Häufig wird die Qualität der Wahlen ignoriert oder es werden zwar Mängel im Wahlprozess festgestellt, diese bleiben jedoch ohne Folgen. Gemäß der allgemein anerkannten internationalen Standards müssen demokratische Wahlen frei sein, d. h. die Rechte der Bürger zur Teilnahme an den Wahlen und zum Wettbewerb um Positionen müssen gewährleistet und durch den Rechtsstaat geschützt sein. Demokratische Wahlen müssen auch fair sein, was bedeutet, dass für alle Bewerber gleiche Ausgangsbedingungen herrschen sollten. Doch was bedeuten diese Mindeststandards im Zeitalter der künstlichen Intelligenz und der neuen Technologien, und vor allem bei Betrachtung des vorherrschenden Chaos in der Informationsvermittlung, wie es von der Autorin der vorliegenden Studie beschrieben wird?
Für eine politische Stiftung wie die KonradAdenauer-Stiftung (KAS), die den Auftrag hat, Demokratisierungsprozesse weltweit zu unterstützen, sind die Auswirkungen der neuen Technologien auf Wahlabläufe und den Zustand unserer Demokratien von größtem Interesse.
Dies betrifft sowohl etablierte als auch junge Demokratien. Die Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, sind vielfältig und sie gehen weit über die Zerrüttung von Institutionen hinaus. Sie wirken sich besonders auf das soziale Gefüge und die politische Kultur in unseren Gesellschaften aus und verändern sie dramatisch. Es ist eine Transformation, die sicherlich auch ihre positiven Seiten hat, solange die negativen Nebenwirkungen und Kollateralschäden eingedämmt werden. Aber gerade die Kollateralschäden waren noch nie so komplex wie sie es heute sind.
Bei der Verteidigung der Demokratie können wir zwei Frontlinien erkennen:
Die erste umfasst den politischen Raum, den Bereich, in dem Kandidaten und Parteien Wahlkämpfe betreiben, um die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen. Dort verändern Verleumdungen online, Hassreden, Datenlecks, Desinformationen und Täuschungsmanöver das „level-playing field“, die Rahmenbedingungen. Es ist diese Realität, die Eroberung von Herzen und Gedanken der Bevölkerung, die die vorliegende Studie „Die Anatomie des Chaos in der Informationsvermittlung in Afrika“ im Detail analysiert und mit Beispielen aus dem afrikanischen Kontinent illustriert.
Der zweite Bereich ist vor allem technischer Natur und dort sind es vor allem die Wahlkommissionen, die besonders für Manipulationen anfällig werden. Hierbei handelt es sich um Möglichkeiten der Datenmanipulationen, die durch lokale oder ausländische Stakeholder begangen werden und einen Wahlprozess nachhaltig stören und beeinflussen können. Rivalisierende politische Parteien müssen über hinreichendes Fachwissen der eingesetzten Technologien verfügen, um zu verstehen, wann Wahlbetrug stattfinden kann und wie er zu verhindern ist.
Um weitere Aufschlüsse über die durch moderne Ideologien entstehenden Schwachstellen in einem Wahlzyklus zu gewinnen, initiierte KAS New York zusammen mit der Verfasserin dieser Studie ein umfassendes Forschungsprojekt. Es befasst sich nicht nur mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Generierung zielgerichteter Desinformationskampagnen, Datenmanipulation und der Nutzung cybergestützter künstlicher Intelligenz zur Erzeugung von kognitiv-emotionalen v Konflikten und Desinformationen. Es behandelt auch die Fragen, wie zweckdienlich Wahlgesetze im Zusammenhang mit den heutigen technologischen Möglichkeiten sind und wie Sicherheit und Widerstandsfähigkeit der Wahlinfrastruktur am besten gewährleistet werden können.
Die Erkenntnisse aus diesen Analysen dienen der UnterstützungundSensibilisierung vonWahlkommissionen, Gesetzgebern, Vertretern politischer Parteien, Medien und der Öffentlichkeit für die sich abzeichnenden Bedrohungen, die den demokratischen Charakter von Wahlen gefährden und weitreichende Konsequenzen für die politische Kultur von Gesellschaften beinhalten.
Ferner wendet sich das Forschungsprojekt auch an internationale Organisationen, die häufig bei der Organisation von Wahlen unterstützen oder selbst in der Wahlbeobachtung aktiv sind und die die möglichen Verzerrungen, die leicht unbemerkt bleiben könnten, berücksichtigen müssen.
KAS New York wünscht allen Stakeholdern und derinteressierten Öffentlichkeit eine spannende Lektüre!
Andrea E. Ostheimer
Executive Director Konrad-Adenauer-Stiftung
New York