mexiko auf die europäische Migrationsdebatte abfärben könnte.

Mit Sorge wird die Einschätzung geteilt, wonach Trump wie in seiner ersten Amtszeit einen stärkeren Schulterschluss mit Israel in den aktuellen Konflikten suchen wird. Ein möglicher eklatanter Unterschied zur Nahostpolitik seiner gescheiterten Herausforderin Kamala Harris wird jedoch in seinem als sicher geltenden rigiden Ansatz gegenüber der internationalen Hilfe für die Palästinenser u.v.a. der UNRWA gesehen. Insgesamt wird ihm in seiner zu erwartenden unnachgiebigen Haltung gegenüber den Palästinensern und seinen Ankündigungen bzgl. der Eindämmung illegaler Migration in die USA eine rassistische Haltung bescheinigt.

Konkrete Auswirkungen des Trump-Wahlsiegs auf die künftige Ausgestaltung der amerikanisch-tunesischen Beziehungen, finden sich in der aktuellen, verhaltenen Debatte kaum wieder.

 

Libyen

In Libyen wird Trumps Wahlsieg zum Teil gelassen gesehen und man sieht in seiner Rückkehr ins Weiße Haus keine bedeutende Wende in der US-Politik gegenüber Libyen. So erklärte Assalhine Abdennebi, ein Mitglied des libyschen Parlaments, dass "sich die US-Außenpolitik nicht mit einem Regierungswechsel ändert, und das Parlament wird weiterhin mit der amerikanischen Regierung in der gleichen Weise zusammenarbeiten, wie es unter Biden der Fall war". Im Gegensatz dazu zeigen sich einige libysche Politiker besorgt über Trumps Rückkehr und die Unberechenbarkeit seiner Politik. Das prominente Mitglied des Staatsrates, Belkacem Igziet, betonte in einer Erklärung gegenüber der Zeitung Asharq Al-Awsat, dass "Trumps Unberechenbarkeit und transaktionale Denkweise besorgniserregend sind, da er oft schnelle Lösungen für tiefe Krisen bevorzugt, die sich in Libyen wiederholen könnten". Diese Aussage verweist auf die Annäherung der Trump-Regierung an Haftar, die kurz vor dessen Militäroffensive auf Tripolis im Jahr 2019 stattfand. Auch Guma El Gomati, Vorsitzender der politischen Partei Taghyeer, glaubt, dass sich eine zukünftige Trump-Regierung weiter von der „Libyen-Frage“ distanzieren könnte und erinnert an Trumps Gleichgültigkeit gegenüber Libyen während seiner ersten Amtszeit. Er prognostiziert einen transaktionalen Ansatz einer Trump-Regierung gegenüber Russland in Bezug auf Libyen, da der neue US-Präsident China und nicht Russland als die Hauptbedrohung in Nordafrika ansehen könnte – im Gegensatz zur Biden-Regierung. Als entscheidend wird Trumps künftige Haltung im Ukraine-Konflikt gegenüber Russland gesehen: Sollte Trump sein Wahlversprechen einlösen und den Ukrainekonflikt befrieden (d.h. v.a. auf russische Forderungen eingehen), könnte sich dies, so befürchtet man, auch auf internationale Nebenschauplätze des Systemkonflikts, wo Russland Einfluss geltend macht, übertragen. Auch der Vizepräsident des Sprechers des libyschen Repräsentantenhauses, Fawzi Nwiri, teilt diese Sichtweise und behauptet, dass die libysche Frage für die USA unabhängig von einem Präsidentenwechsel marginal war und bleiben wird. Er verweist auf die seit mehr als zwei Jahren vakante Position des US-Botschafters in Libyen als starken Indikator dafür.

Nicht zur Mehrheitsmeinung zu zählen ist sicher die Spekulation eines libyschen Think Tank-Forschers, der auf ein mögliches Interesse Trumps an einer Weiterführung der Normalisierungsabkommen arabischer Staaten mit Israel verweist und Libyen unter bestimmten Umständen als möglichen Partner im Rahmen der Abraham Accords sieht, ähnlich dem Sudan während Trumps erster Amtszeit.

Auf den einflussreichsten Social-Media-Plattformen in Libyen, wie Fawassel Media und Libya Press, sind die meisten Kommentare vorsichtig positiv gegenüber Trumps Rückkehr. Dieses Interesse scheint sich weniger auf libysche Themen als vielmehr auf den israelisch-palästinensischen Konflikt zu konzentrieren. Viele Kommentare deuten darauf hin, dass Trumps nicht-interventionistischer Ansatz das Ende des Krieges in Gaza beschleunigen könnte, und argumentieren, dass er den inneren Angelegenheiten der USA Vorrang einräumen und die bedingungslose Militärfinanzierung für Israel erheblich reduzieren könnte - im Gegensatz zu dem Ansatz, der unter der Biden-Regierung zu beobachten war.

Insgesamt werden keine direkten Auswirkungen eines Wechsels in der US-Regierung auf die Lösung der Libyen-Krise angesichts ihrer Komplexität erwartet. Einige Kommentatoren, insbesondere Anhänger der Libyschen Nationalarmee (LNA) und Haftars, äußern jedoch die Hoffnung, dass Trumps Rückkehr Haftars Position stärken und seine Kontrolle über ganz Libyen erleichtern könnte.

 

Algerien

In Algerien erwartet man keine Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen nach der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus. So hat der algerische Präsident Tebboune umgehend zum Wahlerfolg gratuliert und die hervorragenden Beziehungen der beiden Länder betont.

Dennoch werden Konsequenzen für zwei für Algerien wichtige außenpolitische Dossiers erwartet: aus algerischer Sicht positive Folgen für den Krieg Russlands gegen die Ukraine und negative Folgen für das Nahost-Dossier, insbesondere hinsichtlich der Themen Gazakrieg und Westsahara. Beide Dossiers zählen zu den Prioritäten der algerischen Diplomatie.

Eines der wichtigsten Versprechen Donald Trumps war es, den Krieg in der Ukraine „innerhalb von 24 Stunden“ zu beenden. Das Versprechen löst bei der algerischen Regierung die ernsthafte Hoffnung aus, dass die amerikanische Unterstützung für Kiew reduziert und - aufgrund der Affinität zu Wladimir Putin, die Donald Trump nachgesagt wird - ein den Krieg beendender Deal, möglich wird. Algerien hat mehrfach, trotz seiner Loyalität mit Russland, sein Missfallen über den russischen Angriff geäußert und die intakten Beziehungen zur Ukraine betont. Mit Trump als US-Präsidenten sieht die algerische Regierung die Chance gekommen, eine Lösung zu finden, die es ermöglicht, die eigene doppelseitige Position wahren zu können.

Im Nahen Osten verheißt die Rückkehr von Donald Trump dagegen nichts Gutes für die Position Algeriens. Der künftige Präsident, so wird befürchtet, werde die israelische Regierung bei ihrem Vorgehen im Gazastreifen deutlich weniger ermahnen als die Regierung Biden. Die überschwängliche Reaktion Benjamin Netanyahus unmittelbar nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse und die Entlassung zweier Minister, die für einen Waffenstillstand mit der Hamas plädierten, werden von Alger in diesem Sinne interpretiert.

In schlechter Erinnerung ist das Jahr 2017, als Donald Trump kurz nach Amtsantritt verkündete, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Unter Donald Trump wurden im Jahr 2020 auch die Normalisierungsabkommen zwischen Israel und mehreren arabischen Ländern unterzeichnet. Beides sind Themen, die in Algerien für Unbehagen sorgen.

Der Ausgang der US-Wahlen birgt aus algerischer Sicht das Risiko, im Hinblick auf die Westsahara weitere Tatsachen zugunsten Marokkos zu schaffen. Als Gegenleistung für die Normalisierung erkannte Trump im Dezember 2020 offiziell die „marokkanische Souveränität“ über das umstrittene Gebiet an, eine Verpflichtung, von der sein Nachfolger Joe Biden nicht abkehren wollte. Obwohl ohne rechtliche Wirkung, so hatte diese Entscheidung von Donald Trump aus algerischer Perspektive weitreichend Folgen für die gesamte Region. Algerien sah sich gezwungen, sowohl gegenüber Marokko als auch Spanien entsprechende diplomatische Konsequenzen zu ziehen. Die Fortsetzung derartiger Entwicklungen erwartet die algerische Seite auch in der kommenden Amtszeit des Präsidenten Donald Trump.

Insgesamt bleibt die Sicht Algeriens aber durchaus positiv. Dass Trump in allen Swing States gewonnen hat, wird in Algerien so interpretiert, dass er gestärkt ist, seine Politik bilateraler Deals kompromisslos weiterzuverfolgen. Dadurch könne er die internationale Ordnung und damit vor allem „den Westen“ weiter unter Druck zu setzen. Damit kann sich die algerische Außenpolitik grundsätzlich arrangieren.

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Philipp Burkhardt

Philipp Burkhardt

Länderreferent in der Abteilung Naher Osten und Nordafrika

philipppaul.burkhardt@kas.de +49 30 26996-3729

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