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Houssam Saleh

Einzeltitel

Zerstörtes Land, zerrüttete Politik

von Michael Bauer, Anne Bauer

Am 6. Februar erschütterte ein schweres Erdbeben den Norden Syriens. Während Tausende ihr Leben verloren, schlägt in Syrien die Stunde der Opportunisten.

Die politischen Entwicklungen im Nachgang des Erdbebens in Nordsyrien zeigen auf, wie politischen Zielen Vorrang vor humanitären Notwendigkeiten gewährt wird. Besonders dem Assad-Regime gelang es, politisches Kapital aus der Katastrophe zu schlagen und seine diplomatischen Beziehungen zu stärken.

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Die Nachwirkungen des schweren Erdbebens, das vor eineinhalb Monaten Syrien und die Türkei erschütterte, sind noch lange nicht vorüber. Obwohl die schlimmsten Nachbeben inzwischen abgeklungen sind, bleiben vielfältige humanitäre und politische Herausforderungen bestehen. Die wiederholte Behinderung lebensrettender Hilfsgüter und der Diebstahl selbiger, sowohl durch das Assad-Regime als auch durch andere oppositionelle Parteien, sind Ausdruck der Zerrüttung der innersyrischen politischen Machtverhältnisse und des weitreichenden Unwillens, für humanitäre Zwecke über politische Frontlinien hinwegzusehen. 

Dem Assad-Regime gelang es insbesondere, sich der arabischen Staatengemeinschaft wiederanzunähern, aus der es vor mehr als einem Jahrzehnt verstoßen worden war. Hierbei lieferte die Krise denjenigen arabischen Staaten, die auf eine Normalisierung der Beziehungen zu Syrien hinarbeiten, einen humanitären Vorwand, weitere Schritte in diese Richtung zu gehen. Entsprechend gibt die Verteilung der Hilfslieferungen Auskunft über das Wohlwollen bzw. die Missbilligung der jeweiligen Akteure gegenüber dem syrischen Regime. Zwar hat bisher keine arabische Regierung ihre grundsätzliche Haltung gegenüber Assad geändert, doch ermöglichte die humanitäre Notlage Staats- und Regierungschefs mit einer vor kurzem noch unbekannten Leichtigkeit von Annäherung und Normalisierung zu sprechen. 

Für Assad war das Erdbeben außerdem eine Gelegenheit, mit dem Finger auf westliche Regierungen zu zeigen, und deren Beharren auf „cross-border“ Hilfe und Sanktionen für die schleppende humanitäre Versorgung nach dem Erdbeben verantwortlich zu machen. Dieses altbekannte und vielfach vorgetragene Mantra soll vom Unwillen und der Unfähigkeit des Regimes ablenken, selbst angemessen auf humanitäre Notlagen zu regieren. Die EU, USA und andere Länder antworteten darauf, indem sie weitere Ausnahmen für humanitäre Hilfe von ihren Sanktionsvorschriften schufen; möglicherweise eher, um dem politischen Schuldzuweisungsspiel zu entgehen, als aus der festen Überzeugung heraus, dass solche Lockerungen der Korruption, dem Fehlverhalten und Opportunismus syrischer Akteure entgegenwirken können. 

Schlussendlich hätte solch eine Naturkatastrophe, die weder an Landesgrenzen haltmacht, noch politische, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit berücksichtigt, vor allem das syrische Regime dazu veranlassen müssen, wohlwollendes Verhalten und Zugeständnisse für die größere humanitäre Sache an den Tag zu legen. Stattdessen führt uns das Erdbeben einmal mehr schonungslos die festgefahrenen syrischen Verhältnisse vor Augen, ohne dabei das politische Establishment, das die Krise fortweg aufrechterhält, maßgeblich zu erschüttern.

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Michael Bauer

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Leiter des Auslandsbüros Libanon

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